Expressionistische Exotika
Hymnen an die Kraft der Farbe, den kreativen Geist und die Artefakte der Naturvölker erklingen aus Emil Noldes (1867–1956) einzigartigen Figurenstillleben: In mehr als einhundert Gemälden und Aquarellen schärfte der Expressionist exzessiv sein koloristisches Können in Auseinandersetzung mit Exotika aus Übersee. Die Nolde Stiftung Seebüll – Hüterin des künstlerischen Erbes Noldes – konnte nun mit dem Ölbild „Stilleben (mit gestreifter Ziege)“ von 1920 ein Spitzenstück aus dieser Werkgruppe erwerben. Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder glückte der Ankauf aus dem Nachlass von Noldes zweiter Frau Jolanthe Nolde, der das Mitglied der Dresdner Künstlergruppe „Brücke“ besonders repräsentative Werke seines Schaffens vermachte.
Exotische Kultur prallt auf vergängliche Natur: Wie seine „Brücke“-Kollegen Kirchner und Pechstein, faszinierte Emil Nolde die Kunst der „Primitiven“. Er schuf sich gar nach einer einjährigen Neuguinea-Expedition im Jahr 1913/14 eine ethnologische Privatkollektion mit 400 Objekten, von afrikanischen Holzidolen über japanische Nō-Masken bis hin zu ozeanischen Totems. Die Sammlung – heute verwahrt von der Nolde Stiftung – inspirierte den Künstler zur Gruppe jener Gemälde, in denen er außereuropäische Volkskunst unter anderem mit industriell gefertigtem Nippes und Blumen spannungsgeladen in Szene setzt. So verschränken sich im „Stilleben (mit gestreifter Ziege)“ eine mexikanische Bronzefigur mit Sonnenemblem, eine Glasziege und ein Mohnblumenstrauß – gemäß Noldes künstlerischem Prinzip einer subtilen Dissonanz von Motiven und Farben. Mittels überlanger Borstenpinsel monumentalisierte Nolde die nur wenige Zentimeter großen Objekte in seiner groben, vor Unmittelbarkeit und Spontaneität strotzenden Malweise: Warmes Gelb, kühles Weiß und Grün sowie Glutrot erschaffen im Zusammenspiel eine kontrastreiche Farbmagie.
Die Nolde Stiftung Seebüll ist das Zentrum zu Leben und Werk des Malers und Graphikers. Sie verfügt neben der weltweit umfangreichsten Werksammlung des Künstlers auch über dessen privates „Völkerkundemuseum“: So ist nun im ehemaligen Wohn- und Atelierhaus Noldes das Gemälde mit den in ihm dargestellten Objekten wieder vereint. Mit dem Kunstwerk – ein zentrales Beispiel für die Figurenstillleben des Expressionisten – gelingt es der Stiftung, seine Sammlung qualitativ zu stärken.