Potsdam im Zeitenwandel
Als 1989 die Mauer fällt, bedeutet das für die Fotografen in der ehemaligen DDR vor allem eins: unendlich viele bis dahin unerreichbare Motive. Aber auch für den damals in West-Berlin lebenden Manfred Hamm (geb. 1944) ergeben sich neue Möglichkeiten. Sein Ziel hieß jedoch im Gegensatz zu denen seiner ostdeutschen Kollegen nicht New York oder Tokio, sondern Potsdam. Anfang der 90er Jahre beginnt Hamm – der mit Buchveröffentlichungen wie „Tote Technik. Ein Wegweiser zu den antiken Stätten von morgen“ (1981) und „Sterbende Zechen“ (1983) bekannt wurde – die brandenburgische Stadt samt Umgebung mit der Kamera einzufangen. Stillgelegte Industriestätten und verlassene Bahnhöfe, aber auch Parkanlagen und herrschaftliche Villen sind seine bevorzugten Motive. Hamms Werke sind zugleich visuelle Chronik und Fotokunst: Seine architektonischen Porträts sind kostbare Zeitzeugen einer vergangenen Industriekultur und des Städtebaus der Region Potsdam.
Das Gesicht Potsdams und seiner Umgebung unterlag nach der Wende aufgrund des rasanten politischen und industriellen Wandels einer steten Veränderung. Eine Entwicklung, die sich unter anderem am Areal des Kraftwerks der Schiffbauergasse ablesen lässt: Das 1995 von Hamm abgelichtete Gaswerk am Tiefen See brachte bei seiner Inbetriebnahme 1856 die 386 Laternen Potsdams zum Leuchten, spendete den Bewohnern insgesamt über 130 Jahre Licht und Wärme. Im Laufe der Jahre immer wieder umgebaut und erweitert, wurde es 1990 als letztes seiner Art vom Netz genommen. Manfred Hamm inszenierte Koksseparator, Zichorienmühle, Schornstein und Ladekräne des Werks in der für ihn typischen Weise. Die sachliche Industriearchitektur der Anlage kommt sowohl in ihren Einzelelementen als auch im Gesamtensemble voll zur Geltung. Hamm suchte hier, wie in seinen anderen Architekturaufnahmen, den idealen Winkel, um die Eigenheiten des Motivs möglichst objektiv auf Fotopapier zu bannen. Kompositorisch eingerahmt zwischen hellem Himmel und ruhigem See bestimmt die Anlage den Bildraum, auf stimmungserzeugende Kniffe der Perspektive wird weitgehend verzichtet. Große Teile des Areals sind heute bereits abgerissen. Im sanierten und modernisierten Koksseparator hat mittlerweile eine Softwarefirma ihren Sitz.
Die Fotografie ist nur ein Beispiel aus den zahlreichen Negativen, Ektachromen und Originalabzügen des Potsdam-Bildarchivs von Manfred Hamm, das einen unschätzbar wertvollen Rückblick in die topographische Geschichte Potsdams erlaubt. Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung sowie des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur kann das Potsdam Museum nun seine fotografische Sammlung der letzten zwei Jahrzehnte auf Schönste komplettieren.