Morgenglühen und Abendrot
Einen Sommertag im Grünen – vom Morgenglühen mit duftigem Dunst zur erhabenen Abendröte und schließlich zum zarten Verglimmen des letzten Sonnenstrahls – können Besucher des B. C. Koekkoek-Hauses in Kleve fortan durchschreiten. Gleich vier ganz vom Licht bestimmte Landschaften des 19. Jahrhunderts erhält das Museum als Dauerleihgabe vom Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. Die Gemälde wurden aus der renommierten Sammlung der niederländischen Romantik-Liebhaber Ursula und Jef Rademakers erworben. Das qualitätvolle Quartett besticht mit minutiös gemalten Ideallandschaften: Hügel, Heide, Wald und Wiesen, bevölkert mit rastenden Schäfern und grasendem Vieh. Eine Augenweide und zugleich Hauptdarsteller aller Kompositionen sind jedoch der Himmel und das Licht, das sanft die Szenerien durchdringt und die Welt atmosphärisch verzaubert: romantische Visionen, die melancholisch und poetisch die Großartigkeit der Schöpfung feiern und die Endlichkeit des Menschen gegenüber der Unendlichkeit der Natur in Szene setzen.
Dass die mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und einer Spende erworbenen Gemälde von Gehalt und Stil verwandt sind, ist kein Zufall: Entstammen doch alle den Paletten von Weggefährten und Schülern Barend Cornelis Koekkoeks und verbildlichen den Einfluss des einst in Kleve ansässigen Malerfürsten der niederländischen Romantik.Highlight der himmlischen Vier ist eine „Landschaft mit Mondsichel“ des Haarlemer Malers Cornelis Lieste (1817–1861), der 1840 in die Kurstadt am unteren Niederrhein kam und sich intensiv mit der Kunst Koekkoeks auseinandersetzte. Virtuos bannte Lieste das flüchtige Zwielicht in fein abgestimmter changierender Farbigkeit auf eine Holztafel: Erlöschendes Abendrot und aufsteigender Neumond werfen Lichtreflexe auf eine Heidelandschaft mit einsamem Wandersmann, malerisch meisterhaft wabert Nebel über eine ruhige Wasseroberfläche.
Zum Hauptwerk Liestes gesellt sich im B. C. Koekkoek-Haus die kleine Tafel „Morgenrot am Rhein“ Hendrik Lots (1821–1878). Der Schüler Koekkoeks übersetzt in seiner Flusslandschaft die Kunsttheorie seines Lehrmeisters in ein Gemälde, in dem sich – vergleichbar mit dem Werk William Turners – Felsen und Fluss in der Farbe der Morgendämmerung aufzulösen beginnen. Nicht minder stimmungsvoll lässt Willem Bodeman in einer „Italianisierenden Landschaft“ (1847) einen gemalten Sommerabend in reichem Licht und Schattenspiel ausklingen, während im Gemeinschaftswerk „Bauernhof“ (1832) Pieter Abels und Jacobus Theodorus van Os das Goldene Zeitalter niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts in reetgedeckten Katen und bäuerlicher Staffage wieder aufleben lassen.
Alle Neuzugänge waren bereits 2011 in der Ausstellung „Der romantische Blick – die Sammlung Rademakers“ in Kleve zu Gast. Nun dauerhaft im B. C. Koekkoek-Haus – dem Spezialmuseum zur niederländischen Landschaftsmalerei der Romantik, das sich besonders dem Werk Koekkoeks, dessen Familie und Zeitgenossen widmet –, wird die Sammlung mit den Gemälden als Zeugnisse der Koekkoek’schen Schule aufs Schönste ergänzt.