Mode in Meyenburg
„Ich bin ein Modemuffel“, sagt Josefine Edle von Krepl. Das wäre nicht weiter überraschend, wenn von Krepl nicht seit 56 Jahren Kleider sammeln würde und das einzige private Modemuseum Deutschlands betriebe. Früher hatte sie eine eigene Boutique in Ost-Berlin, für die sie selbst nähte und verkaufte. Ihre Kreationen waren so beliebt, dass sie oft schon am Nachmittag den Laden zusperren musste, weil alles ausverkauft war und erst Neues genäht werden musste.
Die Nähmaschine von damals und einige der Designstücke hat die Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ für ihre Berliner Ausstellung zur Alltagsgeschichte in der DDR bekommen. Die Ergebnisse ihrer Sammellust zeigt Josefine von Krepl seit sieben Jahren im „Modemuseum Meyenburg“. Dort hat von Krepl mehrere Säle und Kellergewölbe im fein hergerichteten Schlösschen mietfrei zur Verfügung. Sie hat eine Schau eingerichtet, die nicht nur Kleider ausstellen, sondern das Lebensgefühl einer Zeit umfassend mit Kleidung und Accessoires, Nippes, Musik und Möbeln vermitteln will. Das sind die prächtigen Hochzeitskleider vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die einfachen und doch raffinierten Kleider der Goldenen Zwanziger, die aus verschiedenen Stoffen zusammengeschneiderten der Kriegszeit, die Mini- und die Maxikleider, um nur einige wenige aus der Sammlung aufzuzählen. Oft kann von Krepl diese Kleider auf original Schaufensterpuppen der Zeit zeigen, denn die sammelt sie auch.
Nur Männermode interessiert sie weniger. Trotzdem besitzt sie den einen und anderen Anzug, manchen Hut, viele Accessoires. „Wenn ich etwas bewahren kann, nehme ich auch Männermode“, sagt von Krepl, die insgesamt mehr als 5.000 Kleider aus der Zeit von 1900 bis 1980 und eine noch ungezählte Anzahl von Accessoires – sie werden gerade erst erfasst – besitzt. Die Freude am Bewahren ist es, die sie antreibt, immer weiter zu sammeln. Ausgestellt sind nur zehn Prozent – der Rest hängt, liegt, lagert in mehreren Depots.
Während des Gesprächs für diesen Text ruft ein Freund aus Leipzig im Modemuseum an. Er hat auf dem Flohmarkt gerade eine Art déco-Toilettentischgarnitur gefunden und fragt, ob er sie kaufen soll. Er soll! Und von Krepl weiß natürlich auch schon, welchen Platz sie in der Ausstellung bekommen wird. Noch ist die Sammlung reine Privatsache, doch Josefine von Krepl will aufhören – nicht als Sammlerin, aber als Museumsleiterin, Ausstellungsmacherin, Telefonistin, Kartenverkäuferin. Denn im nächsten Jahr wird sie 70 Jahre alt und würde gern all ihre Schätze in andere, sie gut bewahrende Hände geben. Konkret geht es dabei um den Verkauf der Sammlung und den Fortbestand des Museums im Schloss.
Erste Gespräche darüber gab es bereits – initiiert vom damaligen Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse. Denn Thierse ist nicht nur seit 40 Jahren mit von Krepl befreundet, er bewundert sie für „ihre Ausdauer, ihr Engagement und ihren Quälgeist“. Das Modemuseum findet Thierse „sensationell und einmalig“ und wichtig für das touristisch-kulturelle Angebot der Region. Deshalb hofft er, dass sich ein Trägerverein findet, der den Museumsbetrieb weiterführt. Und er hofft auf viele Stifter und Mäzene, die beim Kauf der Sammlung helfen. Einer dieser Unterstützer will die Kulturstiftung der Länder sein. Sie hat bereits Fachgutachten eingeholt, die „sehr positiv“ ausgefallen sind, wie Dezernentin Britta Kaiser-Schuster sagt. Deshalb sehe die Stiftung die Sammlung als förderwürdig an.
Auch Meyenburgs Amtsdirektorin Katrin Lange ist zuversichtlich, dass es eine Lösung für das Museum gibt. „Es besteht Einigkeit, dass die Stadt auch weiterhin das Museum unterstützt“, sagt Lange. Die Betriebs- und Unterhaltungskosten bezahlt sie seit Jahren und wird sie auch in Zukunft bezahlen. Denn: „Das Museum ist ein Highlight in unserer Region“, sagt Lange. Jedes Jahr kommen zehn- bis zwölftausend Besucher. Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, doch wenn man bedenkt, dass die meisten Besucher extra anreisen, um die Ausstellung zu sehen, ist es gar nicht mehr so wenig.
Für Josefine von Krepl ist das Schloss in Meyenburg der ideale Standort. „Mein Fundus ist so groß, ich könnte sofort irgendwo ein zweites Museum einrichten – das würde ich machen. Aber hier wegziehen? Nein!“ Sie fügt hinzu: „Es würde mir das Herz brechen.“ Man glaubt es ihr sofort. Um nah bei ihrem Museum zu sein, hat sie das geliebte Berlin verlassen, den Kiez gegen ein ehemaliges Pfarrhaus mit großem Garten und Kirche in einem kleinen Nachbardorf von Meyenburg eingetauscht. In der Kirche macht sie manchmal auch Ausstellungen und organisiert Konzerte.
Dass „Modemuffel“ Josefine von Krepl als Museumsleiterin keine Zeit mehr hat, sich selbst Kleider zu nähen, versteht man gut. Die Lust, sich mit und gegen wechselnde Trends zu kleiden, ist mit den Jahren auch verschwunden. Geblieben ist die Leidenschaft für historische Kleidung. „Viele fragen: Haben Sie denn etwas von Schauspielern oder Politikern? Habe ich, aber das kam so dazu. Goldstaub ist für mich die zwanzig Mal gestopfte Unterhose aus dem Ersten Weltkrieg“, sagt von Krepl.
Getragen sind alle Stücke der Sammlung – aber nie von Josefine von Krepl selbst. Zu schade sind ihr die Kleider, die sie bewahren und beschützen will. Zu vielen gibt es Geschichten zu erzählen – Geschichten über die Trägerin oder Geschichten, wie von Krepl das Kleid gefunden hat. Einmal, wenn sie ihr Museum in neue Hände gegeben haben wird, will sie diese Geschichten und die anderen über ihre Zeit als eine der wenigen selbstständigen Designerinnen mit eigener Boutique in Ost-Berlin, aufschreiben. Es werden rührende und komische Geschichten über die besondere Art der Stoffbeschaffung in der Mangelwirtschaft der DDR sein, über Kleider aus Müllcontainern und über Menschen, die diese Kleider trugen. Denn von Krepl, die Modedesign und Journalismus in der DDR studierte und 13 Jahre bei der Frauenzeitschrift „Für Dich“ arbeitete, bevor sie ihre Boutique „Josefine“ eröffnete, sammelte schon als Studentin. Und tut es immer weiter. Von Krepl: „Ich kann mir ein Leben ohne Bewahren nicht vorstellen, und es geht immer so weiter – ich werde immer Dinge, die ich unterwegs finde und sehe, kaufen und dem Museum zur Verfügung stellen. Das ist mein Leben. Ich kann nicht anders.“