Mehr Sonne
Als August Mackes Gemälde „Wäsche im Garten in Kandern“ überraschend im Oktober 2015 von den Leihgebern, den Nachfahren des Künstlers, abgezogen wurde, stockte den Mitarbeitern des Freiburger Museums für Neue Kunst der Atem. Denn 20 Jahre lang war Mackes Schlüsselwerk ein vielbesuchter Dauergast, ein Protagonist der Sammlung der Klassischen Moderne gewesen. Viel Zeit blieb nicht, und in aller Kürze schmiedete das Museum eine tatkräftige Finanzierungskoalition: So gelang es bereits einige Woche später, das Hauptwerk der Klassischen Moderne für die Sammlung auf einer Auktion wiederzugewinnen, die Kulturstiftung der Länder und die Ernst von Siemens Kunststiftung unterstützten den Ankauf.
Mackes Gartenszene von 1907 markiert einen Wendepunkt im Schaffen des jungen Künstlers, als dieser begann, sich intensiv mit den Werken der französischen Impressionisten auseinanderzusetzen. Die neue Kunstrichtung begegnet Macke zunächst nur in neuerschienenen Kunstpublikationen, die Wirkung dieser Lektüre spiegelt sein Gemälde „Wäsche im Garten von Kandern“ wider. Macke lässt die melancholische Stimmung, den Ernst früherer Werke, die noch im Einfluss von z. B. Arnold Böcklin stehen, zurück. Heiter der Ausdruck, spontan der Farbauftrag, hell die Szenerie: Im Garten seiner Schwester, die in der Kleinstadt Kandern im Markgräflerland das Wirtshaus Krone betrieb, entsteht ein Schlüsselwerk in Mackes frühem Schaffen, das sich, zumindest für einige Jahre, stark an den Meisterwerken der französischen Kunst orientiert. Für Freiburg ist die Gartenszene besonders auch wegen ihres regionalen Bezugs so außerordentlich wertvoll.
Zusammen mit einem weiteren im Freiburger Museum gezeigten Werk Mackes, „Straße mit Kirche in Kandern“ aus dem Jahr 1911, wird die Spannbreite seines Schaffens deutlich. Das jetzt erworbene Gemälde illustriert eine Umbruchsphase des Künstlers: „Ein kleines Blümchen, einen Baum oder einen Bund Spargel richtig zu sehen und wiederzugeben, erschien ihm wichtiger als das Malen von großen Bildern“, beschreibt Mackes Frau Elisabeth später die Zeit in Kandern vor den Toren Freiburgs. Von hier reiste Macke schließlich zu einem vierwöchigen Aufenthalt nach Paris, dort bemerkt er auf seine künstlerische Entwicklung bezogen, er habe „das Gefühl, als käme ich aus einem Krater heraus in das Sonnenlicht.“
Den Frühling vor einem kräftigen Sommer fängt „Wäsche im Garten von Kandern“ im lebhaften Kontrast des Farbenspiels ein, im Zusammenklang von wenigen hellen und mehr dunklen Farben: Hinter der gleichmäßigen Struktur des Lattenzauns leuchten in starken Grüntönen Wiese, Ranken, Büsche und Bäume, wenige Blumen akzentuieren die üppige Explosion der Natur, hinter der das Gasthaus der Schwester fast nicht mehr sichtbar wird. Selbst die prominent durch die Szene laufende Leine mit weiß herausstechender Wäsche scheint von der Kraft der Natur verschluckt zu werden.
Im Freiburger Museum für Neue Kunst können die Besucher nun weiterhin das Leuchten und Flimmern der Farben zu Beginn von August Mackes künstlerischem Aufbruch in die Klassische Moderne erleben. Vom 20.2. bis 15.3.2016 hängt das Bild als Gast im Augustinermuseum, bis dann ab dem 19.3.2016 die „Wäsche in Kandern“, nach der Wiedereröffnung des Museums für Neue Kunst, wieder den angestammten Platz einnimmt.