Kurfürstliche Trinkgefäße

Goldschmiedearbeiten mit Hinterglasmalerei zählen zu den erlesenen Kostbarkeiten fürstlicher Kunstkammern der deutschen Spätrenaissance. Das im Grünen Gewölbe in Dresden aufbewahrte Becherpaar mit Hinterglasmalerei ist dem Herrscherpaar Kurfürst August von Sachsen (1526–1586, Kurfürst von 1553 –1586) und seiner Gemahlin Anna von Dänemark und Norwegen (1532–1585) gewidmet, wie die in Blattgold radierten, ineinander gestellten Buchstaben ‚A‘ belegen.

Die als Doppelwandbecher angelegten Stücke sind von hohem ästhetischen Reiz. Die Außenseite des stark konischen Glaszylinders wurde in der Technik der Hinterglasmalerei verziert, so dass die Bemalung von der Innenseite des Zylinders einsehbar ist. Zum Schutz des Dekors ist das Glas von drei annähernd gleich großen, gewölbten Schalen umschlossen, die ehemals einen leicht größeren Glaszylinder gebildet haben und zur Erleichterung des Malprozesses aufgeschnitten wurden. Die Innenflächen dieser drei Einzelscheiben sind gleichfalls bemalt, so dass die Malerei von der Außenseite des Zylinders betrachtet werden kann. Zwei kleine verzierte Glasscheiben bilden die Bodenplatte. Neben der Verkittung aller Glassegmente mit einem dunkelroten, wachsartigen Material wird das Gefäß von senkrechten Spangen einer vergoldeten Silberfassung gehalten.

Das Kurfürst August gewidmete Gefäß zeigt die sechs Provinzwappen der Pfalz Thüringen und Pfalz Sachsen, Orlamünde und Pleißen, Landsberg und Altenburg sowie das Wappen des Burggrafentums Magdeburg auf der Bodenplatte; ein ehemals darunterliegendes weiteres Wappen ist zerstört. Der zweite Becher nimmt Bezug auf Kurfürstin Anna und deren königlich dänische Herkunft. Seine Außenwand schmücken die Wappen vom Königreich der Goten (Jütland) und der Wenden; hinzu kam offenbar das Wappen Schwedens, das ebenfalls zerstört ist. Auf dem Boden finden sich oben die Wappen Schleswig-Holsteins und unten Stormarn-Oldenburgs. Beide Innenbecher sind mit einem floralen Dekor geschmückt. Damit illustriert das Becherpaar sehr eindrücklich das dynastische Selbstverständnis des Herrscherpaares.

In der Sammlung des Grünen Gewölbes werden die beiden edlen Gefäße bereits im ersten erhaltenen Inventar der Schatzkammer von 1586/87 als „vorgulte Amulirte becher mit deckeln“ aufgeführt. Die dort genannten Deckel haben sich leider nicht erhalten. Der Begriff ‚amuliert‘ ist lediglich im deutschen Sprachraum zu finden und geht zurück auf das altdeutsche ‚gamâl‘ (bunt verziert, farbig) oder ‚gamâlen‘ (zeichnen, malen). Soviel heute bekannt ist, taucht amelieren, amolieren, amulieren oder gamalieren erstmals 1532 im Schuld- und Rechnungsbuch des Nürnberger Patriziers Dr. Christoph Scheurl auf. Unter heutigen maltechnischen Aspekten versteht man unter ‚Amelierung‘ die Verzierung eines gläsernen Bildträgers, dessen als erstes angelegte Blattvergoldung mit einem feinen Werkzeug radiert wurde, um anschließend mit verschiedenfarbigen, transparenten Lacken (Lüsterfarben) hintermalt zu werden. Wird die Bemalung mit einer Silber- oder Zinnfolie hinterfangen, welche sogar zuvor leicht geknittert wurde, erstrahlt das amelierte Werk durch die Reflektion des Lichtes in beeindruckender Weise. Abgeleitet wurde diese technische Raffinesse von der Glasmalerei, die im Durchlicht ihre volle Wirkung entfaltet. Um den bei Auflicht zu betrachtenden Hinterglasgemälden eine vergleichbare Erscheinung zu geben, wurde mit reflektierender Folie gearbeitet; im Fall der Becher mit dünner Silberfolie.

Die beiden Doppelwandbecher zählen zur „Nürnberger Amelierkunst“ mit Werkstücken in Form von amelierten Glaseinlagen beispielsweise in Deckelkästchen, Spielbrettern oder in Kabinettschränken. Doppelgewandete Gläser sind in dieser Zeit eine Novität und zeugen von der großen technischen Herausforderung. Erst der Schweizer Hans Jakob Sprüngli nahm sich Anfang des 17. Jahrhunderts der Doppelwandtechnik vermehrt an, als Schale oder Humpen, nicht jedoch in Becherform. Hier schließt sich die Frage nach dem Urheber der Hinterglasmalereien der Dresdner Becher an. Aufgrund des engen Zusammenspiels von Glas und Fassung ist anzunehmen, dass Hinterglasmaler und Goldschmied in intensivem Austausch gestanden haben. Wie aus der auf dem Fuß eingeschlagenen Meistermarke hervorgeht, stammt die vergoldete Silbermontierung vom Augsburger Goldschmied Hans Selber (e. E. 1553, gest. 1584, Meister vor 1553). Dies führte zur Zuschreibung an Nicolaus Solis (um 1542 –1584), den Sohn des Nürnberger Zeichners und Kupferstechers Virgil Solis (1514 –1562), der in Quellen als Erfinder der Amelierung genannt wird. Nicolaus siedelte 1565 nach Augsburg über, wo er wie sein Vater als Amelierer tätig war.

Die bisherige Datierung der Becher um 1580 bis 1584 bedarf einer Prüfung, da dem Beschauzeichen in der aktuellen Markenforschung eine längere Laufzeit von 1559 bis 1586 eingeräumt wird. In der Tat weisen die Mauresken der Goldschmiedefassung enge Bezüge zu den Ornamentstichen des Virgil Solis aus der Zeit um 1550 bis 1560 auf. Eine solche frühere Datierung, wie sie übrigens bereits der ehemalige Direktor des Grünen Gewölbes Jean Louis Sponsel 1921 vertreten hatte, würde Virgil Solis als möglichen Urheber der Hinterglasmalereien wieder ins Spiel bringen. Die Forschung hierzu ist noch nicht abgeschlossen.

Die Dresdner Doppelwandbecher haben die Zeit nicht unbeschadet überstanden: Ein Glassegment ist gebrochen, die mittlerweile stark versprödete Lüstermalerei hat sich vom Glas abgelöst, liegt fragmentarisch vor oder ist gänzlich verloren. Die eingefärbten Naturharze in den Farbtönen Rot, Blau und Grün haben teilweise ihre Farbigkeit eingebüßt oder liegen aufgrund der Verbräunung des Bindemittels farbverändert vor. Der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder ermöglicht jetzt die anspruchsvolle Restaurierung der Becher. Zum Erhalt der Malerei werden die Lackschichten konserviert und wieder am Glasbildträger befestigt, lose Partikel in die Malerei integriert und das gebrochene Glas geklebt. Dem Objekt unangemessene Maßnahmen aus früherer Zeit erschweren die restauratorische Bearbeitung erheblich.