Kunstvolle Karten

Ferdinando Bertelli / Mario Cartaro, Palestinae Sive Terrae Sanctae Descriptio, Venedig, 1563, Kupferstich auf Papier, 50 x 37 cm; Bayerische Staatsbibliothek
Ferdinando Bertelli / Mario Cartaro, Palestinae Sive Terrae Sanctae Descriptio, Venedig, 1563, Kupferstich auf Papier, 50 x 37 cm; Bayerische Staatsbibliothek

Dass Antonio Lafreri (1512–1577) heute nicht vergessen ist, verdankt er vor allem den Titelblättern seiner Atlanten. In Venedig  und Rom arbeitete er als Drucker und Kartenhändler, seine eigenen Werke waren von geringerer Bedeutung. Allerdings ist Lafreri der erste, der vorher einzeln erstellte, gedruckte und auch verkaufte Kartenblätter für seine Kunden individuell zusammenstellte und einheitlich gebunden verkaufte. Der im 19. Jahrhundert geprägte Begriff „Lafreri-Atlas“ ist also gleichsam als eine Dachmarke verwendet. In den individuell zusammengestellten Atlanten sind Kartenblätter bedeutender Stecher vereint. Heute hingegen lassen sich einzelne Kartenblätter besser handeln als gebundene Konvolute. So darf es als Glücksfall gelten, dass der nun für die Bayerische Staatsbibliothek in München erworbene Lafreri-Atlas, eine in der Fachwelt auch unter dem Namen „Strabo illustratus Atlas“ bekannte Sammlung von 191 kostbaren Karten, nicht für eine Auktion zerlegt und einzeln verauktioniert wurde. Damit wurde die Zerstörung dieses einmaligen Kartenschatzes als Gesamtheit eines gebundenen, unikalen Werks des 16. Jahrhunderts verhindert. In Venedig gedruckt und zusammengestellt, verteilen sich die Drucke auf 164 Seiten des Atlas′, der überwiegend von Fernando Bertelli herausgegebene Karten aus den Jahren 1545 bis 1571 versammelt. Die Kulturstiftung der Länder, die Giesecke & Devrient Stiftung und ein durch die Kulturstiftung der Länder gewonnener Mäzen unterstützten bislang die Erwerbung zum Preis von annähernd 1,4 Millionen Euro.

Der unscheinbare Einband des Sammelatlas‘ enthält Meilensteine der Kartographie wie die achtteilige Afrikakarte Giacomo Gastaldis, die Experten im Wert allein auf eine mittlere sechsstellige Summe schätzen. Kartensammler aus der ganzen Welt hätten ihre oft geographisch angelegten Sammlungen bei einer spektakulären Auktion komplettieren können: Als besondere Preziosen gelten – neben der ersten gedruckten großen Karte Südamerikas sowie der ersten Karte Nordamerikas mit der Nordwestpassage – die Weltkarte Giovanni Paolo Cimerlinis sowie einige Karten Maltas ebenso wie die Karten des Heiligen Landes und Amerikas von Bolognino Zalteri sowie die Karte Europas von Diogo Homem. Die Wissenschaftler elektrisiert daneben besonders, dass auch 25 noch nie in der Literatur genannte Karten nun für die Erforschung in der Bayerischen Staatsbibliothek bereitstehen: Dazu zählen etwa 15 historische Karten, darunter elf Karten, die der Illustration einer Geographie des Strabo in italienischer Sprache dienten. Der Lafreri-Atlas ergänzt die Bestände der Staatsbibliothek in idealer Weise erheblich, da sich nur sechs Karten der Sammlung bereits in Vergleichsstücken in München befinden. Durch ein großzügiges Entgegenkommen der Eigentümer ist es gelungen, den Band als Ganzes zu erhalten und so die hochkarätige Kartensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek zu erweitern.