Wie unter einem Brennglas lässt sich die Geschichte des europäischen Porzellans anhand der einzigartigen Sammlung des Breslauer Geologen Ernst Gallinek (1865 – 1940) nachvollziehen. Diese Kollektion, welche nach dem Tod Gallineks von den deutschen Behörden enteignet und dem Badischen Landesmuseum (BLM) in Karlsruhe übergeben wurde, ist wohl das einzige vollständig erhaltene Beispiel einer bürgerlichen Porzellansammlung aus der „Goldenen Zeit“ der privaten Sammelleidenschaft für Porzellan vor 1933. 2020 an die rechtmäßigen Erben restituiert, konnte sie im Folgejahr mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder für das BLM erworben werden. Die über 400 keramischen Objekte aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeichnen ein hervorragendes Bild der Faszination nach, die Europa erfasste, seitdem die ersten Porzellane aus Ostasien in den Westen gelangten.
Das Grußwort von Prof. Dr. Markus Hilgert zum Ankauf der Sammlung Gallinek im Video:
Da es an dokumentierten Belegobjekten fehlt, beginnt die Porzellangeschichte Europas mit Marco Polo, genauer mit seinem Ende des 13. Jahrhunderts aufgezeichneten Reisebericht „Il Milione“. Darin beschrieb er die Herstellung besonderer Keramikgefäße in China und gab ihnen einen Namen, der schließlich zum Begriff wurde: porcellana. Eigentlich war es die Bezeichnung für die harten, weißglänzenden Gehäuse der Kaurischnecke, und Polo evozierte mit seiner begrifflichen Übertragung, dass die Gefäße aus diesen Schneckengehäusen gemacht seien. Damit legte er den Grundstein für die jahrhundertelange Suche nach dem Arkanum, dem Geheimnis um die Fertigung des weißen, glänzenden und lichtdurchlässigen Porzellans. Denn diesem Material kam kein anderer damals in Europa bekannter Werkstoff nahe. Daher ist es nicht verwunderlich, dass im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit dem Porzellan magische Eigenschaften zugeschrieben wurden, so sollte es bei Kontakt mit Gift zerspringen. Da vor der Etablierung der Seehandelsrouten durch die Portugiesen und Spanier bzw. später die Niederländer und Briten Porzellan nur in Einzelstücken nach Europa gelangte, waren die Schalen und Vasen von größter Seltenheit und damit Kostbarkeit. Dies beförderte zusätzlich den Glauben an das Wundersame, und die Gefäße fanden folgerichtig ihren Platz in den fürstlichen Kunst- und Wunderkammern. Außerdem kitzelten sie das Interesse der Alchemisten. Dem wohl prominentesten Alchemie-Dilettanten seiner Zeit, Francesco I. de’ Medici, gelang schließlich ein erster Erfolg in der Nachahmung der ostasiatischen Wunderscherben: In seinen kunsthandwerklichen Werkstätten im Casino di San Marco in Florenz entstanden ab etwa 1575 porzellanartige Gefäße. Doch dieses sogenannte Medici-Porzellan blieb zunächst ohne Nachfolge, nachdem die Herstellung um 1620 eingestellt worden war.
Gleichzeitig stieg der Import der begehrten Ware aus China und Japan kontinuierlich an. Den Handel dominierte bald die 1602 gegründete Niederländische Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC). Blau-weißes Porzellan aus China wurde in so großen Mengen eingeführt, dass die einst wundersame Rarität zu einer Luxusware wurde, die nicht nur bestaunt, sondern auch benutzt wurde. Letzteres ging einher mit der Einführung neuer, exotischer Heißgetränke. Denn für die Zubereitung und den Genuss von Kaffee, Tee und Schokolade war (und ist bis heute) das Porzellan unübertroffen: chemisch neutral, veränderte es nicht den Geschmack wie etwa Silber, als schlechter Wärmeleiter verbrannte man sich weder Lippen noch Finger. Darüber hinaus repräsentierte eine zur Schau gestellte Ansammlung von Porzellanobjekten Wohlstand, Weltläufigkeit und Kultiviertheit – es begann die Epoche der Porzellankabinette.
Die chinesischen und japanischen Werkstätten stellten sich bald auf den europäischen Markt ein und produzierten Waren speziell für diesen. Die Handelsleute der VOC brachten dafür auch Vorlagen mit. Zu diesen reizvollen, Chine de Commande bezeichneten Porzellanen, gehört ein Koppchen – eine kleine henkellose Trinkschale – aus der Sammlung Gallinek, das ein thronendes Fürstenpaar in unterglasurblauer Malerei zeigt und das der Sammler bei einer der berühmt-berüchtigten Doubletten-Auktionen der Dresdener Porzellansammlung 1920 bei Rudolf Lepke für 780 Mark gekauft hatte (Abb. S. 35). Ursprünglich hatte es sich in der grandiosen, mehrere Zehntausend Stücke umfassenden Sammlung von August II. befunden – Kurfürst von Sachsen und König von Polen, genannt „der Starke“ –, der nach eigenem Bekunden von der maladie de porcelaine befallen war. Dieses und weitere ostasiatische Objekte aus der ehemals kurfürstlich-königlichen Sammlung leiten über zum tatsächlichen Beginn der genuin europäischen Porzellanherstellung. Die geradezu manische Lust am Porzellan ließ August den Starken zum Initiator der Geheimnislüftung werden, die an seinem Hof in Dresden schließlich gelang.
In das allgemeine kulturelle Gedächtnis ist die europäische Porzellanerfindung als genialische Tat oder Zufallsfund des vermeintlichen „Goldmachers“ Johann Friedrich Böttger (1682 – 1719) eingeschrieben. Das Vorstellungsbild, dass ein eingekerkerter Alchemist in seinem verzweifelten Streben nach erfolgreicher Transmutation unedler Metalle in Gold urplötzlich das so begehrte Porzellan in Händen hielt, ist als filmreifer Stoff aber zu gut, um wahr zu sein. Vielmehr – und eigentlich faszinierender – stellt die Porzellanerfindung das Ergebnis eines langjährigen, bewusst durchgeführten Prozesses dar unter Einbeziehung zahlreicher Beteiligter. Dieser Prozess war eine technologische und wissenschaftliche Forschungsleistung, die zu den Markern eines Übergangs von einer magisch-mystisch konnotierten Alchemie hin zur Chemie als rationaler Wissenschaft gehört.
Der Apothekerlehrling Böttger hatte von sich reden gemacht, als er bei seinem Dienstherrn in Berlin im Herbst 1701 angeblich erfolgreich Silber in Gold verwandelt hatte. Die Kunde dieses alchemistischen Coups verbreitete sich rasant. Der preußische König Friedrich I. wollte seiner unbedingt habhaft werden, doch der 19-jährige Böttger entzog sich dem Zugriff durch Flucht ins sächsische Wittenberg. Dort wartete aber bereits eine Abordnung Augusts des Starken, um ihn festzusetzen. Die Prachtentfaltung der barocken Potentaten verschlang Unsummen – ein Goldmacher schien die ideale Lösung zu sein. Böttger wurde nach Dresden gebracht und im „Goldhaus“ interniert, dem alchemistischen Laboratorium des sächsischen Hofes. Streng bewacht sollte er dort den „Stein der Weisen“ endlich finden, nach dem die Alchemisten seit Jahrhunderten trachteten. Um Böttger bildete sich schnell ein gelehrsamer und forschungsaktiver Kreis, dem unter anderen der Oberberghauptmann Abraham von Schönberg und der Bergrat Pabst von Ohain angehörten. Aus der montanindustriellen Praxis kommend, interessierten sie sich für die systematische Untersuchung einheimischer Rohstoffe zum Zweck ihrer wirtschaftlichen Verwendung. Außerdem gehörte der Hofgelehrte Ehrenfried Walther von Tschirnhaus zu diesem Kreis, der sich bereits intensiv mit Hochtemperaturtechnologien und Schmelzverfahren beschäftigt hatte. Damit zusammenhängend forschte er bereits seit einigen Jahren an dem Porzellanarkanum und hatte darüber auch mit Gottfried Wilhelm Leibniz korrespondiert.
Der erste Erfolg des Forscherteams war 1706 die Erfindung eines besonderen rotbraunen Steinzeugs, das Böttger „Jaspisporzellan“ nannte und das dem geschätzten Steinzeug aus Yixing in China glich (Abb. S. 35). Damit war das Prinzip entdeckt worden, das im weiteren Verlauf zur Erfindung des europäischen Hartporzellans führte: Eine Masse, zusammengesetzt aus einer Tonsubstanz, Quarz und einem mineralischen Flussmittel, wird bei sehr hoher Temperatur (1.400 Grad) gebrannt, so dass der Scherben sintert. Die Keramik ist dadurch nicht mehr porös und von außerordentlicher Härte. Als die Männer 1708 mit Schnorrscher Erde experimentierten, kam der gewünschte Erfolg: weißes, lichtdurchlässiges Porzellan! Bei dem verwendeten Material handelte es sich tatsächlich um Kaolin, ein weißes Tonmineral besonderer Güte und Reinheit. Es ist bis heute der entscheidende Rohstoff in der Porzellanherstellung.
Im Januar 1710 verkündete August der Starke offiziell die Erfindung des Porzellans und die Gründung der ersten Porzellanmanufaktur Europas auf der Albrechtsburg in Meißen. Böttger fungierte als Betriebsleiter, und es ist sein Verdienst, die Porzellan- und Steinzeugherstellung von der Experimentierphase im Laboratorium in eine manufakturelle Produktion überführt zu haben. Dieser Prozess nahm mehrere Jahre in Anspruch und war bis zum Tod Böttgers 1719 nicht abgeschlossen. Denn erst in den 1720er-Jahren glückte die Entwicklung geeigneter Dekorfarben zur Bemalung des Porzellans – insbesondere die farbige Bemalung war an den chinesischen und japanischen Vorbildern so geschätzt worden. Die frühe Meißener Produktion bestand einerseits aus kopierten ostasiatischen Porzellanen aus der kurfürstlich-königlichen Sammlung, andererseits schufen Dresdener Künstler wie der Goldschmied Johann Jakob Irminger Modelle in europäischer Formensprache (Abb. S. 36). Die Manufaktur begann zu boomen, nachdem der Maler Johann Gregorius Höroldt (1696 – 1775) 1720 nach Meißen gekommen war und eine effiziente Abteilung für die Bemalung der Waren aufbaute. Zuvor hatte die Manufaktur oftmals mit sogenannten Hausmalereiwerkstätten zusammengearbeitet, die mit Weißware beliefert wurden und diese entweder im Auftrag oder in eigener Regie bemalten (Abb. S. 39 unten). Charakteristisch für Höroldt und stilbildend wurden seine Chinoiserien, Landschaftsmotive und die floralen Dekore, welche zunächst die ostasiatischen Vorbilder kopierten und variierten, ab den 1740er-Jahren mit der Einführung der „Deutschen Blumen“ einheimischen bzw. in Europa kultivierten Blumen den Vorrang gaben. Auf der plastischen Seite war die zweite, für den Erfolg Meißens ausschlaggebende Persönlichkeit der Bildhauer Johann Joachim Kändler (1706 – 1775). Er war 1731 in die Manufaktur eingetreten, gerade frisch zum Hofbildhauer ernannt. Zunächst widmete er sich der Tierplastik, für die er eine neue, naturalistische Darstellungsweise entwickelte. Geradezu zum Synonym des Rokoko wurden aber seine kleinplastischen Figuren, die höfisches Leben und seine Lustbarkeiten darstellen.
Das Arkanum konnte in Meißen nicht lange bewahrt werden. Schon 1719 entwich der Arkanist Samuel Stöltzel, der bereits die Experimentierphase Böttgers begleitet hatte, nach Wien und setzte in der im Jahr zuvor gegründeten Manufaktur des Kaufmanns Claudius Innocentius du Paquier die Produktion in Gang (Abb. S. 36 l.o.).
Etwa bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts konnte Meißen seine Vorrangstellung behaupten. Durch den Wiener Arkanisten Joseph Jakob Ringler wurde die Technologie schließlich mittel- oder unmittelbar an eine Vielzahl von neuen Manufakturen transferiert. Das Interesse, eine Porzellanproduktion im eigenen Land zu haben, war bei den Herrschenden groß. Verbunden waren damit die merkantilistischen Hoffnungen, einheimische Rohstoffe zu veredeln und in Form teurer Luxuswaren mit Gewinn verkaufen zu können. Außerdem war mit dem Besitz einer Porzellanmanufaktur ein hohes Prestige verbunden, handelte es sich doch um eine der modernsten Technologien der damaligen Zeit. Charakteristisch für diese zweite Gründungsphase sind die Manufakturen in Höchst (1746), Fürstenberg (1747), Nymphenburg (1747), Frankenthal (1755) und Ludwigsburg (1758). Allerdings dauerte es teils mehrere Jahre, bis endlich eine funktionierende Produktion etabliert werden konnte. In Höchst produzierte man zunächst Fayence, da das Porzellanarkanum noch fehlte. Erst als Ringler 1750 aus Wien nach Höchst kam, glückte die Fertigung. In Fürstenberg im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel war man zunächst dem Scharlatan Johann Christoph Glaser aufgesessen, der behauptet hatte, im Besitz des Arkanums zu sein. Er war mit seinem Betrug jedoch so geschickt, dass es ihm fast sechs Jahre lang glückte, sowohl Herzog Carl I. als auch Johann Georg von Langen, der als erster Manufakturdirektor den Aufbau der Fabrikation zu bewerkstelligen hatte, zu narren. Erst mit der Berufung von Johann Kilian Benckgraff, dem Betriebsleiter der Porzellanmanufaktur in Höchst, konnte 1753 die Produktion erfolgreich eingerichtet werden. Benckgraff wiederum hatte das Arkanum von Ringler erhalten (Abb. S. 34). Erst ab 1754, sieben Jahre nach der offiziellen Gründung, gelang die Porzellanproduktion in Nymphenburg, wiederum dank der Kenntnisse Ringlers. Ebenso profitierte auch die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur von seinen Fähigkeiten, nachdem er dort 1759 als zweiter Direktor eingestellt worden war. Für die süddeutschen Manufakturen waren die jeweiligen Höfe die bestimmenden Impulsgeber für die Gestaltung der Sortimente, die Porzellane dienten vor allem repräsentativen Gebrauchsbedürfnissen. Dadurch entwickelte sich eine künstlerisch hochstehende Produktion – zumindest zeitweilig, so lange der Landesherr ein geneigtes Interesse hatte und die notwendigen Subventionen bereitstellte. Anders waren die Vorstellungen in Fürstenberg, denn der Herzog von Braunschweig hatte mit seiner Manufaktur vielmehr die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes im Blick. Daher war ihm vor allem an einer Ausrichtung auf einen Verkaufsmarkt hin gelegen und weniger an einer Produktion für den eigenen Bedarf. Allerdings sollte es von der Gründung bis zum ersten, mit Gewinn abgeschlossenen Geschäftsjahr ungefähr 25 Jahre dauern.
Wie wichtig das Engagement des Potentaten für die Geschicke einer Manufaktur war, zeigt insbesondere das Beispiel der Berliner Porzellanmanufaktur. König Friedrich II. hatte eine besondere Vorliebe für das Material und blickte mit Neid auf den Betrieb in Meißen, wo er nicht nur zahlreiche Bestellungen aufgab, sondern den er im Siebenjährigen Krieg okkupierte und die Warenlager plünderte. Die Produktion im eigenen Land versuchte er zunächst durch Privilege an bürgerliche Unternehmer zu fördern. Da dies jedoch nicht zu einem dauerhaften Erfolg führte, übernahm er 1763 kurzerhand den Betrieb in eigenen Besitz. Friedrich wollte eine sowohl profitable als auch künstlerisch erfolgreiche Manufaktur haben. Er spornte mit umfangreichen Bestellungen an – nicht weniger als 22 große Tafelservice sind dokumentiert –, forderte höchste künstlerische Leistungen in Anlehnung an französische Vorbilder. Besonders ungewöhnlich war, dass er seine Bestellungen tatsächlich bezahlte und er sich selbst folgerichtig als den „ersten Kunden“ seiner Manufaktur apostrophierte. Doch der König kam auch auf perfidere Ideen, die Geschäfte zu befördern: Ab 1769 mussten Juden vor Erteilung von Schutzbriefen oder Konzessionen, bei Immobilienerwerb oder Erhalt eines Privilegs für einen hohen Betrag Berliner Porzellan kaufen und ins Ausland exportieren, was eine extreme Belastung für die betroffenen Familien bedeutete.
Einen eigenen Weg, das so faszinierende wie begehrte „weiße Gold“ herzustellen, schlug man in Frankreich ein. Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde in Rouen ein sogenanntes Frittenporzellan entwickelt. Im Gegensatz zum ostasiatischen und dem späteren Meißener Porzellan wurde kein Kaolin verwendet, hingegen enthielt die Masse eine große Menge einer zuvor geschmolzenen und dann pulverisierten glasartigen Substanz, der sogenannten Fritte. Diesem Beispiel folgten die weiteren frühen französischen Manufakturen in
St. Cloud und Chantilly, gipfelnd in der Manufaktur von Vincennes. Letztere, 1740 erfolgte Gründung, erhielt nach wenigen Jahren ein besonderes königliches Privileg, das ihr ein Monopol für bunt bemalte und vergoldete Porzellane sicherte. Dieses Privileg führte beispielsweise dazu, dass der in Straßburg ansässige Fayencefabrikant Paul Hannong seine Porzellanproduktion aufgeben musste, die er mit Unterstützung von Joseph Jakob Ringler eingerichtet hatte. Er emigrierte daraufhin in die Kurpfalz und baute in Frankenthal ab 1755 eine zumindest künstlerisch höchst erfolgreiche Porzellanmanufaktur auf. Den Pariser Luxusmarkt im Fokus, avancierte Vincennes schnell zur tonangebenden Produzentin, was durch das Engagement der Maitresse von Ludwig XV., Madame de Pompadour, die Verlegung der Produktion nach Sèvres und schließlich die Übernahme in königlichen Besitz 1759 enorm befördert wurde (Abb. S. 35 o.r.).
Dass der Sammler Ernst Gallinek sich nicht nur auf Meißen konzentrierte, sondern einerseits die ostasiatischen Vorbilder, andererseits die Werke der deutschen wie ausländischen Konkurrenzbetriebe einbezog, macht seine Kollektion zu einem Glanzstück der bürgerlichen Gelehrsamkeit. Es ist ein geradezu enzyklopädischer Ansatz, den Gallinek verfolgte und den das Badische Landesmuseum umfassend in seinem digitalen Katalog zur Freude und zum Nutzen des heutigen Publikums präsentiert.
Badisches Landesmuseum
Schlossbezirk 10, 76131 Karlsruhe
0721 - 926-6514
www.landesmuseum.de
Die Sammlung Gallinek
Der 1865 in Breslau geborene Dr. Ernst Gallinek lebte seit 1935 in Baden-Baden. Dort geriet nach seinem Tod 1940 auch seine umfangreiche Porzellansammlung in das Visier der NS-Behörden. 1941 wurden die Objekte durch die damalige „Generaldirektion der Oberrheinischen Museen“ als „staatliches Eigentum“ eingezogen. Noch 1947 von der französischen Militärregierung als „zu Unrecht“ überwiesenes Kulturgut eingestuft, wurden die Objekte 1953 in die treuhänderische Verwaltung des Landesmuseums überwiesen. 2008 im Museum als NS-Raubgut identifiziert, wurde die Sammlung 2020 nach einer gerichtlichen Klärung an die Erben von Dr. Ernst Gallinek restituiert und nun vom Land Baden-Württemberg mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder von der Erbengemeinschaft angekauft.
Die umfangreiche Sammlung europäischer und ostasiatischer Porzellane umfasst 466 Porzellanobjekte, darunter Geschirre, Vasen und figürliches Porzellan. Der Sammlungsschwerpunkt liegt auf Porzellan des 18. Jahrhunderts. Fast 40 Prozent der Objekte sind aus Meißen, sie stammen aus allen wichtigen stilistischen Phasen zwischen 1710 und 1760. Weitere Objekte wurden in Berlin und Wien gefertigt sowie einzelne Stücke in Manufakturen wie Fulda, Nymphenburg oder Bayreuth. Die Sammlung Gallinek ist eine der wenigen erhaltenen bürgerlichen Porzellansammlungen, die aus der Zeit vor 1933 stammt und in ihrer Gesamtheit erhalten ist.