Mehere Männer in weißen Schutzanzügen tragen Gegegnstände aus einer überfluteten Tiefgarage
NATUR UND KULTUR

Kultur in Gefahr

Das 1. Forum der Notfallallianz Kultur reflektierte Ziele, Bedarfe und Kapazitäten im Bereich der Notfallhilfe und Prävention / Johannes Fellmann

Für den erfahrenen Denkmalschützer Ralf Kilian war es ein Schock: Der fürchterliche Hagelsturm vom August 2023 zerstörte nicht nur ganze Dörfer im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, sondern traf auch das 1.250-jährige ehemalige Benediktinerkloster besonders hart. Alle Fenster zerbarsten unter dem Extremwetterereignis, die Dächer des gerade erst sanierten Ensembles in Benediktbeuern wurden teilweise durchschlagen und abgedeckt. Kilian, Professor für Präventive Konservierung in der Baudenkmalpflege, schilderte diese Katastrophe auf dem 1. Forum der Notfallallianz Kultur in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Berlin. Für die Teilnehmer, unter ihnen zahlreiche Experten aus dem Kulturgutschutz, wurde eindrucksvoll nachvollziehbar, wie sein denkmalpflegerisches Weltbild durch die Zerstörungen ins Wanken geriet. Der Experte für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege, der u. a. in Benediktbeuern verschiedene Projekte im Bereich der praktischen Baudenkmalpflege, Energieeffizienz und Klimaschutz betreut, wurde von diesem Extremwetterereignis überrascht. Zehn Minuten Starkregen und Hagel reichten aus. Durch die denkmalgerechte Sanierung des Klosters gab es keine wasserführenden Bahnen, sodass sich das Wasser über drei Etagen ergießen konnte. Wertvolle Scheiben der Klosterkirche wurden zerstört. Zudem verlor das Kloster Benediktbeuern durch die Wetterkatastrophe seine gesamte Storchenpopulation. Ein eindringliches Beispiel, wie wichtig die Risikoabschätzung, eine Notfallvorbereitung, die Anpassung der Baukonstruktion und ein Frühwarnsystem wie eine Wetterstation gerade in Alpenrandgebieten sind. Denn durch die größere Wärme gewinnen insbesondere dort die Klimaereignisse immer mehr an Dynamik. Ralf Kilian, der seit 2005 am Fraunhofer-­Institut für Bauphysik IBP in Holzkirchen das Themenfeld Kulturerbe-Forschung koordiniert, hält deshalb Anpassungsstrategien für das Gebot der Stunde. „Nach der Katastrophe ist vor der nächsten Katastrophe“ – so beschrieb Kilian den Management-Zyklus, der einem Schadensfall folgen soll, mit einer durchgreifenden Adaption der Institution auf die Bedrohung, einer Struktur- und Kompetenzentwicklung, der Risikoabschätzung und im Idealfall der Etablierung einer Vorhersagemöglichkeit für Bedrohungen. Denn in ungünstigen Szenarien, so rechnete er vor, ist im Jahr 2070 bereits auf zehn Prozent der Erde mit einer Durchschnitts­temperatur von 29 Grad zu rechnen. Das würde nicht nur 3,5 Milliarden Menschen zur Migration veranlassen. Für das Kulturerbe werden dann insbesondere Starkregen, Hitzewellen und Dürren sowie ein Meeresspiegelanstieg zum alltäglichen Problem: Die Resilienz des Kulturerbes gegen den Klimawandel zu stärken, steht für Kilian deshalb im Mittelpunkt. Dafür braucht es neben mehr qualifiziertem Personal neue Lösungen in der Prävention, empfahl Ralf Kilian.

Notfallhilfe und Notfallvorsorge sind mittlerweile im Bewusstsein vieler Kulturschaffender, Politiker und Wissenschaftler fest verankert. Ob Extremwetterereignis, Brand, fehlende Prävention, menschliches Versagen, Vandalismus oder Zerfall durch Schädlinge: Kulturelle Zeugnisse sind eigentlich ständig in Gefahr. Jeder hat direkt oder indirekt schon damit Berührung gehabt. Bilder der größten Katastrophen haben sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt: ob der Brand von Notre-Dame in Paris, der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln, der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar oder die Flutkatastrophen an der Elbe in Dresden.

Nordrhein-Westfalens Kulturministerin Ina Brandes, Mitglied des Stiftungsrats der Kulturstiftung der Länder, gab den Startschuss für das Berliner Forum. Sie forderte, dass das Thema Notfallvorsorge im Kulturgutschutz viel sichtbarer werden muss. Eine Lehre aus den Hochwasserkatastrophen im Ahrtal sei, dass noch an viel zu wenig Orten die notwendige technische Ausrüstung für die schnelle Rettung bei Katastrophen in kulturellen Orten vorhanden ist. Brandes verwies aber auch auf erfolgreiche Modellprojekte wie in Münster, wo sich bereits ein breites Bündnis für den Ernstfall organisiert habe. Ausgehend von diesem Vorbild und den Erfahrungen könnten nun weitere Verbünde gegründet werden.

Die bundesweite, von der Kulturstiftung der Länder initiierte Notfallallianz möchte, jenseits aller hoheitlichen Zuständigkeiten von Ländern, Bund und Behörden, bei der Netzwerkbildung und der Koordinierung der Notfallvorsorge vorangehen, indem regelmäßige Treffen der verschiedenen Akteure für mehr Dynamik und Synergien im Ausbau der Notfallstrukturen sorgen. Denn in Deutschland gibt es bislang keine zentrale Koordination der Notfallvorsorge. Kultur ist Ländersache, also auch ihr Schutz. Zwar betonte Kulturstaatsministerin Claudia Roth noch vor Kurzem, dass ein Krisen- und Katastrophenschutz in ganzheitliche Entwicklungsstrategien einzubeziehen sei und die Resilienzstrategie der Bundesregierung die Anpassungsfähigkeit der kulturellen Akteure stärken soll. Doch die Ausgestaltung fällt eindeutig in die Zuständigkeit der Träger: Die Länder und die Kommunen müssen sich im Zweifel alleine um die Sicherheit ihres kulturellen Erbes kümmern und die Vorsorge organisieren. Dabei half und hilft seit 2008 bereits der SicherheitsLeitfaden Kulturgut SiLK, ein von der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen initiiertes Projekt für Prävention, das mit seinen Modulen, Online-Ratgebern, Workshops und Konferenzen vielerorts für Sensibilität gesorgt hat und zahlreiche Notfallverbünde in den Regionen mit angestoßen hat (siehe Interview mit den Projektleiterinnen S. 42). Doch die Kapazitäten sind personell beschränkt. Zwar blickt man auf rund 60 Verbünde, die von SiLK koordiniert werden, doch wurde auf dem Berliner Forum deutlich, dass es noch viele weiße Flecken auf der Landkarte der kulturellen Katastrophenvorsorge gibt.

„Die Vielfalt der Akteurinnen und Akteure, die Vielfalt ihrer Perspektiven und Methoden und damit die Vielfalt der Handlungsoptionen sind eine entscheidende Voraussetzung für Resilienz“, sagte Generalsekretär Markus Hilgert zum Auftakt. „Dies gilt auch für die Kultur, die gemessen an ihrer grundlegenden Bedeutung für jedes gelingende menschliche Miteinander, für jede gesellschaftliche Erneuerung, viel zu verletzlich ist, auch bei uns in Deutschland. Es ist unsere Verantwortung, das zu ändern!“

Hilgert betonte, dass viele ihren Beitrag zu Resilienz heute schon erbringen. Es gelte, die „Fülle der Ressourcen, Aktivitäten und Angebote sichtbar, geordnet und damit besser nutzbar“ zu machen. „Wissen teilen, aus Erfahrung lernen, Kapazitäten bündeln, Akteurinnen und Akteure vernetzen, Strategien entwickeln“, so fasste er das Ziel des gesamtgesellschaftlichen Bündnisses der Notfallallianz Kultur zusammen. Ziel sei es, transregionale, transsektorale und transdisziplinäre Strukturen zu erreichen.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats und Mitveranstalter des Berliner Treffens, warnte eindringlich vor Unbekümmertheit. Krieg, Zerfall und Zerstörung zeigten auch im Kulturbereich allenthalben, „wie verletzlich unsere Infrastruktur ist“. Deshalb sei die Sicherung von Gebäuden und eine Priorisierung des Bestandes für Notfälle unerlässlich. Auch die nichtstaatlichen Institutionen seien dazu aufgerufen. Zimmermann kritisierte, dass der Bereich der Kultur im aktuellen Entwurf des sogenannten KRITIS-Dachgesetzes, das die Resilienz und physische Sicherheit Kritischer Infrastrukturen regeln soll, nicht mehr vorgesehen ist. Damit würden kulturelle Einrichtungen nicht mehr direkt zur kritischen Infrastruktur gezählt. Das hat zur Folge, dass sich die Einrichtungen nicht beim zuständigen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) registrieren können bzw. müssen und die alle vier Jahre vorgesehenen Risikoanalysen und -bewertungen ausbleiben könnten. Das schwäche den öffentlichen Stellenwert der Kultur und ihrer Einrichtungen, mahnte der Deutsche Kulturrat schon vor geraumer Zeit. Als umso wichtiger bewertete ­Zimmermann die neue Initiative: „Wir werden uns dafür stark machen, dass die Notfallallianz ein verlässlicher Verbund wird und bei möglichen Katastrophen unkompliziert und unbürokratisch geholfen wird“, sagte Zimmermann.

In den Diskussionspanels ergab sich anschließend ein breites Bild zur Agenda und auch zur konkreten Situation in einzelnen Institutionen, die ihre Best-Practice-Fälle beisteuerten.

Staatssekretär Jürgen Hardeck vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz machte keinen Hehl daraus, dass im Juli 2021 die zuständigen Stellen „völlig ­unvorbereitet“ vom Hochwasser im Ahrtal überrascht wurden. Verschiedene Museen und Heimatstuben waren damals massiv beeinträchtigt, Tausende von Objekten wurden beschädigt. Die Folge sei nun, berichtete Hardeck, dass ein Kulturkataster eingerichtet wird, das kurz vor der Fertigstellung stehe. Weiterhin werde ein Notfallcontainer angeschafft, der bei der Berufsfeuerwehr in Koblenz stationiert sein wird. Dritte Säule sei die Einrichtung einer zentralen Stelle, die die verschiedenen lokalen Akteure vernetzen wird.

Auch Baden-Württemberg wurde von einer Sturzflut im Jahr 2017 überrascht. 50 Millionen Euro Schaden entstanden damals. Für die Landesregierung spielt nicht zuletzt seit dieser Erfahrung die Vorsorge im Hinblick auf Naturkatastrophen eine zentrale Rolle. Staatssekretär Arne Braun vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sagte auf dem Berliner Treffen, Klimapolitik müsse seiner Meinung nach auch im Kulturbereich in den Mittelpunkt rücken – mit dem CO2-Rechner der Landes­regierung könne beispielsweise jede Institution feststellen, wie groß der eigene Beitrag an der Umweltbelastung sei. Braun zeigte sich überzeugt, dass „eine andere Politik vorgelagert werden muss. Nachhaltigkeit ist immer ein wichtiges Thema, das muss man auch im Kulturbereich durchdeklinieren. Wir brauchen Haushalte, die wetterfest sind.“ Denn Schlösser und Gärten müssten beispielsweise saniert werden, dafür seien öffentliche Haushalte aber nicht ausgelegt. Hier Lösungen zu finden, müsse auch noch vor der Planung weiterer Personalstellen stehen. Daniela Schneckenburger, Dezernatsleiterin Bildung, Integration, Kultur, Sport und Gleichstellung beim Deutschen Städtetag, sprach für die rund 10.000 Kommunen in Deutschland. Bei vielen Einrichtungen bereite insbesondere die durch den Ukraine-Krieg drohende Energiekrise große Sorgen, berichtete Schneckenburger. Hier entstünden Bedrohungen für das materielle Kulturerbe, mit denen bisher kaum jemand gerechnet hatte.

Auch das machte die Berliner Tagung überdeutlich: Eine ständige Anpassung an neue Bedrohungslagen ist unerlässlich, seien es die Folgen des Klimawandels oder geopolitische Entwicklungen. Corinna Fischer, Leiterin der Abteilung Kultur, Erwachsenenbildung beim Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, berichtete von Erfahrungen der Notfallverbände in Hannover und Oldenburg, bei denen die Auswahl der Partner entscheidend für den Erfolg sei. Dabei solle man die Kirchen nicht vergessen. Eine zentrale Herausforderung sei es, so Fischer, die ehrenamtlichen Strukturen mitzunehmen, denn die Katastrophenhilfe sei vielerorts nicht nur durch professionelle Strukturen abzudecken. Insbesondere die sogenannte Blaulicht-Familie – Feuerwehren, Rettungsdienste und Polizei – sowie spezifische kommunale Strukturen seien unbedingt präventiv einzubinden. Damit die Verbünde beweglich und handlungsfähig sind, solle bei ihrer Errichtung allerdings nicht überreguliert werden, merkte Fischer an. Eine zentrale Stelle wie die Notfallallianz sei wichtig, um für alle Betroffenen einen einfachen Zugriff auf Hilfe und Beratung zu gewährleisten. Im Hinblick auf die Energiekrise empfahl Corinna Fischer, Ideen zu entwickeln, um gerade die kleinen Institutionen noch besser zu adressieren. Auch der Blick über die Landesgrenzen sei empfehlenswert: „Wo können wir uns bei anderen Bundesländern unterhaken?“, sei eine wichtige Frage für den Start von Initiativen.

Susanne Bieler-Seelhoff, Leiterin der Abteilung Kultur im Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, betonte, dass in ihrem Bundesland die „Kultur“ im Gegensatz zur Fassung des Bundes weiterhin im KRITIS-Gesetz verankert sei. Trotzdem sei zu beklagen, dass in Schleswig-Holstein bisher kein einziger Notfallverband gegründet wurde. Bieler-Seelhoff kündigte Regionalkonferenzen und einen Masterplan an, mit dem die kulturelle Infrastruktur sinnvoll im Hinblick auf Notfallverbünde aufgeteilt werden können. Der Landesfeuerwehrverband sei daran beteiligt, um die Überzeugungsarbeit bei den kommunalen Trägern zu begleiten. Erste Initiativen haben bereits den Prozess begonnen, wie unser Interview zu den Plänen der Lübecker Museen zeigt (S. 39).

Marc Holly, Leiter der Beratungsstelle Bestandserhaltung Sachsen-Anhalt, berichtete von den Notfallverbünden aus Magdeburg und Halle, wo man seit zehn Jahren aktiv sei. Dabei müsse man hier besonders in die Fläche denken, angesichts von 220 Museen: Für die Landkreisebene zähle, wie man am besten ausbilden und weiterbilden könne. Dabei solle man die Kommunikation im Blick haben und feststellen, wie man konkret ­aktiv helfen könne: „Was brauchen die Einrichtungen vom Katastrophenschutz und was der Katastrophenschutz von den Einrichtungen?“, stellte Holly als eine Leitfrage für die praktische Umsetzung. Weiterhin würden momentan in einem dreijährigen Projekt Risiken erfasst und Aufbewahrungsbedingungen evaluiert.

Barbara Rüschoff-Parzinger, Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, betonte, wie wichtig das ständige Üben für den Ernstfall sei. Außerdem wünschte sie sich für die Arbeit der Notfallallianz eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit, um für das Thema in der Bevölkerung und Politik zu sensibilisieren. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und Executive President von Europa Nostra, weitete den Blick auf die Krisenherde in der Welt, die das Kulturerbe massiv bedrohen. Er berichtete von Rettungsaktionen für bedrohte Kulturgüter beispielsweise im Irak, wo Museen geplündert wurden und der „Islamische Staat“ Kulturerbe zerstörte. Hier hatten glücklicherweise Hilfsaktionen die Vernichtung von unwiederbringlichen Tontafeln verhindern können. Auch während des laufenden Krieges in der Ukraine seien durch solidarische Aktionen Bestände beispielsweise aus Museen in Odessa in Deutschland in Sicherheit gebracht worden. Die Berliner Museen entwickeln seit einiger Zeit Strategien zur Vorsorge: In den Einrichtungen der SPK gebe es Notfallkoffer, um für überraschende Bedrohungen wie beispielsweise Vandalismus oder Starkregenereignisse gerüstet zu sein. Eine im Aufbau befindliche Risiko-Landkarte der SPK solle den Überblick über die Bedrohungen geben – zukünftig gelte es dann, die Vernetzung, den Austausch und die Übungen für den Ernstfall zu verstärken. Seit Oktober 2020 kümmert sich eine interne, einrichtungsübergreifende Taskforce Risikomanagement unter der Leitung des Rathgen-Forschungslabors um die Verbesserung der Krisenresilienz der SPK.

Dirk Aschenbrenner, Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V. und Direktor der Feuerwehr Dortmund, nannte die aus seiner Sicht zentralen vier Säulen der Vorsorge: sensibilisieren, standardisieren, qualifizieren und trainieren. Höchste Zeit, denn der Kulturgutschutz sei vielerorts noch ein blinder Fleck. Restauratorin Nadine Thiel, Sachgebietsleiterin Bestandserhaltung des Historischen Archivs der Stadt Köln, betonte, dass die Notfallverbünde mittlerweile eine große Lücke im Kulturgutschutz schlössen. Sie berichtete vom ungeplanten, überraschenden Einsatz des neuen Kölner Notfallcontainers beim Hochwasser im Ahrtal – sogar noch bevor die ersten Schulungen hatten veranstaltet werden können. Um sich gegenseitig zu helfen, brauche es aber Strukturen, um verbindliche Abläufe und Standards in der Havarie zu haben. Der Schutz von Kulturgut müsse für alle beteiligten Institutionen unbedingt ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Im besten Fall führt die Prävention dabei weg vom Ehrenamt, empfahl Nadine Thiel. Nur was verbindlich gelte und rechtlich geklärt sei, funktioniere. Ein neuer Notfallcontainer vor der Tür reiche alleine nicht aus. Im Kölner Archiv gibt es deshalb mittlerweile eine volle Stelle, die ausschließlich die Gefahrenabwehr koordiniert.

Irene Pamer-Gatzsche, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kulturgutschutz, mahnte die verstärkte Suche nach Bergungsorten und Auslagerungsorten an und kündigte eine Initiative an, dafür auch die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zu verstärken. Caroline Kohlhoff von der Deutschen UNESCO-Kommission empfahl, dass Managementpläne der Einrichtungen unbedingt den Katastrophenschutz beinhalten müssten. Aus Sicht der UNESCO sei es außerdem unerlässlich, dass Notfallcontainer in der Nähe von Welterbestätten stünden.

Für Peter Lauwe vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), ist Notfallvorsorge Kerngeschäft. Sein Amt beobachte die rasante Entwicklung durch den Klimawandel und die daraus erwachsenden Naturgefahren. Aber auch vorsätzliche Handlungen wie Cyberangriffe und Sabotage rückten immer mehr in den Fokus. Die Gesellschaft müsse sich weiterentwickeln und lernen, mit Risiken umzugehen. Kultur müsse in die deutsche Strategie zur Resilienz eingefügt werden, bekräftig­te Lauwe. Matthias Wehry, Präsident von Blue Shield, empfahl, mehr Forschungskontexte für den Kulturgutschutz zu etablieren. Seiner Erfahrung nach sollte u. a. das Thema der Priorisierung von Kulturgut besser wissenschaftlich untersucht werden. Nachwuchs zu begeistern, sei dafür dringend notwendig. Wehry kündigte an, nach dem Vorbild Frankreichs ein Schadensmonitoring spartenübergreifend für Deutschland zu initiieren. Nur so sei ein belastbarer Überblick über die fortwährenden Kulturgutverluste möglich. Wehry: „Wir reden viel zu selten darüber, dass es Kulturgutverluste gibt. Kulturgutverlust ist immer.“

Notfallallianz Kultur

Die Notfallallianz Kultur wurde im Sommer 2021 auf Initiative der Kulturstiftung der Länder als Reaktion auf die Hochwasserkatastrophen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gegründet. Die Kernidee der Notfallallianz Kultur ist die einer hybriden gesellschaftlichen Plattform. Über die virtuelle Zusammenführung relevanter Akteure auf einer Internetplattform hinaus versteht sich die Notfallallianz Kultur auch als bundesweites Interessenbündnis dieser Akteure sowie als Ergänzung bzw. Erweiterung der rein staatlichen Gefahrenabwehr und Katastrophenhilfe. Die Notfallallianz Kultur ist ein gesamtgesellschaftliches Bündnis, das das Ziel hat, die Resilienz der Kultur in Krisen und Notfällen zu erhöhen. Die Partnerinnen und Partner sind davon überzeugt, dass Gefährdungen von Kunst und Kulturgut durch Krisen und Katastrophen nur im Schulterschluss bewältigt werden können.

Liste der in der Notfallallianz Kultur organisierten Partner

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