Künstlerstammbuch von Wilhelm von Blankenhagen
„Künstlerstammbücher aus dem 19. Jahrhundert sind von großer Seltenheit. Umso mehr war es uns ein Anliegen, die Graphische Sammlung beim Ankauf zu unterstützen und so ihren Bestand um gleich mehrere Werke herausragender Zeichner dieser Zeit zu erweitern. Das bislang noch nicht publizierte Stammbuch des deutsch-römischen Künstlerkreises kann jetzt erstmals wissenschaftlich erschlossen und ausgewertet werden. Wir versprechen uns eine Vielzahl von Forschungsergebnissen unter anderem zur Reise- und Erinnerungskultur der Goethezeit, zur deutschen Künstlerkolonie in Rom und dem Beziehungsgeflecht der Künstler des Humboldt-Kreises“, so Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.
Mit dem Erwerb aus dem Eigentum der Nachfahren Blankenhagens erweitert die Graphische Sammlung ihren Bestand der Zeichnungen der Goethezeit – mit Schwerpunkt auf die Kasseler Akademiekünstler – um zahlreiche Arbeiten von Künstlern anderer Herkunft. Fast alle Kasseler Akademiekünstler reisten seit dem 18. Jahrhundert mit einem Stipendium des hessischen Landgrafen nach Rom. Erstmals kann das Umfeld, dem sie dort begegneten, mithilfe des Künstlerstammbuchs veranschaulicht werden. Die Forschungsergebnisse zum Album sollen ab Oktober 2020 in der Sonderausstellung „Rom 1810‘. Ein Künstlerstammbuch aus dem Umfeld von Caroline von Humboldt“ im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel präsentiert werden. Ab 2021 werden sie in der Casa di Goethe in Rom gezeigt.
Das Künstlerstammbuch umfasst 32 Zeichnungen und zwei druckgraphische Arbeiten des zeitgenössischen, deutschsprachigen Künstlerkreises in Rom um 1800, darunter Christian Daniel Rauch (1777-1857), Gottlieb Schick (1776-1812), Franz Pforr (1788-1812) und Johann Friedrich Overbeck (1789-1869). Auch russische Künstler wie Feodor Michailowitsch Matwejeff (1758–1826) oder Carl Gotthard Grass (1767-1814) sind unter den Beitragenden. Viele dieser Künstler brachte Caroline von Humboldt, die sich seit 1802 der Förderung deutscher Künstler in Rom verschrieben hatte, in Kontakt mit dem vermögenden Kunstliebhaber Blankenhagen. Während traditionelle Stammbücher meist über einen längeren Zeitraum auf Reisen zur persönlichen Erinnerung des Besitzers zusammengestellt wurden, entstand Blankenhagens Album hingegen innerhalb nur weniger Monate an nur einem Ort. Im vergangenen Jahr hatte die Kulturstiftung der Länder bereits den Ankauf des Sammelalbums Rehberg, zusammengestellt während der Italienreise der Familie Rehberg zwischen 1828 und 1830, für das Museum August Kestner in Hannover gefördert. In der für Oktober 2020 geplanten Sonderausstellung sollen die beiden Werke in Kassel einander gegenübergestellt werden.
Die Einzelblätter in durchgehend hoher Qualität werden ergänzt durch Briefe, Zeitungsberichte und Tagebuchaufzeichnungen. Sie veranschaulichen das Beziehungsgeflecht der Künstler des Humboldt-Kreises und versprechen neue, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Künstlerbiographien und Sammlungen der Deutsch-Balten im 19. Jahrhundert.
Weitere Förderer dieser Erwerbung: Hessische Kulturstiftung, Museumsvereins Kassel e.V.