Kaiser und Sultan – Nachbarn in Europas Mitte 1600-1700
Turbane, Gebetsteppiche und Streitkolben, aber auch Zuckerdosen und Kaffeekannen sind Zeugen eines von Krieg und Glaubenskonflikten geprägten Schauplatzes des 17. Jahrhunderts. Rund 320 Exponate gewähren einen Einblick in den engen Austausch sowohl in Kriegs- als auch Friedenszeiten. In der gewählten Zeitspanne vom „Langen Türkenkrieg“ (1539-1606) bis zum Ende des „Großen Türkenkrieges“ (1683-1699) führten politische, wirtschaftliche und religiöse Interessen zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation auf der einen und dem Osmanischen Reich auf der anderen Seite.
Die „Karlsruher Türkenbeute“ geht größtenteils auf die Beteiligung badischer Markgrafen an den „Türkenkriegen“ zurück, heute zählt sie zu den wertvollsten Zeugnissen osmanischen Kunstschaffens vom ausgehenden 17. Jahrhundert in den Sammlungen Europas und ist fester Bestandteil der Regionalgeschichte Badens. Neben Waffen, Hoheitszeichen und Alltagsgegenständen ist auch das Panzerhemd des Janitscharenaga und späteren Großwesirs Mustafa Pascha aus Rodosto (1682) Bestandteil des osmanischen Beuteguts. Prunkstück der Ausstellung ist ein 1683 vor Wien erbeutetes osmanisches Zelt aus den Kunstsammlungen auf dem Wawel von Krakau, das allein einen großen Ausstellungsraum füllt. Ergänzende Leihgaben stammen aus weiten Teilen Deutschlands, aus Basel, Budapest, Krakau, Stein am Rhein, Ptuj in Slowenien und Wien.
Im Spannungsfeld der Konflikte waren Ostmittel- und Südosteuropa Transit- und Grenzräume, die an den wichtigsten Handelsrouten der damaligen Zeit gelegen, zu einer Drehscheibe von Menschen, Wissen und Gegenständen wurden. Ein bislang kaum bekannter Wissenstransfer bildete sich heraus: Migranten, religiöse Minderheiten, Kriegsgefangene, Kaufleute, Gesandte und Diplomanten teilten ihre Erfahrungen, aber auch ihre Kulturen. Die Exponate der Ausstellung wie Säbel, Dolche und Streitäxte erzählen beispielsweise von den engen Vernetzungen in der Goldschmiedekunst. Auch das Phänomen der Siebenbürgischen Teppiche zeigt, dass sich im dreigeteilten Ungarn eine eigene Identität entwickelte. In Mediasch und Kronstadt beispielsweise schmückten osmanische Teppiche und Textilien die Innenräume der Kirchen.
Im Schatten von Glaubenskonflikten entstanden dank des interkulturellen Austauschs Neuerungen in Kunst, Mode, Technik und Architektur. Die Ausstellung versteht das 17. Jahrhundert als einen Spiegel unserer Zeit und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte zu den aktuellen Debatten um Menschen anderer Herkunft in Europa und die Globalisierung. Dabei hinterfragt sie gegenwärtige Stereotypen und zeigt, wie sehr die Aushandlung der eigenen kulturellen Identität auf jeweils andere Kulturen angewiesen und von ihnen abhängig ist.
Die Ausstellung wird in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden sowie den Universitäten in Graz und Zagreb durchgeführt. Vertreterinnen und Vertreter von Universitäten und Museen aus Deutschland, Kroatien, Österreich, Polen und Ungarn begleiten die Ausstellung.