Im Aufbruch. Reformation 1517-1617

Globalisierung, Medienrevolution, ein neues Selbstverständnis – bestimmend nicht nur für das 21., sondern auch für das 16. Jahrhundert, in dem gesellschaftliche Entwicklungen ebenso rasant an Fahrt aufnahmen wie in unserer Gegenwart: Der Buchdruck, die Ideen der Aufklärung und des Humanismus und vor allem Martin Luthers Thesen versetzten die Gesellschaft in Aufbruchsstimmung. Die von der Kulturstiftung der Länder geförderte Ausstellung gewährt Einblicke in das Jahrhundert, das die Welt veränderte. „Reformation konkret!“ schreiben sich das Braunschweigische Landesmuseum sodann auch auf die Fahne im Luther-Jahr: Als Martin Luther seine berühmten 95 Thesen veröffentlichte, geschah dies nicht mit einem ausgearbeiteten Plan, wie die Reformation Schritt für Schritt umzusetzen sei. Aber warum fielen reformatorische Ideen gerade damals, vor 500 Jahren, auf fruchtbaren Boden? Welche Bedingungen waren es konkret, die ihnen eine solche Durchschlagskraft verliehen? Wer waren die Trendsetter? Was waren die Herausforderungen? Wo lag das Konfliktpotential und wer waren die Entscheider, die den Prozess von oben steuerten? Was musste passieren, damit Luthers Gedanken einen anderen Weg nahmen als die zahlreichen Versuche zuvor, die Kirche zu reformieren?

Als Anhaltspunkte für diese übergeordneten Fragen dienen 550 Objekten aus den eigenen Sammlungen sowie Leihgaben von europäischen Museen, Archiven und Bibliotheken aus vier europäischen Ländern zudem erstmals in großer Zahl historische Objekte und Zeugnisse aus 28 niedersächsischen Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und Klöstern. Zu den Glanzlichtern der Exponate gehören beispielsweise die Reliquie des sog. Salvatortüchleins, datiert im 8.-9. Jh. aus der Ev.-luth. Stiftskirchengemeinde Bad Gandersheim: Die Tuchreliquie ist wohl schon im 9. Jahrhundert nach Gandersheim gelangt. Sie gehört zu den bedeutendsten Reliquien des Stifts und ist mit den anderen wichtigen frühmittelalterlichen Reliquientüchern in Rom, Aachen oder Kornelimünster zu vergleichen. Aber auch die einzigen beiden bisher bekannten Fragmente eines Plakats, mit dem die Reformation begann, oder der Feldküriss Herzog Heinrichs aus dem Kunsthistorischen Museum Wien: Herzog Heinrich trug den Küriss wohl 1545 in der Schlacht bei Kahlefeld, in der er von den protestantischen Gegnern festgenommen wurde. Auf der Brust befindet sich eine Inschrift (Herr, meine Zeit liegt in deinen Händen, errette mich vor denen, die mich verfolgen), darunter kniet eine Figur vor dem Gekreuzigten. Dieser wertvolle Halbharnisch Heinrich des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel ist nun erstmals seit 400 Jahren wieder gepaart mit seinem Pferdeharnisch, der im Braunschweigischen Landesmuseumverwahrt wird.

 

Im Braunschweigischen Landesmuseum am Burgplatz beginnt die Zeitreise mit einem Blick auf die bewegte Zeit um 1500: die Angst vor dem Jüngsten Gericht und die Hoffnung auf Erlösung auf der einen, die Wiederentdeckung der Antike und die Begeisterung für die Wunder der neuen Welt auf der anderen Seite. Besucherinnen und Besucher können erleben, wie die Ideen Martin Luthers die politische Landkarte umgestalteten, welche Netzwerke sich entwickelten und wie die Braunschweiger Fürsten die Reformation von „oben“ durchsetzten, mit Kontrolle ihre Macht erweiterten und der neue Glauben den Alltag der Menschen veränderte. Am Ende des 16. Jahrhunderts war die Einheit des Mittelalters aufgebrochen. Man nahm die Vielfalt der Religionen hin, aber blieb unter sich und tolerierte sich gegenseitig nicht. Nur wenige Monate nach dem ersten Reformationsjubiläum 1617 eskalierten die Konflikte. Europa stürzte in ein Chaos von Glaubens-, Religions- und Staatenkriegen. Die Sonderausstellung präsentiert an drei Standorten auf insgesamt 2500 m².