Henry Moore. Impuls für Europa

Aus Recklinghausen, Wuppertal und Berlin sind sie angereist: stattliche Schwergewichte, teilweise über 500 kg schwer. Normalerweise fest im Stadtbild ihrer Heimat verankert, haben sich die drei kraftvollen Plastiken Henry Moores nach Münster begeben, um dort für die kommenden Monate als Ausstellungsobjekte zu brillieren. Für die erste umfassende Werkschau des Künstlers in Deutschland seit 18 Jahren hat sich das LWL-Museum für Kunst und Kultur durchaus anspruchsvolle Gäste eingeladen: Auf den Millimeter genau musste die Platzierung der großformatigen Leihgaben im Vorhinein geplant, die maximale Bodenbelastung überprüft und die Sockel auf die besonderen Anforderungen der schweren Bronzen angepasst werden. Inzwischen haben sich die hochkarätigen Exponate auf ihren vorgesehenen Plätzen eingefunden und bieten – gemeinsam mit weiteren bedeutenden Leihgaben und Eigenbeständen des Museums – noch bis zum 19. März 2017 vielseitige Einblicke in das Œuvre des bekannten britischen Bildhauers.

1898 in Castleford, Yorkshire, geboren, studierte Henry Moore ab 1919 an der Leeds School of Art – als bis dahin einziger Schüler – Bildhauerei. Mit einem Stipendium ausgestattet, wechselte er 1921 zunächst an das Royal College of Art in London und besuchte  ab 1932 die Chelsea School of Art, um dort die folgenden sieben Jahre als Dozent zu unterrichten. Über die Jahre entwickelte Henry Moore unter prägenden Einflüssen seine unverwechselbare Formensprache: So studierte er altägyptische Plastiken und präkolumbische Kunstobjekte im British Museum, ließ sich von den Arbeiten Michelangelo Buonarrotis und Giovanni Pisanos inspirieren und stand im regen Austausch mit Künstlerkollegen wie Pablo Picasso, Hans Arp, Alberto Giacometti und Barbara Hepworth. Zwischen 1933 und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stellte Moore regelmäßig mit den Surrealisten aus und setzte sich nicht zuletzt mit seiner Ausstellung in der Buchholz Galerie von Curt Valentin 1944 in New York auch international durch. Henry Moores zentrales Thema blieb bis zu seinem Tod 1986 das menschliche Sein, das Verhältnis zwischen Mensch und Landschaft und die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Ob aus Holz, Stein, Bronze oder Gips geformt – mit den biomorphen, fließenden Formen seiner Arbeiten bewegte sich Moore stets zwischen Figuration und Abstraktion und setzte wichtige Impulse für die Figur im öffentlichen Raum. Doch wie schaffte es Moore, die Bildhauerei, auch international, in einem solchen Maße zu dominieren, dass sich auch jüngere Künstlergenerationen an ihm orientierten? Dieser Frage geht die von der Kulturstiftung der Länder geförderte Ausstellung auf den Grund und zeigt neben Moores eindrucksvollen Skulpturen und Plastiken Objekte 16 weiterer europäischer Künstler, darunter Hans Arp, Joseph Beuys, Alberto Giacometti und Pablo Picasso. Besuchte Henry Moore das LWL-Museum für Kunst und Kultur bereits 1976 anlässlich der feierlichen Übergabe der Plastik „Working Model for Stone Memorial“, holt die – in Kooperation mit der Tate in London entstandene – Einzelausstellung den Künstler nun wieder nach Münster zurück und würdigt ihn als wichtigen Impulsgeber und einflussreichen Bildhauer des 20. Jahrhunderts.