2024 jährt sich zum 250. Male die Erstveröffentlichung von Johann Wolfgang Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ (1774). Der „Werther“ gilt gemeinhin als erster europäischer „Bestseller“ und machte den 25-jährigen Goethe über Nacht weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Zwei beliebte und international besuchte Museen sind die beiden Wetzlarer Goethe-Gedenkstätten Lottehaus und Jerusalemhaus, die an den authentischen Lebensorten der realen Vorbilder des Romans, Charlotte Kestner, geborene Buff und des braunschweigischen Legationssekretärs am Reichskammergericht Carl Wilhelm Jerusalem im 19. und frühen 20. Jahrhundert eingerichtet wurden. Erstere inspirierte Goethe während seiner Wetzlarer Praktikantenzeit zur Hauptfigur der „Lotte“, während der Jurist Carl Wilhelm Jerusalem, den Goethe bereits vom Studium aus Leipzig kannte und in Wetzlar wieder traf, ihm als Urvorbild des „Werther“ diente.
Einen Sammelschwerpunkt bilden demnach seit dem 19. Jahrhundert neben Objekten der Alltagskultur, Dokumenten, Briefen und historischen Büchern zur Werther-Rezeption auch Objekte aus dem Besitz und Umfeld der Familie Buff-Kestner und Jerusalem.
Seit Bestehen des Lottehauses als authentischem Literaturschauplatz finden wiederholte Zusammenkünfte der Familiennachfahren in Wetzlar statt, anlässlich derer jeweils ein Gegenstand aus Familienbesitz aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit entsprechendem Bezug den Städtischen Museen überantwortet wird. In einer Vitrine im Erdgeschoss des Lottehauses sind Kleinobjekte mit dem Charakter von Devotionalien zu „Goethes Lotte“ öffentlich ausgestellt. So befinden sich bislang wesentlich mehr Sammlungsstücke aus dem Umfeld von Charlotte Kestner in den Besitz der Städtischen Sammlungen. Wenige Originalobjekte haben sich indes aus dem Nachlass von Carl Wilhelm Jerusalem als literarischem Urbild des „Werthers“ erhalten und sind im Jerusalemhaus ausgestellt.
Umso erfreulicher und angesichts der Seltenheit des Stücks von großer Bedeutung für unsere Sammlungen ist die aktuelle Schenkung aus Privatbesitz, aus dem Nachlass der Familie Kestner. Es handelt sich um ein bisher unpubliziertes Gemälde mit dem Porträt des Vaters von Carl Wilhelm Jerusalem, dem der Aufklärung verpflichteten evangelisch-lutherischen Theologen und Hofprediger am Braunschweigischen Hof Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709 – 1789), auch genannt Abt Jerusalem, das sich seit Ende des 18. Jahrhunderts in Familienbesitz befand und daher eine lückenlose Provenienz aufweist.
Das Gemälde, dem braunschweigischen Porträtmaler Johann Georg Ziesenis d. J. zugeschrieben, wird nach seiner offiziellen Übergabe dauerhaft in den Schauräumen des Lottehauses ausgestellt werden. Es ergänzt das bekannte Kupferstichporträt in den Städtischen Sammlungen und zeigt den Dargestellten im Dreiviertelprofil aufrecht sitzend mit festem Blick zum Betrachter vor neutralem Hintergrund. Er trägt einen Turban und einen Mantel mit Pelzbesatz. Während er sich mit der einen Hand am Schreibtisch abstützt, blättert er mit der anderen Hand in einer Schrift.
Bei aller Freude über den bedeutenden Neuzugang ist jedoch festzustellen, dass das Gemälde über die gesamte Malschichtoberfläche ein ausgeprägtes Craquelee mit wellenförmigen Verzerrungen zeigt sowie eine deutlich nach vorn sichtbare Keilrahmenkante durch eine gelockerte Leinwandspannung, Bestoßungen in Form von Dellen im linken unteren Bereich und angrenzend zum Rahmen leichte Bestoßungen mit Malschichtverlust an der Malkante. Des Weiteren ist der Firnis stark glänzend und leicht vergilbt und mit einer leichten Oberflächenbeschmutzung überzogen. Im Zuge einer Konservierung und Restaurierung müsste der Schmuckrahmen demontiert und das Gemälde im Spannrahmen neu ausgekeilt werden, um die Oberflächenspannung wiederherzustellen und Deformationen zu nivellieren. Im Anschluss würde die Malschichtoberfläche je nach Verschmutzungsgrad einer Reinigung oder Firnisabnahme unterzogen und Fehlstellen retuschiert.
Wir bitten Sie, liebe Leserinnen und Leser von Arsprototo, herzlich um Ihre Unterstützung für die erforderlichen Restaurierungsmaßnahmen, damit wir das Gemälde der Öffentlichkeit künftig dauerhaft und unter optimalen konservatorischen Bedingungen im Lottehaus präsentieren können.
Text: Dr. Anja Eichler, Leiterin der Städtischen Museen Wetzlar
Wir bitten Sie, liebe Leserin und lieber Leser, um Unterstützung für die Städtischen Museen Wetzlar. Spenden Sie für die Restaurierung des Gemäldes von Johann Georg Ziesenis d. J. aus dem 18. Jh. und überweisen Sie unter dem Stichwort „Gemälde Lottehaus“ auf das Konto der Städtischen Museen Wetzlar. Überweisungsträger finden Sie im Heft nach der Seite 114. Vielen Dank!