Heimkehr eines Wahrzeichens
Für die Sammlungen auf der Berliner Museumsinsel ist Constantin Meuniers „Sämann” beileibe kein Unbekannter. Im Gegenteil, die Bronzeskulptur ist den dortigen Museen und vielen Besuchern der Weltkulturerbe-Insel ein aus Jahrzehnten vertrautes Meisterwerk des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Seit den 1950er Jahren von der Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin bewahrt, stand die Figur des belgischen Bildhauers und Malers Meunier (1831–1905) zunächst über Jahrzehnte vor der Alten Nationalgalerie und wurde 1987 zum 750-jährigen Berlin-Jubiläum im Lustgarten vor dem Alten Museum aufgestellt. Nach der Restitution an die Erben des Kunstsammlers Otto Krebs, in dessen Kollektion sich der „Sämann“ im Kontext herausragender Kunstwerke von vor und um 1900 befand, konnte die Skulptur nun auf einer Londoner Auktion von Christie’s im Juni für die Museumsinsel wiedergewonnen werden. Die Kulturstiftung der Länder und die HERMANN REEMTSMA STIFTUNG sowie Wolfgang Wittrock unterstützten den Ankauf.
In Nachbarschaft zu den plastischen Werken von August Gaul, Max Klein, Adolf Brütt und Ferdinand Lepcke schmückt der „Sämann“ von 1896 als herausragende Arbeit des europäischen Naturalismus jetzt den gerade festlich eröffneten Kolonnadenhof der Museumsinsel. Die etwa lebensgroße Skulptur als Allegorie der Arbeit sollte in einem zusammen mit Auguste Rodin geplanten Vorhaben ursprünglich ein großes „Denkmal der Arbeit“ krönen, was Meunier allerdings nicht mehr verwirklichen konnte. Mit kräftiger Statur und reduzierter Darstellung schuf der Künstler eines seiner Hauptwerke; wie bei Rodin war Meuniers Schaffen von der Erfahrung des hoch industrialisierten Belgiens am Ende des 19. Jahrhunderts geprägt, Puddler (Eisenarbeiter), Bergleute und Hafenarbeiter sind in anderen Werken Meuniers in der Alten Nationalgalerie zu sehen, doch gerade die ländliche, nicht arbeitsteilige Tätigkeit verleiht der jetzt erworbenen Einzelfigur starken symbolhaften Ausdruck. Das für die Kunst des 19. Jahrhunderts so zentrale Motivfeld der „Arbeit“ spiegelt sich in der Sammlung der Nationalgalerie u. a. auch in Spitzenwerken wie Adolph Menzels „Eisenwalzwerk“ und Max Liebermanns „Flachsscheuer“ wider. Sind zwar in einigen europäischen Museen Büsten von Meunier vorhanden, so gilt die Statue des „Sämanns“ als Rarissimum im Werk des Bildhauers; auf dem Kunstmarkt sind in den vergangenen Jahrzehnten keine vergleichbar großen Skulpturen Meuniers aufgetaucht. Erste Arbeiten des belgischen Bildhauers gelangten bereits unter Direktor Tschudi um 1900 in die Nationalgalerie. Die Nationalgalerie freut sich, den „Sämann“ als ein Wahrzeichen ihrer Sammlung auch weiterhin auf der Berliner Museumsinsel beheimaten zu können.