Goethe an Friederike

„Ward es doch am Tage klar“ – eigenhändiger Entwurf Goethes eines Widmungsgedichtes in Erinnerung an die Begegnung mit Friederike auf der Gerbermühle in Frankfurt am 16. August 1815
„Ward es doch am Tage klar“ – eigenhändiger Entwurf Goethes eines Widmungsgedichtes in Erinnerung an die Begegnung mit Friederike auf der Gerbermühle in Frankfurt am 16. August 1815

Fast 100 Jahre waren die wertvollen Handschriften verschollen, jetzt gelang der spektakuläre Ankauf aus Privatbesitz: Zwei Briefe Johann Wolfgang von Goethes an Prinzessin Friederike zu Mecklenburg-Strelitz, spätere Königin von Hannover, sechs eigenhändige Gedichthandschriften Goethes, ein Einblattdruck mit eigenhändigen Ergänzungen und eine zeitgenössische Abschrift, Briefe Johann Peter Eckermanns und weitere zugehörige wertvolle Dokumente konnten nun aus dem Besitz des Welfenhauses – sie hatten sich u. a. in der ehemaligen Familienbibliothek auf Schloss Cumberland bei Gmunden erhalten – vom Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar erworben werden. Unterstützt beim Ankauf wurde das Archiv von der Kulturstiftung der Länder, vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, der Freundesgesellschaft des Goethe- und Schiller-Archivs, der Wüstenrot Stiftung und von weiteren ungenannten Spendern.

Prinzessin Friederike und ihre Schwester, die spätere legendäre preußische Königin Luise, hatte Goethe in einem preußischen Feldlager bei Bodenheim aus der Ferne beobachten können, wo die Prinzessinnen zur königlichen Tafel geladen waren. Später schrieb der Dichter: „Und wirklich konnte man in diesem Kriegsgetümmel die beiden jungen Damen für himmlische Erscheinungen halten, deren Eindruck auch mir niemals verlöschen wird.“ Persönlich lernte Goethe Friederike dann während einer Kur in Karlsbad im Juli 1806 kennen – zwischen beiden entstand eine freundschaftliche Beziehung, mehrmals kam es in böhmischen Bädern noch zu Treffen. Im August 1815 besuchten Herzog Ernst August und Herzogin Friederike Goethe überraschend auf der Gerbermühle bei Frankfurt. In Erinnerung daran entstand das Gedicht „Ward es doch am Tage klar!“, das Goethe in einer eigenhändigen Reinschrift an Friederike schickte. Der bisher unbekannte Entwurf zu diesem Gedicht, den Goethes Sekretär und Nachlassverwalter Eckermann – einige Jahre nach Goethes Tod – Friederike anlässlich der Verleihung der hannoverschen Königswürde schenkte, er fand sich jetzt bei dem erworbenen Konvolut wieder.

Eckermann brachte seine Verehrung für die Königin wiederholt durch Schenkungen von Goethe-Autographen aus dem Nachlass zum Ausdruck: Insgesamt sechs eigenhändige Gedichthandschriften, allen voran Goethes berühmtes Gedicht „Im Nahmen dessen der Sich selbst erschuf …“  (März 1816) in der einzigen überlieferten und bisher unbekannten Handschrift des Dichters kommen nun nach Weimar. Goethe hatte mit diesem Gedicht 1817 seine Zeitschrift „Zur Naturwissenschaft überhaupt“ eröffnet und es später im dritten Band seiner Ausgabe letzter Hand an den Anfang der Gruppe „Gott und Welt“ gestellt. Der Weimarer Ausgabe von Goethes Werken war das Autograph nicht bekannt, wie Abweichungen in der Textgestalt zwischen Druck und Handschrift belegen.

Vier weitere eigenhändige Gedichthandschriften („Vom Himmel steigend Jesus brachte“ (Reinschrift, 24. Mai 1815), „Frage nicht durch welche Pforte“ (30. März 1815), „Hochländisch“ (1827) und „Fehlt der Gabe gleich das Neue“) geben teilweise mit Korrekturen und Überklebungen einen detaillierten Einblick in Goethes Schreibprozess von der Entwurfshandschrift mit Ergänzungen und Korrekturen bis hin zur Reinschrift.

Die zwei eigenhändigen Briefe Goethes an Friederike (vom 30. Dezember 1811 bis 1. Januar 1812 und vom 16. Februar 1827) und weitere zugehörige Handschriften aus Goethes engstem Umkreis (von Eckermann und dessen Familienangehörigen) ergänzen die Sammlung um wichtige Dokumente aus dem Entstehungszusammenhang der kostbaren Autographen.

Dass sich die von Eckermann aus Goethes Nachlass herausgelöste Sammlung mit wertvollen handschriftlichen Quellen aus Goethes wichtiger Schaffenszeit von 1811 bis 1828 über mehr als 170 Jahre nahezu vollständig erhalten hat und nun geschlossen nach Weimar zurückkehrt, kann als sensationeller und glücklicher Gewinn für das Goethe- und Schiller-Archiv, die Forschung und die Öffentlichkeit gesehen werden.