Glückliche Heimkehr

Verkündigungsaltar von Jacob Claesz van Utrecht, 1520/22
Verkündigungsaltar von Jacob Claesz van Utrecht, 1520/22

Als „Königin der Hanse“ erreichte die Stadt Lübeck zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihre Blütezeit. Die florierende Handelsmacht an der Ostsee zog nicht nur Kaufleute, sondern auch Künstler an, die in Lübeck großzügige Auftraggeber fanden. So ließ sich zu dieser Zeit auch der aus Antwerpen stammende Jacob Claesz van Utrecht (um 1480 bis nach 1530) in der Hansestadt nieder und avancierte zu einem der bekanntesten Maler der Stadt. In der angesehenen Leonhardsbruderschaft, einer Vereinigung reicher Kaufleute, traf van Utrecht auf Auftraggeber aus den wohlhabenden Kreisen der Lübecker Gesellschaft: Um 1520 beauftragte der Ratsherr Hermann Plönnies zusammen mit seiner Frau Ida Greverade van Utrecht mit einem Triptychon – einer dreigeteilten Tafelmalerei. Wie damals nicht unüblich, ist das Stifterpaar in einer Szene auf dem Flügelaltar verewigt: Die Innenseiten ziert in strahlender Farbigkeit das ehrfürchtig kniende Paar in prachtvollen Gewändern nach der damaligen Zeitmode, begleitet von seinen Schutzpatronen – den Heiligen Matthäus und Katharina. Das Retabel erweist sich als ein selbstbewusstes Stück bürgerlicher Repräsentation. Plönnies gehörte als Ratsherr zu den politisch profilierten Kaufleuten der Hansestadt. Auf der Mitteltafel ist vor einer südalpinen Stadtkulisse das eher seltene Thema der Verkündigungsszene dargestellt, die als Hinweis auf einen Kinderwunsch der Eheleute gedeutet werden kann. Bereits kurz nach ihrer Vermählung 1522 verstarb Plönnies’ Frau Ida. Der Schicksalsschlag verhalf jedoch später der Kunstwissenschaft zu einer genaueren Datierung und neuen Zuschreibung des Flügelaltars, der noch bis ins 20. Jahrhundert für eine Arbeit Lucas Cranachs gehalten wurde. Mit dem Nachweis der Lübecker Provenienz konnte das Werk Jacob van Utrecht zugeschrieben werden. Das Gavnø-Retabel muss Mitte der 1520er Jahre entstanden sein, kurz bevor sich auch die Spur van Utrechts in den Wirren der Reformation verliert. Aus der Sammlung des dänischen Sammlers Otto Tagesen Thott (1703–1785) stammend, wird der Aufsatz heute nach dem Herrensitz der Familie Thott als Gavnø-Retabel bezeichnet.

Aufgrund der großen Bedeutung des Werkes für die Geschichte der Stadt Lübeck freuen sich die Lübecker Museen besonders, dass der Ankauf des Retabels jetzt mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder für das St. Annen-Museum gelang. In den vergangenen 10 Jahren hat es in den Museen der Hansestadt keinen solch bedeutenden Neuerwerb gegeben. Das ehemalige St. Annen-Kloster beherbergt seit 1915 sakrale Kunst und bietet den größten Überblick über die kirchlichen Kunstwerke des Mittelalters in Lübeck.