Glauchaus Glanz bewahrt

Für viele Museen in Ostdeutschland war der 1. Dezember 2014 ein entscheidendes Datum: Mit Ablauf der Nießbrauchsfrist musste die Zukunft der Leihgaben von im Zuge der Bodenreform von 1945 enteigneten Kunstwerken und Kulturgütern geregelt sein – ansonsten drohte der Verlust der Objekte. Das galt auch für die Kunstsammlung Schloss Hinterglauchau: Die hier verwahrte Sammlung aus dem Eigentum der thüringisch-sächsischen Fürstenfamilie Schönburg-Glauchau – wichtiges Zeugnis der regionalen Kulturgeschichte – bildet den Kernbestand des Museums.

Vom Hirschgeweih-Lüster bis zur einspännigen Kalesche mit Lederfaltdach, vom Miniaturporträt der Gräfin Wilhelmine Christine zum Renaissance-Fassadenschrank: Die aus über 1.300 Gegenständen bestehende Schönburgia-Sammlung – darunter Gemälde und Möbel, Graphiken, Archivalien, Waffen und verschiedene kunsthandwerkliche Objekte – illustriert die Jahrhunderte umfassende Historie eines Adelsgeschlechts im von Kleinstaaterei geprägten Deutschland. Die Fürstenfamilie herrschte seit 1256 reichsunmittelbar in Glauchau, das auf einem Vorsprung des Muldentals erbaute Schloss diente neben Besitzungen wie Lichtenstein, Waldenburg und der Grafschaft Hartenstein als Herrschaftsmittelpunkt. Repräsentativ für die von der Familie genossenen Privilegien entstand dort zwischen 1527 und 1534 mit dem Erweiterungsbau die heutige Doppelschlossanlage aus Schloss Forderglauchau und Schloss Hinterglauchau, sie gilt als eine der ersten mitteldeutschen Profanbauten im Stile der Renaissance. Dem Kaiser direkt untergeben mit Sonderrechten ausgestattet, entwickelten die Schönburger eigene staatliche Strukturen in ihrem Herrschaftsgebiet und nahmen – bis zur schrittweisen Integration in den Sächsischen Kurstaat ab 1740 – großen Einfluss auf politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen in der Region.

Lebendig wird die Geschichte der Schönburgs durch die zahlreichen in der Sammlung enthaltenen Ahnenporträts, die vom 17. bis ins 20. Jahrhundert reichen: In der umfangreichen Gruppe der Barock-Porträts imponieren besonders die Kinderbildnisse junger Schönburger von Chretien Hermes Reicholdt. Graf Carl Heinrich von Schönburg ließ sich vom bedeutenden Porträtisten Anton Graff vor klassizistischer Säulenarchitektur in Szene setzen – nicht die Standessymbolik stellte der Künstler in den Mittelpunkt, sondern die individuellen Züge des Grafen. Wilhelm Sattler malte den jungen Grafen Alban von Schönburg 1827 in Jagdkleidung. Musisch und künstlerisch interessiert, machte Graf Alban Glauchau zum kulturellen Zentrum. Er trug den Großteil der Glauchauer Möbelsammlung zusammen: Auf seine Leidenschaft für Mahagonimöbel geht ein repräsentatives Ensemble im Empire-Stil zurück, das neben zwei Bücherschränken eine kostbare, mit grün-goldenem Stoff bezogene und Greifenköpfen verzierte Recamière umfasst.

Im Zuge der sogenannten Bodenreform in der sowjetisch besetzten Zone nach 1945, die die Enteignung von Großgrundbesitz und Adel zum Ziel hatte, wurde das Eigentum der Familie Schönburg-Glauchau aus den verschiedenen Residenzen im Museum Schloss Glauchau zusammengeführt. Das 1994 in Kraft getretene Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz regelt die Rückgabe des entzogenen mobilen Vermögens an die ehemaligen Eigentümer bzw. deren Verfügungsberechtigte. Dabei erachtet das Gesetz den Verbleib der Mobilien in öffentlichen Sammlungen als wünschenswert, die Fristverlängerung des Nießbrauchs um 20 Jahre sollte die Einigung ermöglichen. Im Falle Glauchau ist dies nun dank des verantwortungsbewussten Handelns seitens der Stadt und der Erbin gelungen: Die regional verankerten Schönburgia-Bestände konnten – mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Landes Sachsen, der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und des Kulturraums Vogtland-Zwickau – nach der Restitution an die Erbin durch die Stadt Glauchau für das Museum Schloss Hinterglauchau erworben werden. Unmittelbar mit dem Ort Glauchau verbunden, bleibt der dichte kulturhistorische Sammlungskomplex weitgehend geschlossen erhalten. Die Neupräsentation der Schönburgia-Sammlung ist bis Februar 2017 in einer Sonderausstellung zu sehen.