Glanz und Gloria?
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Das ist eben das Unterscheidende der Monarchie, daß sie auf den Glauben an einen höhergeborenen Menschen, auf der freiwilligen Annahme eines Idealmenschen, beruht“, schrieb der junge Novalis 1798 im Überschwang der beginnenden Romantik und brachte damit die Grundlagen für die Faszination des Königtums auf den Punkt. Auch wenn wir es heute besser wissen und historische Wissenschaft und Presseöffentlichkeit, Revolutionen und Diktaturen erheblich am – nicht immer „freiwilligen“ – Konstrukt des „idealen Menschen“ kratzen, so lebt diese Idee doch auf mannigfache Weise fort.
Gefilde dieser Wunschträume und Projektionen sind die Schlösser, die wie kaum ein anderer Bautyp die Fantasie ihrer Besucher beflügeln oder gelegentlich beunruhigen, wie die bewegten Debatten um Abriss und Wiederaufbau so manchen deutschen Stadtschlosses zeigt. Von Schleswig-Holstein bis Bayern ist unser Land, das aus bald 40 souveränen Fürstentümern und freien Städten bestand, ein vielfältiges Schlösserland. Was einstmals nur der höfischen Gesellschaft und ausgewählten Besuchern vorbehalten war, ist heute oft ein Publikumsmagnet: vergangene Kulturleistung und jetziger Standortfaktor in einem (wenngleich, immerhin, 2015 das Schloss Neuschwanstein als beliebtestes Reiseziel in Deutschland von einem badischen Vergnügungspark verdrängt worden ist, der „Europa“ im Namen trägt).
Hinter allem Glanz aber erzählen Schlösser auch eine andere Geschichte. Denn wie Sie in der Frühlingsausgabe von Arsprototo lesen können, berichten Deutschlands Paläste immer auch von Aufstieg und Niedergang, Geschmackswandel und Neubetrachtung – eingebettet in geschichtliche wie ideologische Zusammenhänge und bis heute als große finanzielle, juristische und ethische Herausforderung erlebt. So sind Schlösser Brenngläser der Wechselfälle des 19. und 20. Jahrhunderts, wovon das Schicksal ihrer Bauten und Sammlungen in Ostdeutschland nach 1945 nur ein Kapitel von vielen ist, das uns bis heute beschäftigt. Um so mehr freuen wir uns, dass es nun, nach jahrelangen Verhandlungen, gelungen ist, einen Großteil des historischen Inventars aus dem Eigentum der ehemaligen Herzogsfamilie zu Mecklenburg für das gleichnamige Land zu sichern. Was das insbesondere für Schloss Ludwigslust bedeutet, davon berichtet Ihnen unser Autor Michael Zajonz.
Mir bleibt, Ihnen einen schönen Frühlingsanfang zu wünschen und Ihnen ab Seite 50 unser Porträt des Sammlers und Museumsstifters Johann Friedrich Städel zu empfehlen, mit welchem wir das Land Hessen würdigen möchten, dem diese Ausgabe von Arsprototo gewidmet ist. Das Bürgertum, nicht die Krone, steht hinter vielen großen Museumsgründungen. Erinnern wir uns daran, dass dieses Engagement heute noch genauso wichtig ist wie vor 200 Jahren.
Ihre Isabel Pfeiffer-Poensgen