Glänzende Rückkehrer

Weder hässlich noch dumm sollten sie sein, „Armut ist jedoch kein Laster“, meinte die Zarin: Damit sich die Enkeltöchter „nach ihrem Herzen einen Ehemann aussuchen“ konnten, sammelte Katharina die Große „über alle jüngeren Söhne der deutschen Fürsten“ Erkundigungen ein. „Regierende Prinzen brauche ich dabei nicht“, befand Katharina: Machtbündnisse schloss die russische Zarin auf anderem Wege. So fiel die Wahl ihrer Enkelin Helena (1784–1803) auf den Erbprinzen von Mecklenburg-Schwerin (1778–1819), dessen Schönheit auf Porträts auch heute noch besticht. Im Alter von 14 Jahren heiratete die Großfürstin Friedrich Ludwig im Palast ihres Vaters in Gattschina. Kurz darauf traf das frischvermählte Paar mit einem wahren Brautschatz in Mecklenburg ein: Tausende Objekte, darunter vergoldete Möbelgarnituren, fünf Marmorkamine, mit Edelsteinen besetzter Schmuck sowie zahlreiche Gold- und Silberobjekte. Teil der nach strengen Regeln durchkomponierten Mitgift war auch ein Kaffee- und Teeservice aus hochkarätigem Gold, ein sogenanntes Déjeuner.

Iwar Wenfeldt Buch, Goldenes Déjeuner aus der Mitgift der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, St. Petersburg, 1799; © Bröcker, Staatliches Museum Schwerin
Iwar Wenfeldt Buch, Goldenes Déjeuner aus der Mitgift der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, St. Petersburg, 1799; © Bröcker, Staatliches Museum Schwerin

1798 hatten sich die Tore der kaiserlichen Schatzkammer für den Goldschmied Iwar Wenfeldt Buch (1749–1811) geöffnet: Als Hoflieferant des Zaren erhielt er den Auftrag für Helenas Déjeuner. Medaillen, Pokale, Schmuckteile und Goldbarren schmolz Buch ein, um ihnen als Kannen, Löffel und Tablett neue Formen zu verleihen. Um den Jahreswechsel fertigte der norwegische Goldschmied die fünf Gefäße aus Matt- und Glanzgold und dunklem Horn. Vasenförmige Kannen, Zuckerdose und Spülkumme fasste er im klassizistischen Stil und umkränzte sie mit Perlenschnüren, Akanthus- und Lorbeerblättern.

Drei Jahre nach Helenas Ankunft im „mecklenburgischen Versailles“ überschlugen sich 1803 die Ereignisse: Zu aller Freude wurde Marie Luise (1803–1862) als zweites Kind in die erbprinzliche Familie geboren. Doch dem Geburtsglück folgte im selben Jahr eine dramatische Erkrankung der jungen Mutter. Nach Helenas unzeitigem Tod ging ihr Déjeuner offenbar an ihre Tochter Marie Luise über. 1825 heiratete diese in das herzogliche Haus von Sachsen-Altenburg ein und das ihr vererbte Glanzstück russischen Kunsthandwerks verblieb im Besitz der sächsischen Adelsfamilie. Nach 1931 gelangte das Déjeuner wieder in den Besitz einer Helena – die amerikanische Erbin des Woolworth-Konzerns und bedeutende Sammlerin von chinesischem Exportporzellan Helena Woolworth McCann. 1942 wechselte das Service noch einmal den Besitzer und verblieb dann bis 2016 in New York.

Dem Staatlichen Museum Schwerin / Ludwigslust / Güstrow ist es durch Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin gelungen, das Déjeuner – und damit eine besondere Rarität – zu erwerben: Es ist nicht nur eines der wenigen Service aus hochkarätigem Gold, sondern es zeugt als eines von zwei erhaltenen Exemplaren von der legendären Mitgift russischer Großfürstinnen. Nach über 200 Jahren kehrt es nun wieder in ein mecklenburgisches Adelshaus zurück. Neben einem Kamin im Schloss Ludwigslust und Porzellan aus kaiserlicher Manufaktur besitzt das Staatliche Museum Schwerin / Ludwigslust / Güstrow noch einige wenige Teile der Mitgift Helenas, doch die ursprüngliche Pracht des Goldschatzes schien für immer verloren. Demnächst kündet das Déjeuner in der Galerie Alte & Neue Meister wieder formvollendet von der russisch-mecklenburgischen Allianz. Sobald die Sanierung des Hauses abgeschlossen ist, sollen die goldenen Rückkehrer im Westflügel des Schlosses Ludwigslust, wo die Großfürstin einst lebte, zu besichtigen sein.