Geschnitztes Gedenken
Jahrzehntelang harrten 15 Teile und einige Kleinfragmente, in die das Epitaph des Zittauer Bürgermeisters Georg Schnitter zerlegt worden war, im Lager: Die gesamten zum Teil vergoldeten, reich gefassten Architekturglieder, das meisterhaft gemalte Familienbild sowie die einzigartige Epitaphtafel mit dem Gemälde „Auferstehung Christi“ von 1662 zählten dazu. Wie Puzzleteile sollen die gereinigten, restaurierten Bestandteile bald wieder zu einem Gesamtkunstwerk von außergewöhnlichem Rang zusammenfinden.
Mit dem Epitaph in den monumentalen Ausmaßen von über 3,80 m Höhe und 2,60 m Breite leisteten die beteiligten Künstler wahrhaft Großes: Auf dem gerahmten Tafelbild, dem Mittelpunkt des Epitaphs, erhebt sich die Figur Christi von ihrer Grabstelle. Segnend schwebt der Auferstandene über dem Geschehen, ist von einer hellen, strahlenden Aura umgeben, blickt auf die Szene unter sich: Vier Engel heben die Grabplatte der Begräbnisstelle an, während eine Wache zu Füßen der Engel schläft. Mit präzisem Pinselstrich setzte der Maler Georg Staroß feingliedrige Pflanzen um die Szene, wodurch das Tafelbild und die rahmende architektonische Holzumfassung aus Säulen, Konsolen, Seitenbrettern sowie einer aufwendig gestalteten Bekrönung miteinander korrespondieren. Denn auch der Bildschnitzer Hans Bubenick sowie der Kunsttischler Georg Bahns entwarfen die hölzerne Epitaphumfassung in schwungvollen, ornamentalen, teils floralen Formen mit goldener Malerei auf schwarzer Grundierung.
Das erste Epitaph für den Juristen und Kaufmann Schnitter (1552–1624), der – nachdem er nach Zittau gezogen war – zum Ratsmitglied, Richter und schließlich zum Bürgermeister aufstieg, fiel den Zerstörungen des 30-jährigen Krieges zum Opfer: In Jahr 1643 brannte die Kreuzkirche, der Ort, für den das Denkmal ursprünglich erschaffen wurde, aus. Hatte sich zu Lebzeiten der Bürgermeister Schnitter als Diplomat engagiert, um Zittau vor den direkten Auswirkungen des Prager Fenstersturzes zu schützen, waren es nun seine Nachkommen, die im Sinne der Stadt handelten. Schließlich trieb nicht zuletzt ihre finanzielle Hilfe den Wiederaufbau der Kirche voran.
Georg Schnitter – der Sohn des älteren Georg – setzte sich einerseits für die Erinnerung an seinen Vater, für das Andenken an seine Familie ein, doch zugleich sollte das monumentale Epitaph, das 1668 im Chor der wiedererbauten Kirche angebracht wurde, „…auch der Kirchen zur Zierath“ dienen. Die ausführenden Künstler – Georg Staroß, Georg Bahns und Hans Bubenick – waren führende Kräfte der Stadt: Sie hatten mit Kanzel, Altar und Emporen bereits die Kirchenausstattung gestaltet. Maler und Auftraggeber wählten für das Hauptbild, die „Auferstehung Christi“, eine venezianische Vorlage: Jacopo Tintorettos gleichnamiges Werk in der Scuola di San Rocco, das durch einen Kupferstich bekannt war. Mag es anfangs verwundern, dass die Inspiration aus Venedig stammte, so wird schnell deutlich, dass der florierende, in Zittau wie in Venedig gleichermaßen wohlstandbringende Handel zwischen den Städten eine enge Verbindung schuf.
Das Schnitter-Epitaph konnte durch die Unterstützung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder gereinigt und restauriert werden. Als Bestandteil der besonders vielfältigen Zittauer Grabmalgemeinschaft, die in Europa von singulärem Wert ist, wird es 2017 in einer Sonderausstellung in der Zittauer Klosterkirche wieder in seiner Gesamtheit zu sehen sein und anschließend an seinen ursprünglichen Ort, in die Kirche zum Heiligen Kreuz, zurückkehren.