„Geben eines Extrakts“

Schwarz-Weiß-Fotografien junger Frauen und Mütter in Texas, Missouri, Arkansas aus den Jahren 1899, 1900. Holzschnitte, die während des Paris-Aufenthalts 1907 entstanden. Die satte spätsommerliche Landschaft um die oberbayerische Stadt Murnau herum in Öl auf Leinwand. Und vor allem der stete Austausch mit Künstler-Kolleginnen und -Kollegen: All diese künstlerischen Erfahrungen kulminieren in den reinen Farben, klaren Konturen und abstrahierten Flächen des Porträts „Knabenkopf (Willi Blab)“. Die gebürtige Berlinerin Gabriele Münter (1877–1962) schuf mit dem Bildnis des Nachbarjungen im Herbst 1908 ein frühes Hauptwerk. Nachdem sie einen ersten Sommer mit ihrem Partner Wassily Kan-dinsky und dem befreundeten Paar Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky in Murnau gemalt hatte, verbrachte sie den Winter in München. Ihr Atelier in der Adalbertstraße 19 befand sich im selben Haus wie die Wohnung des Vergolders August Blab. Dessen siebenjährigen Sohn verewigte die Expressionistin in Öl auf Pappe. Zugleich verbildlichte sie ihre künstlerische Weiterentwicklung, die sie 1911 rückblickend in ihr Tagebuch niederschrieb: „Ich habe da nach kurzer Zeit der Qual einen großen Sprung gemacht – vom Naturmalen – mehr oder weniger impressionistisch – zum Fühlen des Inhaltes, zum Abstrahieren – zum Geben eines Extrakts.“

Gabriele Münter, Knabenkopf (Willi Blab), 1908, 39,7 × 33,1 cm; Museum Ludwig, Köln; © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 / Foto: Simone Gänsheimer, Ernst Jank, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
Gabriele Münter, Knabenkopf (Willi Blab), 1908, 39,7 × 33,1 cm; Museum Ludwig, Köln; © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 / Foto: Simone Gänsheimer, Ernst Jank, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München

Aus dem Nachlass Gabriele Münters, den die Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung verwaltet, konnte das Museum Ludwig das Gemälde nun erwerben. Die Kulturstiftung der Länder förderte den Ankauf anteilig mit 70.000 Euro. „Knapp 600 Spenderinnen und Spender haben sich dafür eingesetzt, das Bildnis nach Köln zu holen. Darüber freue ich mich besonders. So ist es gemeinsam gelungen, die Expressionisten-Sammlung um die Position einer bedeutenden Künstlerin zu erweitern“, sagt Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Vor 110 Jahren, im Entstehungsjahr des Gemäldes, zeigte die Künstlerin erstmals ihr Schaffen in einer Ausstellung – und zwar in Köln. Auch in den folgenden Jahren blieb Münter der Stadt verbunden: 1912 waren ihre Werke im Gereonsclub zu sehen, im Rahmen einer Ausstellung des Blauen Reiters – jener Künstlergruppe, die im Vorjahr in Murnau zusammengetreten war. Im Kölner Kunstverein schließlich setzte sich dessen Leiter, Josef Haubrich, 1925 für die erste Einzelausstellung Münters ein. Haubrich spielt auch eine zentrale Rolle in der Geschichte des Museums Ludwig: Der Kölner Jurist vermachte seiner Heimatstadt 1946 seine Expressionisten-Sammlung, die heute den Grundstock des Hauses bildet.

Weitere Förderer dieser Erwerbung: Ernst von Siemens Kunststiftung