Friderizianische Finesse
Der Alte Fritz wusste wahrlich königlich zu speisen – prunkvolle Gedecke mit erlesenen Gerichten kredenzt von Kammerherren: Die Bankette und kultivierten Tafelrunden des Monarchen standen ganz im Zeichen höfischen Zeremoniells. Mit zwei vergoldeten Silbertabletts aus dem Tafelservice Friedrichs des Großen (1712–1786) erwirbt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg exquisite Goldschmiedearbeiten von friderizianischer Finesse. Die Kredenzschalen zählen zu den selten erhaltenen Zeugnissen der königlich-preußischen Tischkultur des frühen Rokoko: Denn nahezu das gesamte Hohenzoller’sche Tafelsilber wurde für Reparationszahlungen an Napoleon eingeschmolzen.
Als seien ein Marienkäfer und eine Biene soeben auf Weinblättern gelandet: Die zwei 37 x 25 cm großen, naturalistisch gestalteten Anbietschalen sind von jener verspielten Leichtigkeit durchdrungen, die typisch für den Hof Friedrichs II. ist. Vermutlich der königliche Goldschmied Christian Lieberkühn d. Jüngere (1709–1769) ziselierte mittels Hammer und Punzen um 1750 akribisch die Formen und Strukturen von Weinlaub, Rebholz und Insekten auf die Silbertabletts und belebte die Kredenzen mit delikat getriebenen Ornamenten aus Ranken, Schwüngen und muschelförmigen Rocaillen. Anschließend in Lieberkühns Werkstatt feuervergoldet – eine komplizierte Metallvergoldungstechnik mithilfe von Quecksilber – ergab sich der warme Goldschimmer des Vermeils, das exklusiv dem Tafelgerät des Souveräns vorbehalten war. Der kunstsinnige König Friedrich hatte eine Vorliebe für diese Blattschalen: Sie inspirierten ihn 1761 zu eigenen Entwürfen sogenannter Konfekt-Blätter für ein Service aus Meissner Porzellan. Das dominierende Motiv der Weinranke ließ den Regenten wohl an sein Weinbergschloss Sanssouci denken.
Die mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder aus dem Kunsthandel erworbenen metallenen Meisterwerke haben eine bewegte Geschichte: Mitte des 19. Jahrhunderts schenkte wohl König Friedrich Wilhelm III. die Tabletts dem russischen Grafen Dimitri Scheremetjew – Zeitgenossen als der reichste Privatmann Europas bekannt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Besitz des jüdischen Wiener Textilfabrikanten Otto Pick, konfiszierte 1938 die Gestapo die Blattschalen; nach dem Krieg wurden diese an die Familie Pick restituiert. Die Kredenzblätter – mit nahezu unversehrter originaler Vergoldung – werden im April nach der Restaurierung in der Ausstellung „Von Blumenkammern und Landschaftszimmern“ in den Römischen Bädern im Park Sanssouci präsentiert. Ab November zeugen sie in der Dauerausstellung „Kronschatz und Silberkammer der Hohenzollern“ nebst den Resten des Lieberkühn’schen Silberservices von der künstlerischen Eigenständigkeit der friderizianischen Goldschmiedekunst.