Freier Eintritt!

Wer an einem normalen Wochentag am frühen Nachmittag ins Londoner Victoria and Albert Museum kommt, wundert sich über die vielen Schüler, die sich im Museum aufhalten. Und an Wochenenden bevölkern viele junge Menschen die Ausstellungsräume, den Garten oder die Cafés des Museums. Hier, im äußerst luxuriösen und reichen South Kensington, ziehen die Ausstellungen und Galerien Besucher an mit mittelalterlicher Kunst oder Mode; die vielen Gäste kommen offensichtlich nur zum geringsten Teil aus der wohlhabenden unmittelbaren Umgebung.

Der Innenhof des Victoria & Albert Museums; (c) Victoria and Albert Museum
Der Innenhof des Victoria & Albert Museums; (c) Victoria and Albert Museum

Wie ist das möglich? Die Antwort ist einfach: Das V&A gilt als Treffpunkt. Man geht ins Restaurant, in die Shops, man arbeitet in der National Art Library, man geht zu Vorträgen, Theaterstücken oder Konzerten oder man besucht die Vielzahl der Ausstellungsräume – und zwar lange und ausführlich, die durchschnittliche Verweildauer beträgt über zwei Stunden. Warum können sich diesen Luxus in der teuersten Weltmetropole so viele leisten? Free Admission ist das Zauberwort!

„Der freie Eintritt ist Teil der britischen Identität, wie die BBC, öffentliche Parkanlagen und Büchereien. Es geht darum, dass freie Bürger in einem freien Land freien Zugang zu den besten Informationsquellen haben“, sagte Neil MacGregor, der Direktor des British Museum, unlängst. Nur vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass die Gebührenfrage über viele Jahrzehnte hinweg geradezu als nationale Überzeugungsschlacht geführt wurde.

Für wen sind die Museen? Das 1753 gegründete British Museum, ein Kind der Aufklärung, gehörte nach dem Willen des Parlaments der Nation, war offen für jeden und frei zugänglich für alle. Das ein Jahrhundert später von Prinz Albert ins Leben gerufene Enkelkind der Aufklärung, das Victoria and Albert Museum, eine Institution gegründet in den Zeiten europäischer Revolutionen, war und ist ein Museum für alle Bürger: Jeder sollte freien Zugang haben und mit Hilfe der Bildung seine soziale Lage verbessern können.

Diese grandiose Idee des freien Eintritts in die ständigen Ausstellungen muss man aber auch vor dem Hintergrund betrachten, dass in den späten 1980er Jahren die Finanzierung der Nationalmuseen noch nahezu zu 100 Prozent vom Staat abgedeckt wurde, heute sind es bezogen auf das V&A weniger als zwei Drittel des notwendigen Budgets. Zugegeben, die Anspannung ist in den Museumsteams deutlich zu spüren, der Anspruch, sämtliche weiteren Quellen auszuschöpfen, ist groß. Einnahmen werden über Shops und Merchandising, Lizenzen, Vermietung und Verpachtung und die Restaurants erlöst. Das ist natürlich eine Ablenkung vom Kerngeschäft, dem eigentlichen Sammlungs-, Forschungs- und Bildungsauftrag des Museums. Doch die Meinungen über den Erfolg des Free Admission sind einheitlich. Nur wenige stellen die Frage, ob nun wirklich die ärmsten Teile der Bevölkerung den Weg ins Museum gefunden haben.   Ich kann durchaus Meinungen und Haltungen verstehen, die dem Museum einen elitären Bildungscharakter zuschreiben und diese akademische Institution nicht mit einem Marktplatz verwechseln möchten. Museen wie das V&A sind aber für die Menschen gemacht, sie grenzen nicht durch Bildung aus, sondern integrieren durch Wissen.