Förderungen
Die Qual der Wahl
Ein Mann, drei Frauen und eine schwere Entscheidung: Auf Weisung von Göttervater Zeus muss der sterbliche Jüngling Paris unter den Göttinnen Aphrodite, Athene und Hera diejenige auswählen, die ihm am besten gefällt. Doch welche der Damen ist nun die Schönste im ganzen Land? Als Zeichen seiner Gunst überreicht Paris schließlich Aphrodite, die ihm zur Belohnung die bezaubernde Helena von Troja versprochen hat, einen goldenen Apfel. Bis heute gehört dieses „Paris-Urteil“ zu den bekanntesten Episoden der griechischen Mythologie und ist in der bildenden Kunst seit Jahrhunderten Gegenstand von Interpretationen, nicht zuletzt weil sie die Ursache für den Trojanischen Krieg beschreibt. Auch Markus Lüpertz (*1941) sucht in seinem Schaffen immer wieder die Auseinandersetzung mit der antiken Sagenwelt. Aus vier Leinwänden fügte der Künstler, der sich mit Gehrock und Gehstock zur lebenden Legende stilisiert hat, sein Gemälde „Das Paris-Urteil“ zusammen. Als Klammer für die Einzelteile seines Quadriptychons dienen ein Flusslauf und ein Bergzug, die sich im Mittel- und Hintergrund des Bildes durch eine arkadische Landschaft ziehen. Monumental erheben sich vor ihnen drei weibliche Akte in Frontal-, Seiten- und Rückenansicht – auch dies ein Verweis auf kunsthistorische Darstellungstraditionen des Paris-Stoffes. Das Museum der bildenden Künste Leipzig, das seit Kurzem Eigentümer des „Paris-Urteils“ ist, stellt Lüpertz noch bis zum 24.9.2017 dem symbolistischen Künstler Max Klinger (1857–1920) gegenüber. Aus diesem Dialog ergeben sich neben Spannungsmomenten auch formale Bezugspunkte. Inhaltlich legte Lüpertz sein Hauptwerk aus dem Jahr 2010 bewusst interpretationsoffen an: Unklar bleiben die genaue Personenzuordnung oder die Funktion von Attributen wie Fisch und goldenem Totenschädel. Handelt es sich hierbei etwa um ein Vanitas-Motiv, das als leise Kritik an der Schönheitsgöttin Aphrodite zu verstehen ist? Bei der Entschlüsselung des Werks ist jeder Betrachter individuell herausgefordert und fühlt angesichts einer Fülle von Deutungsmöglichkeiten wie einst Paris: Er hat die Qual der Wahl.
Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Mittel aus dem Vermächtnis Gerhard und Margit Merkel, Leipzig, Förderer des Museums der bildenden Künste Leipzig e.V.
Souveräne Leserinnen
Unter dem Titel „Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde“ stellte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg vor zwei Jahren die weiblichen Hohenzollern in den Mittelpunkt einer Ausstellung: Das europaweite Netzwerk des Hochadels und die wichtige Rolle, die die weiblichen Mitglieder der Familien in diesem politisch-kulturellen Geflecht spielten, wurden in den Blick genommen. Die Frage nach den Lesegewohnheiten einiger der Protagonistinnen lässt sich von nun an leichter beantworten. Denn dank der Umsicht ihrer Erben blieb die sogenannte Kammerbibliothek von drei Generationen eng mit dem Preußenhaus verbundener hochadliger Frauen erhalten. Sophie Dorothea von Hannover, Ehefrau des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. und preußische Königin (1687–1757), ihre Tochter Luise Ulrike von Preußen, Königin von Schweden (1720 –1782), und deren Tochter Prinzessin Sophie Albertine von Schweden (1753 –1829), ab 1787 Äbtissin im Reichsstift Quedlinburg, lasen offenkundig mit Leidenschaft – und vornehmlich auf Französisch, der lingua franca des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Zusammensetzung der Bibliothek verrät vielfältige Interessen, so kaufte man neben Romanen, Reiseliteratur und Geschichtsbüchern auch Biographisches sowie naturwissenschaftliche Werke und Enzyklopädien. Da Bücher damals ohne Einband geliefert wurden, kamen nach der Lektüre kostbare Einbände aus farbigem Maroquinleder mit Goldprägung hinzu, ein wichtiges Mittel zur stilistischen und ästhetischen Vereinheitlichung. Königliche Wappen und Monogramme personalisierten die Bücher zusätzlich und trugen zu ihrer dekorativen Wirkung in den Privatgemächern bei. Die 1.445 Titel in 4.500 Bänden wurden nun von der Schlösserstiftung und der Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit Hilfe zahlreicher Förderer gemeinsam erworben.
Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Rudolf-August Oetker-Stiftung, Verein der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V., Breslauer Foundation, Wüstenrot Stiftung, Stiftung Preußische Seehandlung, private Spender
Der Meisterkenner
Er verstieß ihn und beschenkte ihn doch reich: Horst Janssen (1929 –1995), das geliebt-gehasste Enfant terrible im Kreis der deutschen Zeichner, ließ seinen Biographen Stefan Blessin nah an sich heran, prüfte und autorisierte die anekdotenstrotzende Personen- und Werkbeschreibung des Hamburger Germanistikprofessors. Der fiel allerdings für einige Jahre in Ungnade, als er sich doch für einen persönlichen, mitunter kritischen Blick auf den berühmten Graphiker entschied. Einige Zeit vor Janssens Tod kam man sich wieder näher, Blessin galt dem Künstler weiter als profunder Kenner seines Werks. Damit der Autor der ersten umfassenden Biographie auch das Werk des Künstlers immer vor Augen hatte, überließ ihm Janssen u. a. Meisterblätter aus allen Themenbereichen wie „Eros und Tod“, „Landschaft“, „Selbstporträt“ und „Stillleben“; der Zyklus „Wiesen und Äcker“ ist nahezu vollständig enthalten. Intensiv wachte der Zeichner über die wachsende Sammlung. Blessin erweiterte den Reigen der geschenkten Werke durch Zukäufe beispielsweise von erstklassigen Zeichnungen der 1960er-Jahre. So blickt man mit der kostbaren Sammlung in alle wichtigen Werkphasen des Künstlers: 315 Zeichnungen, Aquarelle und Skizzen gelangten jetzt ins Oldenburger Horst-Janssen-Museum. Dort sind sie Garant dafür, dass das breitgefächerte Œuvre Janssens stets aus eigener Kraft präsentiert werden kann.
Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Ernst von Siemens Kunststiftung, Stiftung Niedersachsen, Niedersächsische Sparkassenstiftung, Landessparkasse zu Oldenburg, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, EWE-Stiftung, Verein Freunde und Förderer des Horst-Janssen-Museums Oldenburg e.V., private Spender
Meistersingers Minnegabe
Luther als Singvogel, der gegen den Klerus den Schnabel aufsperrt: Frühen Ruhm brachte das Gedicht „Die Wittenbergisch Nachtigall“ 1523 seinem Verfasser ein, dem Nürnberger Schumacher Hans Sachs (1494–1576). Es markiert den Anfang einer beispiellosen Karriere, der glühende Verehrer des Reformators sollte bald zu den bekanntesten Lyrikern seines Jahrhunderts gehören.
Auf der Walz soll Sachs ein „Meistersinger“ geworden sein – wie sich die zunftartig organisierten Dichter und Sänger des 15. und 16. Jahrhunderts nannten, die sich auf die Tradition der Minnesänger beriefen. Diese wurden so legendär, dass u. a. Richard Wagner 300 Jahre später aus diesem Stoff seine Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ schuf. Über 6.000 Werke flossen zeitlebens aus der Feder von Sachs, der 1558 begann, seine Gedichte, Dramen, Schwänke, Fastnachtsspiele und Prosadialoge in einer Folioausgabe gesammelt zu veröffentlichen. Der zweiten Auflage dieser Edition entstammt das Widmungsexemplar, das nun für die Nürnberger Stadtbibliothek angekauft werden konnte. Adressatin der Widmung war Sachs’ zweite Ehefrau Barbara Endres, der er darin eine lebenslange Lektüre seiner Gedichte ans Herz legte. Einzigartig und kostbar machen den Widmungsband vier frühneuhochdeutsche Zeilen, die Sachs 1567 persönlich auf dem letzten Blatt eintrug: „ich hans sachs schenck dis erste puech mener gedicht meiner lieben Ewirtin Barbara das sie das von meint wegen pehalt vnd darin les irben lang anno salutis im 1567 jar.“ Sachs-Handschriften, die Anhaltspunkte über die Biographie des Dichters geben können, sind extrem selten und wurden seit Jahrzehnten nicht mehr zum Kauf angeboten. Der Widmungsband gehörte mindestens seit dem 19. Jahrhundert bis zu ihrer Auflösung zum Bestand der Hofbibliothek Donaueschingen. In Nürnberg ist die Freude groß über den kapitalen Zugewinn für die Meistersinger-Sammlung.
Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg, Förderverein Kulturhistorisches Museum e.V., privater Spender
Alte Schriften aus der Neuen Welt
Johann Christoph Sauer (1695 –1758) hätte sich den Umweg seiner zwölf Bibeln nicht im Traum ausmalen können, als er sie 1743 auf die Reise über den Atlantik nach Deutschland schickte. Sauer selbst hatte knapp 20 Jahre zuvor die Überfahrt in entgegengesetzte Richtung auf sich genommen, um in Germantown in Pennsylvania eine Druckerei zu eröffnen. Von Heinrich Ehrenfried Luther (1700 –1770), dem Inhaber der berühmten Egenolff’schen Druckerei und Schriftgießerei in Frankfurt am Main, bezog der Auswanderer einen Satz Drucktypen und eine Druckerpresse. Seine in deutscher Sprache verfassten Schriften avancierten schnell zu populären Medien bei den deutschen Siedlern in der Region. Auch sein berühmtestes Werk – zugleich ein kulturgeschichtlicher Meilenstein – publizierte Sauer mit Hilfe der Luther’schen Drucktypen: 1743 druckte er die Bibel auf Deutsch – die erste Heilige Schrift auf dem amerikanischen Kontinent in europäischer Sprache. Mit dem Handelsschiff „Königin von Ungarn“ schickte Sauer zum Dank zwölf Exemplare seiner druckfrischen Bibel an seinen Unterstützer in Deutschland. Doch Seeräuber kaperten mit der Warenladung auch das Dutzend deutscher Bibeln und verhökerten sie. Wie durch ein Wunder erreichten die Drucke dennoch – wenn auch erst Jahre später – ihren Adressaten Luther in Frankfurt. Ins Innere seines eigenen Exemplars klebte dieser eine gedruckte Widmung: eine Übersicht der Ereignisse der Atlantiküberquerung, handschriftlich signiert und um die Datumsnotiz 1747 ergänzt – das Jahr, in dem ihn die „zwölf Apostel der (West)Indier“, wie er die Bücher stolz nannte, schließlich erreichten. Das Historische Museum Frankfurt erwarb nun den Nachlass von Heinrich Ehrenfried Luther: 38 Drucke, darunter sein Bibelexemplar aus Amerika, und sieben Handschriften bezeugen frühe transatlantische Beziehungen und die Entwicklung der amerikanischen Publizistik.
Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Hessische Kulturstiftung, Grunelius-Stiftung, Cronstett- und Hynspergische evangelische Stiftung
Abstiegsglück
Brücke, Blauer Reiter und Bauhaus brillierten im Kunstmuseum Moritzburg an den Wänden. Dank findiger Museumsdirektoren wie Max Sauerlandt und Alois Schardt war Halle an der Saale spätestens in den 1920er-Jahren ein herausragender Ort für zeitgenössische Kunst geworden. Franz Marc, Lyonel Feininger, Paul Klee und den bereits hochgehandelten russischen Konstruktivisten Wassily Kandinsky (1866 –1944) hatten sie angekauft. Eine fortschrittliche Sammlungspolitik, die dem Haus unter den Nationalsozialisten zum Verhängnis wurde: 1937 beschlagnahmten die Nazis bei der Aktion „Entartete Kunst“ fast die gesamte hallesche Sammlung, viele der Arbeiten stellten sie kurz darauf in der Femeausstellung in München zur Schau. Zu den abgegebenen Avantgardewerken gehörte auch Kandinskys in sieben horizontale Farbebenen unterteiltes Aquarell „Abstieg“. Unwillkürlich, aber nicht von ungefähr erinnert die Komposition aus waagerechten, von einem Pfeil durchbrochenen Farbabstufungen an Arbeiten Paul Klees: Die beiden Künstler lehrten 1925, als das Werk entstand, gemeinsam den Vorkurs am Bauhaus in Weimar. Aus japanischem Privatbesitz kehrte das Aquarell nun 80 Jahre später wieder zurück an die Saale.
Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, Saalesparkasse, Land Sachsen-Anhalt