Förderungen

Graben nach Gaben

Helmgrab von Gammertingen, 6. Jahrhundert n. Chr.; © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart
Helmgrab von Gammertingen, 6. Jahrhundert n. Chr.; © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Als der Hobbyarchäologe Johannes Dorn am 15. Dezember 1902 die Grabkammer öffnet, traut er seinen Augen kaum: Gülden glänzt ein prunkvoller Helm, ein aus Eisen kunstvoll gearbeitetes Kettenpanzerhemd breitet sich vor ihm aus. Mit kostbaren Waffen und Grabbeigaben in Gold und Silber hatte man den Toten für seine Reise ins Jenseits ausgestattet. War der mit etwa 55 Jahren Verstorbene ein hochdekorierter Krieger? Der sagenhafte Reichtum legt nahe, dass es sich bei dem unberührten Grabschatz im schwäbischen Gammertingen um die letzte Ruhestätte eines rang­hohen Alamannen handelt, der im 6. Jahrhundert zu Tode kam.

Johannes Dorns Vater betrieb die Grabung noch überwiegend als lukrativen Nebenerwerb, der Sohn hingegen, mit dem Verkauf von dampfbetriebenen Landmaschinen zu Wohlstand gelangt, ging mit Leidenschaft zur Sache. Immer wieder hatte der Unternehmer verzierte Tongefäße, manchmal auch Bronze- und Bernsteinschmuck gefunden. Dorns Entdeckung der 2 × 4 m großen Holzkammer im frühmittelalterlichen Reihengräberfeld übertraf jedoch alles bisher von ihm Gefundene. Seinen spektakulären Fund, der ihn international berühmt machte, verkaufte der findige Geschäftsmann noch im Jahr der Ausgrabung an den Fürsten von Hohenzollern, der ein privates Museum im nahen Schloss Sigmaringen unterhielt. Sogar Kaiser Wilhelm II. ließ sich den Grabschatz aus der Zeit der Völkerwanderung in Berlin vorführen.

Bis heute hat das kostbarste Stück kaum etwas von seiner einstigen Pracht eingebüßt: Fein punzierte Vögel und ornamentales Blattwerk verzieren den luxuriösen Spangenhelm. Noch immer schimmert das Gold, das einst Kupfer und Eisen der gesamten Kopfbedeckung überzog. Gelangte der Helm als Beutegut oder als Gastgeschenk in den Besitz des Gammertingers? Wurde er dem alamannischen Kämpfer als Auszeichnung für seine Beteiligung an einem Kriegszug verliehen? Fest steht, dass ein byzanti­nischer Meister das Prunkstück fertigte.

Bis 2014 blieb der Schatz im Besitz der Hohenzollern, dann veräußerte das Fürstenhaus ihn an das Württembergische Landesmuseum in Stuttgart, wo er nun als herausragendes Zeugnis germanischer Geschichte die frühmittel­alterliche Sammlung bereichert.

Förderer dieser Erwerbung:
Kultur­stiftung der Länder, Museums­stiftung Baden-Württemberg

 

Oh Susanna

Als Nonplusultra fürstlicher Repräsentation bestellten im 17. Jahrhundert Fürstenhäuser kostbare Silberausstattungen für ihre Residenzen. Von handwerklicher Meisterschaft und barocker Residenzkultur zeugen die um 1670 entstandenen zweiarmigen Silberleuchter aus der Zeit des Regenten Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, die jetzt nach Celle zurückkehren. Nur wenige vergleichbare Ausstattungsschätze haben sich erhalten, da die meisten Silberar­beiten später Einschmelzaktionen zum Opfer fielen. Der Hamburger Goldschmied Friedrich Kettwyck konnte für die sog. Blaker (blaken = rußen, rauchen) das volle künstlerische Repertoire aufbieten: Umrankt vom Akanthusornament blühen Lilien und Tulpen, das vegetabile Relief hebt sich effektvoll von den glatten Flächen ab. Aus der Mitte blickt mit klassisch schönem, jugendlichen Antlitz die Heilige Susanna, die Kettwyck nach der ganzfigurigen Skulptur des Bild­hauers François Duquesnoy in der ­Kirche Santa Maria di Loreto in Rom kopierte. Die zwei Blaker aus der Welfen­residenz, zusammen über 10 kg schwer, sind mehr als nur Beleuchtungskörper: Die anspruchsvolle Ausstattung der Celler Prunkgemächer wies weit über die Landesgrenzen hinaus.

Förderer dieser Erwerbung:
Kultur­stiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, Rudolf-August Oetker-Stiftung, Niedersächsische Sparkassenstiftung, Regionalstiftung der Sparkasse Celle, Stadt Celle

 

Über die Flügel

Peter Breuer und Werkstatt, Callenberger Altar, 1512/13, 175 × 233 cm; © Grassi­museum für angewandte Kunst, Leipzig, Foto: Esther Hoyer
Peter Breuer und Werkstatt, Callenberger Altar, 1512/13, 175 × 233 cm; © Grassi­museum für angewandte Kunst, Leipzig, Foto: Esther Hoyer

Aus heutiger, dem Erhalt von Kunstwerken in möglichst originalgetreuer Form verpflichteter Sicht erscheint der Umgang des 19. Jahrhunderts mit dem Kultur­erbe erstaunlich unbekümmert: Ein Beispiel ist die verbreitete Praxis, komplett erhaltene Altarretabel zu demontieren. So geschehen mit den Flügeln des Callenberger Altars, die – seit 1861 in der Schlosskapelle im sächsischen Hinterglauchau – 1901 vom dazugehörigen Schrein durch dessen Verkauf nach Leipzig an das Grassi­museum getrennt wurden. Die Flügel mit Petrus und Paulus verblieben am Stammsitz der Familie Schönburg-Glauchau und wurden nach 1945 im Zuge der „Bodenreform“ enteignet. Eine gütliche Einigung ermöglichte nun die glückliche Zusammenführung der thronenden Maria mit dem Kind sowie Katharina und Margarethe mit den flankierenden Heiligen und beschert dem Museum einen fast vollständigen Altar des erzgebirgischen Schnitzmeisters Peter Breuer (oder Bauer) aus Zwickau, der die Figuren 1512/13 für die Katharinenkirche in Callenberg schuf.

Förderer dieser Erwerbung:
Kultur­stiftung der Länder, Sächsische Landesstelle für Museumswesen, privater Spender

 

Meister am Werk

Lyonel Feininger war überlastet.  1921 zum neuen Formmeister der Graphischen Werkstatt des Bauhauses berufen, kämpfte der Künstler nicht nur mit allerlei technischen Problemen des Druckstudios und dem Weimarer Hochschulalltag. Ein Prestigeprojekt seines Direktors Walter Gropius beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit. Stoßseufzend, aber stolz, schrieb Feininger an seine Frau: „Ich habe ganz schrecklich viel zu tun […], denn die Mappe der Bauhausmeister liegt in meinen Händen ganz und ist schließlich auch eine Schöpfung zu Ehren unserer Sache.“ Einen fünfteiligen Mappenzyklus in einer Auflage von je 110 Exemplaren mit zeitgenössischer Graphik internationaler Künstler sollte Feininger herstellen und edieren. Das Unterfangen sollte das junge Bauhaus in der Thüringer Provinz mit den Avantgarden in Frankreich, Italien und Russland verbinden, für Eigenwerbung sorgen und – nicht zuletzt – Geld in die klammen Kassen spülen: Die Werkstattpressen und Feininger standen unter Hochdruck.

Die Publikation „Neue Europäische Graphik. Erste Mappe – Meister des Staat­lichen Bauhauses in Weimar“ (1921), von der die Klassik Stiftung jüngst ein Exemplar erwerben konnte, wurde schließlich zu einem Panorama moderner Kunstgeschichte, mit Bauhaus-Positionen in Tief-, Hoch- und Flachdruck. Von der künstlerischen Vielfalt und Freiheit an der Hochschule zeugen 14 handsignierte Blätter der sieben Bauhaus-Meister: darunter eine kristalline Landschaftsabstraktion von Lyonel Feininger, eine farb-poetische Lithographie Johannes Ittens, märchenhafte Miniaturwelten Paul Klees, filigrane Radierungen Georg Muches und geometrische Menschenbilder Oskar Schlemmers.

Acht weitere Schlüsselwerke gelangen mit der „Meistermappe des Staatlichen Bauhauses“ von 1923 in die Sammlung der Klassik Stiftung. Im Zuge der Bauhaus-Ausstellung desselben Jahres gedruckt, versammelt sie weitere graphische Arbeiten der damals am Bauhaus lehrenden Meister. Bestückt u. a. mit einer aufwändig gedruckten Lithographie von Wassily Kandinsky und einer konstruktivistischen Komposition von László Moholy-Nagy, dokumentiert das Kompendium die personelle wie programmatische Weiterentwicklung der Schule. Dass gleich zwei äußerst seltene und außergewöhnlich gut erhaltene Mappen mit insgesamt 22 Drucken für das 2018 eröffnende neue Bauhaus-Museum Weimar erworben werden konnten, ist ein wahrer Glücksfall. Denn ein Großteil der in der Graphischen Werkstatt des Bauhauses entstandenen Editionen fiel dem Vernichtungswahn der Nationalsozialisten zum Opfer.

Förderer dieser Erwerbung:
Kultur­stiftung der Länder, Freistaat Thüringen

 

Grimms Briefe

© Universitätsbibliothek Kassel
© Universitätsbibliothek Kassel

„Hänsel und Gretel“, „Der Frosch­könig“ oder „Aschenputtel“: Aus zusammengetragenen Geschichten wurden weltbekannte Märchen. Die Sammel­leidenschaft der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm rettete im 19. Jahrhundert zahlreiche Urformen neuzeitlicher Erzählungen vor dem Vergessen. Aber auch die moderne Germanistik wäre um einiges ärmer, beraubte man sie um die prägende Grimm’sche Vorreiterrolle in der etymologischen Untersuchung europäischer Sprachen. Doch wie entstand der weit ausstrahlende Kosmos der „Kinder- und Hausmärchen“, wie Jacob Grimms Grundlagenforschung zum neuzeitlichen Meistersang oder sein bahn­brechendes Kompendium „Deutsche Grammatik“ von 1819 über die geschichtlichen Zusammenhänge der Sprachen Europas? Der autographe Schatz aus vierzig Jahren, die Korrespondenz der Gebrüder mit dem Verlag der Dieterich’schen Buchhandlung Göttingen – jetzt von der Stadt Kassel erworben und in der Universitätsbibliothek Kassel aufbewahrt – liefert erhellende Antworten: Details zu gestalterischen Fragen wie Illustrationen werden diskutiert, aber auch Geschäftliches wie Honorarvereinbarungen verzeichnen die 18 Briefe und 14 Schriftstücke aus der Feder Jacobs sowie 42 Briefe und 14 Schriften Wilhelms. Die Werkgenese von einigen der wichtigsten Publika­tionen der Grimms wird nachvollziehbar.

Vor dem politischen Hintergrund des Vormärz öffnet sich in der Korrespondenz der berühmten Sprachforscher auch der zeitgeschichtliche Horizont: Die Gebrüder engagierten sich in hohem Maße politisch, setzten sich unter anderem für den Zusammenschluss der Kleinstaaten zum gesamtdeutschen Nationalstaat ein. Jacob, als einer der „Göttinger Sieben“ wegen Kritik am König von Hannover des Landes verwiesen, erhielt später einen Ehrenplatz als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung von 1848.

Mit nunmehr 700 originalen Handschriften wird die Stadt Kassel als langjähriger Ort der Grimm-Forschung und mit seiner 2015 neuer­öffneten „Grimmwelt“ vollends zum Mekka aller, die tief in die Grimm’sche Märchenwelt und das sie umgebende Sprachuniversum eintauchen wollen.

Förderer dieser Erwerbung:
Kultur­stiftung der Länder, Hessische Kulturstiftung

 

Späte Früchte

Abraham Mignon, Stillleben mit Fruchtkorb, Kürbis, Melone und Pfirsichen an einer Eiche, um 1670, 87 × 59 cm; © Museum Kunstpalast, Düsseldorf
Abraham Mignon, Stillleben mit Fruchtkorb, Kürbis, Melone und Pfirsichen an einer Eiche, um 1670, 87 × 59 cm; © Museum Kunstpalast, Düsseldorf

Eine Szenerie von spektakulärer Künstlichkeit, dargestellt mit den Mitteln höchster malerischer Delikatesse: Schlaglichtartig beleuchtet, ergießen sich die Früchte des Spät­sommers aus einem Weidenkorb wie aus einem Füllhorn. Abraham Mignon (1640 –1679), Schüler des niederländischen Stilllebenmeisters Jan Davidsz. de Heem (1606 –1684) und selbst Lehrer Maria Sibylla Merians (1647–1717), entwickelte als spezialisierter Stilllebenmaler die Gattung des „sottobosco“, des Waldbodenstücks, und lässt Trauben, Pflaumen, Pfirsiche, Melonen, Mais und Getreideähren vor dem satten Dunkel des Waldes leuchten. Geschätzt von bürger­lichen wie fürstlichen Sammlern seit dem 17. Jahrhundert, führt der Weg dieses um 1670 entstandenen Gemäldes mit der Fürstenabfindung von 1924 aus der Dresdener Gemäldegalerie über eine jüdische Privatsammlung in Berlin im Jahre 1935 in die Sammlung des heutigen Museums Kunstpalast in Düsseldorf. Nach einem Vergleich mit den Nachkommen der Eigentümer bleibt Mignons Bravourstück nun in Düsseldorf.

Förderer dieser Erwerbung:
Kultur­stiftung der Länder, Land Nordrhein-Westfalen