Förderungen

Geschmackvoll

René Magritte, Le Goût de L’invisible, 1927, 73,5 × 100 cm; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe © SKK / VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto: Fischer/Kohler
René Magritte, Le Goût de L’invisible, 1927, 73,5 × 100 cm; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe © SKK / VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto: Fischer/Kohler

Was ist der Geschmack des Unsichtbaren? René Magritte (1898 –1967) thematisierte dieses reizvolle Paradox in seinem Gemälde „Le Goût de L’invisible“. Durch die Verbindung von Titel und Sujet erschuf er ein Gemälde voller Suggestion und Irritation. Wie so oft stellte der malende Denker die Sinne – insbesondere das Sehen – und die Sprache in den Mittelpunkt seiner philosophischen Kunst, entblößte, wie leicht sie zu trügen vermögen: Statt das dem Titel innewohnende Wortspiel auf­zulösen – es verweist auf den sinn­lichen Geschmack, aber auch auf die Lust am Unsichtbaren –, tragen die Bildelemente des 1927 entstandenen Gemäldes zur Verunklärung bei. Ein tiefblauer, von algenartigen Schlingpflanzen durchzogener Hintergrund erweckt den Eindruck einer Unterwasserlandschaft. Eine Art schwarzoranges Korallengewächs im vorderen Bildzentrum bleibt ähnlich uneindeutig wie die zwei konturgleichen weißen Formen, die sich zu seiner Linken und Rechten auftürmen. Der Bildvordergrund, braun wie Schlick, ist mit moosähnlichen Gebilden bewachsen. Oder handelt es sich um schwarze Wolken, die über die Bildgründe wabern? Die Les­arten des Motivs changieren ebenso wie die perspektivische Ordnung: Oben, unten, vorne, hinten, Raum und Fläche durchdringen sich. Gerade noch logisch, verrät sich der Bildraum als doppelbödig, erinnert an eine inkonsistente Traumszenerie. Eine beabsichtigte Assoziation, denn das surrealistische Leitmotiv des Traums, der das Verdrängte, Unbewusste zu Tage treten lässt, galt Magritte als Metapher des sichtbar gemachten Unsichtbaren. Die Staat­liche Kunsthalle Karlsruhe erwarb nun das Werk aus der formativen Phase des Künstlers: Kurz vor seinem Umzug nach Paris, dem Zentrum der surrealistischen Bewegung, positioniert sich Magritte bereits als virtuoser Verfremder. Nach Landschaftsinterpretationen von Max Ernst, Yves Tanguy und Joan Miró erweitert der Ankauf die Bestände des Hauses um eine weitere surrealistische Position.

Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Museums­stiftung des Landes Baden-Württemberg, Ernst von Siemens Kunststiftung

Sippe in Kette und Schuss

Bildteppich mit der Darstellung der Heiligen Sippe, Fragment, 1527, 61 × 118 cm; Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt © Kunsthandlung Rudigier / Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt
Bildteppich mit der Darstellung der Heiligen Sippe, Fragment, 1527, 61 × 118 cm; Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt © Kunsthandlung Rudigier / Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt

Ob Jesus Geschwister, Onkel und Tanten hatte, war eine der Fragen, die im Mittelalter die Gemüter vieler Kirchgänger in hohem Maße erregte. Zahlreiche Legenden rankten sich um diese Familie: Sie zeugen von der Neugier der Gläubigen, die Rätsel der Heilsgeschichte zu ergründen. Den Knotenpunkt im Verwandtschaftsgeflecht des Gottessohnes bildet die Heilige Anna, die Mutter Mariä und Großmutter Jesu. Sie erscheint auch im Zentrum des kostbaren Bildteppichs, den jüngst das Bischöfliche Ordinariat Eichstätt für das Domschatz- und Diözesan­museum erwerben konnte. Gewirkt mit linnenen Kettfäden und farbenprächtigem Schusszwirn aus Wolle und Metall, erwächst im Gewebe ein Stammbaum der Heiligen Sippe. Vor grünem Hintergrund mit eingestreuten Blüten sprießen im Rankenwerk die biblischen Figuren aus Kelchen von Eichblättern, weiße Schriftbänder mit spätgotischen Minuskeln weisen die Figuren aus: Neben den drei Ehemännern der Anna – Joachim, Cleophas und Salomas – zieren den Wandbehang mit den Aposteln Judas Thaddeus und Simon auch zwei prominente Cousins Christi. Das textile Familienporträt knüpften im Jahre 1527 die Nonnen der Eichstätter Benediktinerinnenabtei St. Walburg. Nachdem die Tapisserie mit der Auf­hebung des Klosters zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die Sammlungen der kunstsinnigen Fürsten zu Oettingen-Wallerstein überging, ist der wollene Wandschmuck nun als rares Zeugnis regionaler Webkunst wieder zurück an seiner Wirkstätte.

Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, St. Willibald-Stiftung

Die festgehaltene Zeit

Manfred Hamm, Gaswerk Potsdam mit Koksseparation und Zichorienmühle, 1995; Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte © Manfred Hamm / Museum Potsdam – Forum für Kunst und Geschichte
Manfred Hamm, Gaswerk Potsdam mit Koksseparation und Zichorienmühle, 1995; Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte © Manfred Hamm / Museum Potsdam – Forum für Kunst und Geschichte

Mit seinen außergewöhnlichen Aufnahmen von Industriedenk­mälern, Bahnhöfen und Stadtlandschaften ist er bekannt geworden, seine Bildbände tragen Titel wie „Sterbende Zechen“ oder „Tote Technik“ und zeigen die „antiken Stätten von morgen“. Als 1989 die Mauer fiel, begann der damals in West-Berlin lebende Fotograf Manfred Hamm (geb. 1944), Potsdam samt Umgebung mit der Kamera einzufangen. Still­gelegte Industriestätten und verlassene Bahnhöfe, aber auch Park­anlagen und herrschaftliche Villen waren seine bevorzugten Motive. Dabei sind seine Werke visuelle Chronik und Fotokunst zugleich: Die architektonischen Porträts sind kostbare Zeit­zeugen einer vergangenen Industrie­kultur und des Städtebaus der Region Potsdam. Wie rasant sich das Gesicht Potsdams nach der Wende verändert hat, lässt sich am Areal des Kraftwerks der Schiffbauergasse ablesen: Das 1995 von Hamm abgelichtete Gas­werk am Tiefen See spendete seit bei seiner Inbetriebnahme 1856 den Bewohnern Potsdams insgesamt über 130 Jahre Licht und Wärme. Im Laufe der Zeit immer wieder umgebaut und erweitert, wurde es 1990 als letztes seiner Art vom Netz genommen und ist heute weitgehend abgerissen. Mit dem glücklichen Erwerb des rund 10.000 Negative, Ektachrome und Originalabzüge umfassenden Potsdam-Bildarchivs von Manfred Hamm kann das Potsdam Museum nun seine fotografische Sammlung der letzten zwei Jahrzehnte komplettieren und der Öffentlichkeit einen wertvollen Rückblick in die topographische Geschichte und die städtebau­lichen Umwälzungen Potsdams bieten.

Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Land Brandenburg, Förderverein des Potsdam Museums e.V.

Buch im Beutel

Aufgeschlagenes Beutelbuch der Katharina Roeder von Rodeck © Antiquariat Dr. Jörn Günther, Basel
Aufgeschlagenes Beutelbuch der Katharina Roeder von Rodeck © Antiquariat Dr. Jörn Günther, Basel

Ein klösterliches Leben, zu turbulenter Zeit: Hautnah erlebte die Benediktinerin Katharina Roeder Anfang des 16. Jahrhunderts in ihrem Kloster Frauenalb die umwälzende Reformationszeit mit, die Unruhen des Bauernkrieges lärmten bis in die stille Klause. Ein steter Begleiter war ihr 206 Blätter umfassendes Gebetbuch im Kleinstformat von 98 × 76 mm: Das sogenannte Beutelbuch, eigenhändig mit religiösen Texten und filigranen Federzeichnungen versehen, trug Katharina Roeder von Rodeck am Gürtel vermutlich immer bei sich. So ließ sich das Buch mit den frommen Formeln nutzen, ohne den Beutel von seiner Befestigung lösen zu müssen. Die in der mittelalter­lichen Malerei häufig dargestellte Einbandform ist heute eine ausgesprochene Rarität, weltweit überdauerten lediglich 23 Beispiele. Die Badische Landesbibliothek besitzt nun eines davon, ein kostbares Zeugnis der lokalen Klosterkultur. In kräftiger schwarzer Tinte schrieb die auf Burg Rodeck geborene Nonne den Text bis 1540 mit 13 bis 16 regelmäßigen Zeilen pro Seite nieder. Indem Katharina Roeder ihr Buch selbst für den eigenen Ge­brauch illustrierte, entschied die gebildete Frau, welche Gebete sie in ihren Alltag aufnahm. Eingebettet in ein dichtes Netz aus farbig ausgefülltem Rankenwerk treten Eulen, der Tod, ein Falke sowie eine Taube auf die Szenerie. In der Mitte des Beutelbuchs erstrahlt die Miniatur einer Madonna mit Kind, von einem Lichtkranz umfangen. Ein Beutel voll badischer Frömmigkeitsgeschichte, der Religiöses mit Autobiographischem kunstvoll verschränkt. Das Kloster Frauenalb liegt im heutigen Landkreis Karlsruhe. In der Badischen Landesbibliothek, die bereits mehrere Handschriften der 1803 aufgelösten Abtei bewahrt, findet das Beutelbuch nun zurück in seinen Entstehungskontext.

Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Land Baden-Württemberg

Aus dem Leben eines Romantikers

Joseph von Eichendorff, Entwurf zu einem Brief an Achim von Arnim, Jahreswende 1810/11; Freies Hochstift Frankfurt a. M. © Freies Hochstift Frankfurt a. M.
Joseph von Eichendorff, Entwurf zu einem Brief an Achim von Arnim, Jahreswende 1810/11; Freies Hochstift Frankfurt a. M. © Freies Hochstift Frankfurt a. M.

Kaum ein Dichter war so prägend für die deutsche Romantik wie Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 –1857); Naturgedichte wie „Mondnacht“ und „Der Abend“, aber auch seine Prosa, z. B. die 1826 veröffentlichte Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“, spiegeln auf unnachahmliche Weise den freien und gefühlvollen literarischen Geist der damaligen Zeit wider. Dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt a. M. glückte nun der Ankauf einer wiederaufgetauchten Autographensammlung des Lyrikers: 218 handschriftliche Doppel- und 100 Einzelblätter versprechen spannende Einblicke sowohl in Eichen­dorffs Schaffensprozesse als auch in dessen familiäre und finanzielle Verhältnisse. Neben zahlreichen Manuskriptseiten bekannter Werke wie seinem Erstlingsroman „Ahnung und Gegenwart“, der Novelle „Das Marmorbild“, dem Calderón-Kapitel aus Eichendorffs Literaturgeschichte und Gedichten (u. a. „Im Alter“, „Memento Mori“ und „Herbst“) finden sich auch viele Korrespondenzen von und an Eichendorff. Dazu kommen schriftliche Zeugnisse aus dem Leben des Dichters und Briefe verschiedener Familienmitglieder und prominenter Zeitgenossen wie Clara Schumann und Paul Heyse. Das Konvolut geht auf Eichendorffs Sohn Karl zurück und ist damit Teil des sogenannten Wiesbadener Nachlasses, der zum Gründungsbestand des ersten Eichendorff-Museums in Neisse/Schlesien zählte. Seine Spur verlor sich in den Wirren des Zweiten Weltkrieges in Tschechien. Das Frankfurter Haus wird mit diesem wichtigen Ankauf seiner Rolle als Bewahrer deutscher Romantik­nachlässe aufs Schönste gerecht.

Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Hessische Kulturstiftung, Fritz-Thyssen-Stiftung

Mehr Sonne

August Macke, Wäsche im Garten in Kandern, 1907, 52 × 41 cm; Museum für Neue Kunst, Freiburg © Städtische Museen Freiburg / Foto: Hans-Peter Vieser
August Macke, Wäsche im Garten in Kandern, 1907, 52 × 41 cm; Museum für Neue Kunst, Freiburg © Städtische Museen Freiburg / Foto: Hans-Peter Vieser

Heiter der Ausdruck, spontan der Farbauftrag, hell die Szenerie: Im Garten seiner Schwester, die im Markgräflerland das Wirts­haus Krone betrieb, entsteht 1907 ein Schlüsselwerk in August Mackes frühem Schaffen. Die Gartenszene aus Kandern markiert den Beginn seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem französischen Impressionismus. „Ein kleines Blümchen, einen Baum oder einen Bund Spargel richtig zu sehen und wiederzugeben, erschien ihm wichtiger als das Malen von großen Bildern“, beschreibt Mackes Frau Elisabeth später die Zeit in Kandern vor den Toren Freiburgs. Von hier reiste Macke nach Paris, dort bemerkt er auf seine künstlerische Entwicklung bezogen, er habe „das Gefühl, als käme ich aus einem Krater heraus in das Sonnenlicht“. Macke lässt die melancholische Stimmung, den Ernst früherer Werke, die noch im Einfluss von Künstlern wie Arnold Böcklin stehen, zurück. Nach 20 Jahren als Dauergast der Sammlung der klassischen Moderne im Freiburger Museum für Neue Kunst stand Mackes Gemälde im Herbst 2015 zum Verkauf. Für Freiburg ist die Gartenszene auch wegen ihres regionalen Bezugs so außerordentlich wertvoll. Viel Zeit blieb nicht, und in aller Kürze schmiedete das Museum eine tatkräftige Finanzierungskoalition: So gelang es bereits einige Wochen später, das wichtige Frühwerk für die Sammlung auf einer Auktion wiederzugewinnen.

Förderer dieser Erwerbung:
Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung