Farbe als Feind

 

Restaurierung brandgeschädigter Amtsbücher, © Bayerisches Hauptstaatsarchiv
Restaurierung brandgeschädigter Amtsbücher, © Bayerisches Hauptstaatsarchiv

Der größte Feind des schriftlichen Kulturguts steckt in den Dokumenten selbst: Die Säure, die die modernen holzhaltigen Papiere langsam, aber stetig zersetzt, minderwertige Tinten oder Toner, die Akten nach einiger Zeit verblassen lassen, Fotopapier, das die Farbe verliert. Der berühmteste innere Feind des Geschriebenen ist der Tintenfraß: Dieser wird von der säurehaltigen Eisengallustinte verursacht. Bis in das 20. Jahrhundert hinein wurde die Tinte vorrangig von Schriftstellern, Komponisten und Gelehrten verwendet – daher wird sie vor allem bei der Bewahrung von Nachlässen zum Problem. Aber auch Akten, die heute in Behörden und Ministerien produziert werden, sind gefährdet, da die Schreibstoffe häufig nicht der Maßgabe der Alterungsbeständigkeit entsprechen. Für die Bestandserhalter in Archiven und Bibliotheken, die für die Bewahrung der Originale zuständig sind, eine große Herausforderung. Die KEK hat den Themenkomplex „Schrift- und Farbverlust“ daher 2014 in den Fokus gerückt und förderte bundesweit 22 Modellprojekte zur Restaurierung, Forschung und Notfallvorsorge.

Gerettet: Herausragende Manuskripte Theodor Fontanes (1819-1898)

Theodor Fontane gehörte zu den Vielschreibern. Sein Nachlass, bestehend aus mehreren zehntausend Blättern, die teils sehr dicht und bis an die Ränder beschrieben sind, zählt zu den umfangreichsten Dichternachlässen im deutschsprachigen Kulturraum. Die Stiftung Stadtmuseum Berlin bewahrt eine herausragende Sammlung an Handschriften im Umfang von 10.000 Blatt. Diese Arbeitszeugnisse sind äußerst fragil, denn Säure und Tintenfraß haben die wertvollen Bögen ernsthaft beschädigt. Mit Unterstützung der KEK wurden nun drei ausgewählte Manuskripte per Restaurierungsmaßnahme gesichert: Unterm Biernbaum, Die Poggenpuhls und Der Stechlin. Deutlich zeigen die Manuskripte, wie der Dichter Gedanken und Sprachbilder neu- und umgeschrieben und mit mehreren Buntfarben den schwarzen Tintentext überarbeitet hat. Die Restaurierung macht die Dokumente, die aufgrund des schlechten Zustands für die Nutzung gesperrt sind, wieder zugänglich. In Vorbereitung auf das Fontane-Gedenkjahr 2019 – dem 200-jährigen Geburtstag des Dichters – werden die kostbaren Autographen damit wieder ausstellungsbereit.

Erforscht: Lesbarmachung verwaschener und ausgeblichener Schrift und Farbe

Die Fachhochschule Köln stellte sich in einem Forschungsprojekt der Herausforderung, Dokumente und Akten wieder lesbar zu machen, die im Zusammenhang mit dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln verwaschen und unlesbar wurden. Viele Schriftstücke lagerten einige Zeit im Grundwasser und wurden dadurch massiv beschädigt. Die Schrift ist geradezu „ausgeblutet“ – ein Vorgang, der irreversibel ist und nicht selten Totalverlust der Textinformation bedeutet. Über herkömmliche Spektraluntersuchungen können vor allem moderne Schreibstoffe nur bedingt rekonstruiert werden. Im Modellprojekt der Fachhochschule Köln ist nun unter Einsatz neuartiger Lichtquellen und Filter erprobt worden, wie diese Textinformation wieder sichtbar gemacht werden können. Ein möglicher Ausweg aus dem Sichtbarkeitsproblem liegt in dieser Anwendung eines innovativen bildgebenden Verfahrens. Auch das Archiv der Deutschen Akademie der Naturforscher – Nationale Akademie der Wissenschaften – Leopoldina e.V. hat sich dieser Fragestellung gewidmet: Im Modellprojekt zur Wiedersichtbarmachung von ausgeblichenem Bleistift und Kopierstift wurden mittels einer bildgebenden spektroskopischen Methode exemplarisch Absorbtionen verschiedener Schreibmittel gesucht und geprüft, wie diese verblassten Schriften wieder lesbar gemacht werden können. Damit wurden ausschnittsweise Ergebnisse zu einem Problemkomplex erarbeitet, der inzwischen weite Bereiche der modernen schriftlichen Überlieferung in Gedächtnisinstitutionen betrifft.

Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) wurde im August 2011 auf Initiative des damaligen Kulturstaatsministers Bernd Neumann gemeinsam von Bund und Ländern an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingerichtet und bei der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelt. Unter der Leitung von Dr. Ursula Hartwieg widmet sie sich seitdem Fragen zur Sicherung des schriftlich überlieferten Kulturerbes in Archiven, Bibliotheken, Museen und anderen Institutionen. Insgesamt wurden über die KEK bisher 150 Modellprojekte unterstützt und hierfür vom Bund und der Kulturstiftung der Länder rund 2 Millionen Euro bereitgestellt.