Erwerbungen

Heimkehr der Goldpokale

Die Kunstwelt schaute auf Paris, die Kulturstiftung der Länder auf Alexis Kugel. Frankreichs berühmter Silberhändler saß am 24. Februar 2009 bei der Auktion der Sammlung von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé im Grand Palais und ersteigerte gegen internationale Konkurrenz die drei Spitzenstücke der vierzehnteiligen Gruppe vergoldeter Pokale aus dem einstigen Besitz des königlichen Hauses Hannover. Ein Foto der legendären exzentrischen Kunstmäzenin Marie-Laure de Noailles neben einem Tisch voll Augsburger Silberpreziosen hatte beim Modeschöpfer die Sehnsucht nach einem ähnlich ganzvollen Ensemble geweckt. Pierre Bergé indessen musste sich spontan überwältigt auf den Boden setzen, als ihm der Händler – wiederum Alexis Kugel – 1997 die Goldpokale erstmals präsentierte.

300 Jahre nachdem diese raren Beispiele norddeutscher Goldschmiedekunst das Residenzschloss Celle verließen, hat eine deutschlandweite Koalition aus Mäzenen, Stiftungen und der Politik unter Mitwirkung und Koordination der Kulturstiftung der Länder den Erwerb durch das Land Niedersachsen und damit die Rückkehr nach Celle möglich gemacht.

Leidenschaft für Lack

Rundes Tablett, Ming-Dynastie, um 1400
Rundes Tablett, Ming-Dynastie, um 1400

„Durch die Abnutzungen beim Gebrauch werden die Negoro-Lacke immer schöner“, schwärmte Sammler Klaus Friedrich Naumann. Jetzt allerdings befinden sich seine schönsten Stücke – geschützt vor weiteren Berührungen – in sicheren Vitrinen im Museum für Asiatische Kunst in Berlin-Dahlem. „Eine japanische Leidenschaft“ nannte Naumann seine Sammlung, die seit 2000 bereits in Berlin zu sehen war. Nun hat das Museum diese kostbaren Objekte ost­asiatischer Lackkunst erworben, darunter ein seltenes Regal mit Kabinett, verzierte Handtrommeln, Tabletts, Sake­flaschen, Sättel und Schwertbehälter der Samurai sowie Hutkästen, Tische und Gefäße für rituelle Waschungen. Und Naumann schenkte – auch aus alter Verbundenheit mit seiner Heimatstadt – gleichzeitig seine umfangreiche Kollektion japanischer Malerei und Keramik des 6. bis 19. Jahrhunderts dazu.

Klaus Friedrich Naumann war zu Beginn seiner Laufbahn als Sammler rasch klargeworden, dass die aus Japan professionell exportierten Lacke oft zweitklassige Ware waren. In Privatsammlungen entdeckte er auf seinen Reisen durch das Land die weitaus interessanteren Stücke, die meist zum alltäglichen Gebrauch, beispielsweise bei Teezeremonien, verwendet worden waren. Sogenannte Negoro-Lacke des 15. und 16. Jahrhunderts, „bestechend durch den Auftrag von Rotlack über Schwarzlack“, waren dabei seine liebsten Objekte. Durch Kriegsverluste und Verbringungen nach Russland um einen Großteil seines Altbestandes gebracht, kann das Asiatische Museum nun mit über 100 Arbeiten aus der Sammlung Naumann wieder an alte Glanzzeiten anknüpfen.

Anhalts Innehalten

Johann Friedrich August Tischbein, Christiane Amalie von Anhalt-Dessau mit ihren Kindern, 1798 (Ausschnitt)
Johann Friedrich August Tischbein, Christiane Amalie von Anhalt-Dessau mit ihren Kindern, 1798 (Ausschnitt)

Zärtlich schmiegen Sohn und Tochter sich an ihre Mutter. Scheu, als wolle es sich vor dem Maler verstecken, gräbt das Jüngste sein Gesicht in ihren Schoß: „Christiane Amalie von Anhalt-Dessau mit ihren Kindern.“ Kein Staatsporträt einer Herrscherfamilie hat Johann Friedrich August Tischbein 1798 hier geschaffen, sondern ein Exempel ewiger Innigkeit, wie sie der Ära der Empfindsamkeit nach Aufklärung und französischer Revolution gefallen konnte. Das Hauptwerk Tischbeins, der als einziger deutscher Bildnismaler seiner Zeit auch im Ausland Anklang gefunden hatte, war der Mittelpunkt im Porträtsaal der Anhaltischen Gemäldegalerie zu Dessau – und bleibt es auch. Denn nach der Wiedervereinigung im Zuge des Ausgleichsleistungsgesetzes an die Fürstenfamilie restituiert, konnte das Gemälde nun gemeinsam mit acht weiteren Darstellungen der Familie für das Museum erworben werden.

„O schönste aller Frauen“

Spätgotische Madonna aus der Oberlausitz, 16. Jahrhundert
Spätgotische Madonna aus der Oberlausitz, 16. Jahrhundert

„Feines, reich gewelltes Haar, volles Gesicht und schmales Mündchen, ganz dem Schönheitsideal des angehenden 16. Jahrhunderts entsprechend“ – so hat der Kunsthistoriker  Markus Hörsch die spätgotische Madonna aus der Oberlausitz beschrieben. Und er gab so dem Titel der Ausstellung recht, auf der die Skulptur bis Ende März dieses Jahres zu sehen war: „O schönste aller Frauen. Lausitzer Madonnen zwischen Mystik und Reformation“. Im Kontext und im Vergleich mit diesem Ensemble spätgotischer Madonnen traten die Eigentümlichkeiten und Besonderheiten der Madonna aus der Oberlausitz besonders deutlich zutage: Sei es die würdige Schönheit der Gottesmutter, die grobe Schnitztechnik und Lebendigkeit des Jesuskindes oder die goldene Fassung, die auf einen anspruchsvollen und wohl­habenden Auftraggeber hinweist. So war man stolz und glücklich, auf der Finissage am 29. März verkünden zu können, dass der Ankauf der Skulptur gelungen war. Dass die Madonnenfigur, die wahrscheinlich jahrzehntelang im Dachboden oder Keller eines Privathauses gelegen hatte, überhaupt im Bamberger Kunsthandel auftauchte, stellt einen Glücksfall für die Städtischen Museen Zittau dar. Denn angesichts hoher kriegsbedingter Verluste ist mittelalterliche Kunst aus der Oberlausitz nur selten auf dem Kunstmarkt zu erwerben.

Als Renaissance in Augsburg war

Lange hatte es gedauert, bis die Renaissance den Weg von Italien nach Deutschland zurückgelegt hatte. Erst Anfang des 16. Jahrhunderts, als in Italien die Hochrenaissance bereits in voller Blüte stand, schien die neue Kunst- und Weltanschauung auch nördlich der Alpen auf: Süddeutschland war Zentrum der Geldwirtschaft, und die engen Handelsbeziehungen der Familien Fugger und Welser mit Italien beförderten auch den geistigen und kulturellen Austausch. So ist es kein Zufall, dass die Familien­kapelle der Fugger in der Kirche St. Anna in Augsburg als erstes Renaissance-Bauwerk Deutschlands gilt.

Zeugnis dieser Entwicklung legen auch zwei Altartafeln des Augsburger Malers Leonhard Beck ab – Darstellungen von Jesus im Tempel und dem Tempelgang Mariens. Es ist wahrscheinlich, dass die Kaufmanns- und Bankiers­familie Fugger auch Auftraggeberin dieser Gemälde war, die ursprünglich einen heute verlorenen Schrein in der Fuggerschen Kapelle der Dominikanerkirche in Augsburg eingefasst hatten. Mit ausgeprägtem Sinn für atmosphärische Details und bürgerlichen Habitus hat Leonhard Beck in den Tafeln Motive aus Dürers „Marienleben“ verarbeitet. Luftig und spannungsvoll sind die Figuren gruppiert, die präzise gezeichnete Architektur und Komposition erschließt durch verwinkelte Blickführung eine große Bildtiefe. So gelten die Tafeln als malerisches Gegenstück zur Architektur der berühmten Kapelle in St. Anna.

Die Bayerischen Staatsgemälde­sammlungen haben diese Gemälde nun erworben und präsentieren sie in ihrer Zweiggalerie, der Staats­galerie Altdeutsche Malerei in der Augsburger Katharinenkirche, wo sie sich bereits seit 1978 als Leihgaben aus Privatbesitz befanden. Damit bleiben die Altartafeln an dem Ort, an dem sie ursprünglich entstanden sind. Und Augsburg ist um ein Werk reicher, das von den Anfängen der Renaissance in Deutschland berichtet.

Tischkultur im hohen Norden

Johann George Hossauer, Vorlegeplatte, vermutlich um 1837
Johann George Hossauer, Vorlegeplatte, vermutlich um 1837

Gold und Silber gehören seit jeher zur Repräsentanz der höchsten höfischen Verfeinerung: der Tafelkultur. Über Jahrhunderte hinweg kauften auch die Herzöge und Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin repräsentative Objekte in den Goldschmiedemetropolen Europas. Arbeiten aus wertbeständigen Edelmetallen waren jedoch aus naheliegenden Gründen ebenso beliebt wie gefährdet: War die Form erst aus der Mode gekommen oder der Fürst in Geldnot, wurden sie häufig umgearbeitet oder eingeschmolzen und so in bare Münze umgewandelt. So dezimierte sich auch der Bestand in Mecklenburg erheblich, und das noch Vorhandene befindet sich heute überwiegend im Privatbesitz der herzoglichen Familie. Das Staatliche Museum Schwerin dagegen hat hier manche Sammlungslücke, die man durch systematische Ankäufe zu schließen versucht.

Innerhalb weniger Monate ist es dem Museum nun gelungen, gleich zwei imposante Stücke eines ursprünglich sehr umfangreichen Tafelservices aus dem 19. Jahrhundert auf Auktionen in Berlin zu erwerben. Das Ensemble aus vergoldetem Silber im Neo-Rokoko-Stil war vermutlich um 1837 anlässlich der Thronbesteigung Herzog Paul Friedrichs bei dem Berliner Johann George Hossauer bestellt worden, einem der führenden Goldschmiede seiner Zeit. Sowohl die Terrine als auch die reich verzierte Vorlegeplatte sind in ihrer opulenten Formensprache charakteristisch für die höfische Tafelkultur der Jahrhundertmitte, wo Klassizimus und Biedermeier einem beginnenden Historismus Platz gemacht hatten.

Ebenfalls auf Berliner Auktionen konnten zwei kostbare Porzellanteller mit topographischen Ansichten aus Mecklenburg für den Bestand des Staatlichen Museums ersteigert werden. Mit ihrer feinen Veduten-Bemalung ergänzen sie die Schweriner Sammlung von Porzellanen der Königlichen Porzellan-Manufaktur auf glückliche Weise. Im Schweriner Schloss, dem Höhepunkt des norddeutschen Historismus, werden alle vier Objekte ihren Platz erhalten.

Der Kosmos des Barock auf einem Glas

Andreas Friedrich Sang, Glaspokal, 1730
Andreas Friedrich Sang, Glaspokal, 1730

Ein prächtiges Lustschloss, geometrisch angelegte Gärten, Brunnen und Wasserspiele, in Form gezwungene Hecken, schnurgerade Wege und gepflegte Teppichbeete fügen sich zu einer ebenso harmonischen wie gestrengen Anlage, in der neben Menschen und Tieren auch der heilige Paulus und der griechische Gott Apollo heimisch sind: So sieht sich der Adel im 18. Jahrhundert und so zeigt er sich auch gern.

Diese Szene hat der Weimarer Hofglasschneider Andreas Friedrich Sang 1730 auf die Oberfläche eines Glaspokals gebannt. Auf nur wenigen Quadratzentimetern berichtet die hochfein ausgeführte Darstellung von der absolutistischen Weltanschauung des Barock: Der Garten war das Spiegelbild der Staatskunst, das elegante Anwesen Abbild der gottgefälligen, geordneten Regierung. Selbstbewusst berief man sich zugleich auf die Kraft und Schönheit griechischer Mythologie sowie auf die Frömmigkeit der christlichen Kirche.

So könnte auch der neue Standort des Weimarer Glaspokals nicht besser gewählt sein: Seit kurzem steht er im Schloss Belvedere in Weimar, einem barocken Lustschloss par excellence. Dort bereichert er die Sammlung historischer Gläser – im östlichen Kuppelsaal der Beletage so eingerichtet, dass die Schnittkunst bei natürlichem Gegenlicht in allen Details betrachtet werden kann. Auch die Qualität der Gravur von Andreas Sang, die fein gearbeiteten Bordüren und lebendigen Figuren­darstellungen, werden auf diese Weise vor Augen geführt. Letztlich ist es neben aller kunsthandwerklichen Könner­schaft und kunsthistorischen Bedeutung auch die Erzählkraft des Weimarer Pokals, die ein neues Glanzlicht in der Glassammlung auf Schloss Belvedere setzt.