Eine Dynastie prägt Europa

Über 20 Jahre hatten die Brüder Ernst und Albrecht ihr väterliches Erbe bereits gemeinsam regiert. Doch dann war Schluss: Im November 1485 besiegelten die Kurfürsten und Herzöge von Sachsen das Ende und unterzeichneten in Leipzig den Teilungsvertrag. Dieser mutige Schritt hatte nicht nur territoriale Konsequenzen: Aus dem bedeutenden und traditionsreichen Adelsgeschlecht der Wettiner gingen dauerhaft die Dynastien der Albertiner und Ernestiner hervor. In den einstigen Residenzstädten Gotha und Weimar widmet Thüringen letzteren nun eine umfassende Landesschau, die das politische und kulturelle Wirken des Fürstenhauses zwischen Reformation und Revolution vorstellt. Auf mehr als 4.000 qm präsentiert die u. a. von der Kulturstiftung der Länder geförderte Ausstellung hochkarätige Exponate aus mehr als vier Jahrhunderten thüringischer und europäischer Geschichte und rückt damit das einst mächtige, heute fast vergessene Adelsgeschlecht wieder in das öffentliche Bewusstsein.

J. F. Löber, Theaterszene mit Friedrich III. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg, um 1751 © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
J. F. Löber, Theaterszene mit Friedrich III. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg, um 1751 © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

Wie gelangten die Ernestiner zu politischem Einfluss? Wie sicherten sie ihre Position im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, insbesondere nach dem Verlust der Kurwürde im Jahre 1547? Die herrschaftlichen, religiösen und finanziellen Ziele stets im Blick, verfolgten die Ernestiner eine ausgeklügelte Heiratspolitik, die es ihnen ermöglichte, wichtige Verbindungen zu einflussreichen Dynastien zu knüpfen. Bis heute befinden sich unter den europäischen Monarchen Nachkommen des ruhmreichen Adelsgeschlechts – sogar die britische Königin Elizabeth II. zählt zu ihnen. Eine ebenso große Rolle für das Schicksal und Selbstverständnis des Herrscherhauses spielte die Reformation. Als Hüter des „wahren Luthertums“ trugen die Ernestiner wesentlich zur Verbreitung des protestantischen Glaubens bei. Doch nicht nur theologische Fragen trieben die Ernestiner um: Schon seit dem frühen 16. Jahrhundert verschrieben sie sich der Wissenschaft, erforschten die Naturgesetze, gründeten Universitäten und bauten Wissensspeicher kontinuierlich aus. Vom nachhal­tigen wissenschaftsfördernden Engagement legen die Universität in Jena, die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar und die Sternwarte in Gotha ein beeindruckendes Zeugnis ab. Als weiteres Merkmal der ernestinischen Politik thematisiert die Thüringer Landesaus­stellung die Förderung von Kunst und Kultur. Die Fürsten standen in regem Kontakt zu Malern, Bildhauern und Komponisten, zudem wurden Theater begründet, wie das barocke Ekhof-Theater auf Schloss Friedenstein samt inno­vativer Bühnenmaschinerie, und die Grundlagen für die heutigen musealen Sammlungen mit kostbaren Kunst­schätzen geschaffen. Die einzelnen Höfe waren eng miteinander vernetzt und tauschten sich über alle Landesgrenzen hinweg intensiv aus. So schufen die Kleinstaaten die Grundlage für eine einzigartige und – wie die Schau beweist – bis in die Gegenwart erfahrbare kulturelle Vielfalt Thüringens.

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