Kunst und Geschichte
Liebe Leserin, lieber Leser,
wohl selten in der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts lagen Aufstieg und Fall, Ruhm und Vergessen so nah beieinander wie bei Reinhold Begas. Angetreten als Erneuerer der Plastik, gefeiert als Befreier der Form aus den Dogmen des Klassizismus und hiernach mit dem Auftrag des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals endgültig zum wilhelminischen Staatsbildhauer schlechthin aufgestiegen, sollte eben diese Rolle dem Meister schließlich zum Verhängnis werden.
War schon bei seinem Tode 1911 das Interesse an seiner Kunst weitgehend erlahmt (modern waren längst Konzentration und Strenge eines August Gaul), so folgte mit dem Ende der Monarchie dem Vergessen eine regelrechte Verdammnis – zu sehr war der Name Begas mit dem Pomp und Protz des Kaiserreiches verbunden, als dass man sich ihm vorurteilslos als Künstler nähern konnte. Noch 1990, als Begas’ Spätwerk „Der gefesselte Prometheus“ nahezu unversehrt in den Ruinen des alten Akademiegebäudes am Pariser Platz geborgen wurde, begegnete man diesem Fund eher mit Skepsis als mit Freude. Der heutige Platz des Werkes im neuen Akademiegebäude von Günter Behnisch, wo es im Hinterausgang zur Behrenstraße fast schamhaft eher ab- als aufgestellt ist, legt Zeugnis dieser Befangenheit ab, die ihre Gründe in der Geschichte hat.
So war es ein großes Verdienst des Deutschen Historischen Museums Berlin im vergangenen Jahr, dem lange vergessenen Bildhauer eine Ausstellung zum 100. Todestag gewidmet zu haben, zu der auch das Werkverzeichnis des Künstlers von der Hand der bewährten Spezialistin Jutta von Simson erschienen ist. Einen „deutschen Rodin“ hat dieses Unterfangen, wie von manchem Begas-Freund erhofft, aus dem Bildhauer zwar nicht gemacht, gleichwohl aber neues Licht auf eine beachtliche Künstlerkarriere geworfen, in deren Zentrum ein unbestreitbares Talent gestanden hat. Insbesondere das Frühwerk von Begas lässt hier Erstaunliches erleben; gleiches gilt für seine Porträtskulpturen, denke man nur an seine großartige Bildnisbüste von Adolph Menzel, die sich heute in der Alten Nationalgalerie in Berlin befindet. Und noch etwas brachte jene Schau in die Erinnerung zurück: dass Begas Spross und Teil einer Familie war, die zu den großen Künstlerdynastien des 19. Jahrhunderts zählt und Maler wie Bildhauer hervorgebracht hat, die zu ihrer Zeit begehrt und gefeiert – und doch vom Kanon des frühen 20. Jahrhunderts hinweggespült wurden.
So freut es uns in der Kulturstiftung der Länder sehr, dass mit dem Begas Haus in Heinsberg in der Nähe von Aachen nun ein Museum für die Kunst der Familie Begas entstehen wird, für dessen Sammlung wir – insbesondere auch mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung – einen wichtigen Beitrag leisten konnten. Lesen Sie also von all den Werken von Reinhold, Carl und Oscar Begas, die wir für Heinsberg sichern konnten – und hinter denen manch ungewöhnliche Erwerbungsgeschichte steckt.
Mir bleibt, Ihnen eine schöne Frühlingszeit zu wünschen und Uta Baiers Porträt des Malers Eduard Bargheer zur Lektüre zu empfehlen, mit welchem wir Ihnen nur eine der vielfältigen Facetten in der Künstlergeschichte der Hansestadt Hamburg vorstellen möchten.
Ihre Isabel Pfeiffer-Poensgen