Die Rückkehr der Moderne

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie aufgeschlossen, kosmopolitisch und reich waren Deutschlands Museen vor dem Zweiten Weltkrieg! Kein Land in Europa hatte so viele öffentliche Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Mutig kämpften Museumsmänner wie Max Sauerlandt, Hugo von Tschudi oder Ludwig Justi für die Kunst ihrer Gegenwart, oft Anfeindungen heute kaum vorstellbarer Häme ausgesetzt – und oft sogar in ihrer beruflichen Existenz bedroht. Und dann der Gipfel der reaktionären Kulturverachtung 1937. Nie haben sich die deutschen Museen von der Aktion „Entartete Kunst“ erholt, als Bilder zu Zehntausenden verschleppt, verkauft und vernichtet wurden.

Die Museen in Ostdeutschland traf es dabei doppelt hart. Denn während manches Haus im Westen nach 1945 das ein oder andere verlorene Werk zurückerwerben konnte, waren die Häuser jenseits der deutsch-deutschen Grenze alsbald vom internationalen Kunstmarkt ebenso abgeschnitten wie mitunter vom sozialistisch-realistischen Kulturdiktat in ihrer Entwicklung eingeengt.

Und welche Offenheit hatte doch gerade in Ostdeutschland geherrscht? Der Jugendstil in van de Veldes Villen, das Bauhaus in Weimar und Dessau, die Gründung der „Brücke“ in Dresden – und Lyonel Feininger in Halle. Keinen Geringeren als eben den Meister expressionistischer Stadtlandschaften hatte die Stadt als „Artist in Residence“ an die Moritzburg geladen, wo dieser eine Folge von Bildern schuf, die als „Halle-Serie“ in die Sammlung der Stadt wie in die Kunstgeschichte eingegangen sind. Doch nur zwei der elf Bilder rettete Halle über das Dritte Reich.

Wie groß war daher die Überraschung, als 2006 das lange verschollene Gemälde „Roter Turm I“ aus der Halle-Serie unvermittelt auf einer Auktion auftauchte! Nach dreijährigen Verhandlungen unter der Federführung der Kulturstiftung der Länder kommt das Bild nun in die Moritzburg zurück. Grund genug, den Schwerpunkt unserer Herbstausgabe von Arsprototo Lyonel Feininger und seiner Rückkehr in ein ostdeutsches Museum zu widmen.

Und noch ein weiteres Ereignis für die dortigen Museen gibt es zu feiern: Der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder, der Restaurierungen von Kunstwerken in Ostdeutschland unterstützt, begeht in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum – rund 1,5 Millionen Euro hat er seit seiner Gründung investiert. Bernhard Schulz und Oliver Mark lassen zehn Jahre Förderer und Förderungen Revue passieren.

Viele Leserinnen und Leser haben uns zum neuen Layout von Arsprototo gratuliert. Ihnen allen einen herzlichen Dank dafür! Mir bleibt, Ihnen und Ihren Familien einen schönen Herbst zu wünschen – und in diesem Heft Robert von Lucius‘ Reise durch Thüringen zu empfehlen, das Land, das wir in dieser Ausgabe porträtieren möchten.

Ihre Isabel Pfeiffer-Poensgen