Unter dem Titel „Kulturpolitische Strategien für den ländlichen Raum – Standortfaktoren für eine dynamische Kulturlandschaft“ sind am 16. Mai 2022 die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Dritten Berliner Kulturfrühstücks in der Vertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zusammengekommen. Zu der Veranstaltung in der Landesvertretung hatten das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern und die Kulturstiftung der Länder eingeladen.
Mit dem Berliner Kulturfrühstück hat die Kulturstiftung der Länder 2019 ein Format ins Leben gerufen, das den Ländern die Möglichkeit bietet, kulturpolitische Themen, Initiativen oder Projekte vorzustellen, die für sie eine besondere Bedeutung haben und darüber hinaus auch länderübergreifend eine Rolle spielen beziehungsweise von Interesse sein könnten. Das gemeinsam von der Kulturstiftung der Länder und den Landesvertretungen organisierte informelle Frühstück soll der Darstellung von Entwicklungen der jeweiligen Landeskulturpolitik in Berlin dienen und zur weiteren Beschäftigung mit den Themen sowie zur Vernetzung zwischen den anwesenden kulturpolitischen Akteuren anregen.
Staatssekretärin Jutta Bieringer, Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund, und Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, begrüßten die Bundestagsabgeordneten und die Vertreterinnen und Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenverbände. Nach einem Grußwort der Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Bettina Martin, folgten Impulse von Christine Wingert, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Kulturpolitik (IfK), und Frauke Lietz, Kulturmanagerin mit eigenen Projekten im ländlichen Raum, die als Grundlage für die anschließende Diskussion mit allen Gästen dienten.
In Mecklenburg-Vorpommern leben 60 Prozent der Menschen im ländlichen Raum. Hier ist die Kultur vielfältig und − wie in so vielen anderen ländlichen Regionen Deutschlands auch − oft ehrenamtlich organisiert. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass es ein integriertes Entwicklungskonzept braucht, das die Kulturarbeit als ressortübergreifende Aufgabe von Politik und Verwaltung versteht und dementsprechend umsetzt.
Dies betonte auch Ministerin Bettina Martin in ihrem Grußwort: „Im übertragenen Sinne wollen wir mit integrierter ländlicher Entwicklung bestehende politische, geographische und verwaltungsrechtliche Systemgrenzen überwinden. Kultur kann dabei durch die interdisziplinäre Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Kultur wichtige Anregungen und Impulse liefern. Unkonventionelle Herangehensweisen – und die gehören in Kunst und Kultur ja quasi zur DNA – weiten die Perspektive über wirtschaftliche und politische Fragen hinaus. Es geht also darum, Fach- und Disziplinen-übergreifend zu arbeiten. Und dabei muss das Ziel einer integrierten ländlichen Entwicklung sein, konkreten Bezug auf die Fragen und Interessen der Menschen vor Ort zu nehmen.“
Christine Wingert stellte in ihrem Impuls die aktuelle Studie des IfK „Kulturpolitik und Kulturförderung für ländliche Räume“ vor, die von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert wird (2019–2023). Die Studie fokussiert die Kulturpolitik der Länder für „ihre“ ländlichen Räume. Neben einigen Fragen, die in bundesweiter Perspektive beantwortet werden sollen, werden fünf Bundesländer vertieft betrachtet: Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Ziel der Studie ist es, die aktuellen Leitbilder, Strategien und Programme der Bundesländer zur Förderung von Kultur in ländlichen Räumen vor dem Hintergrund der Diversität ländlicher Räume zu vergleichen und zu systematisieren. Lesen Sie hier den Impuls von Christine Wingert.
Auf Grundlage der ersten Studienergebnisse sagte Wingert zu den Möglichkeiten kulturpolitischer Strategien im ländlichen Raum: „Die Vielfalt des bürgerschaftlichen Engagements bis hin zu professionellen Künstlerinitiativen in Vereinsform zu berücksichtigen, ist keine einfache kulturpolitische Aufgabe. Ein wichtiges Instrument sind landesweite Kulturdialoge, die auch regionale Formate einschließen und somit auch Themen im Bereich kulturelle Entwicklung ländlicher Räume aufgreifen. Primär geht es um den Dialog zwischen Politik und Verwaltung mit Kulturakteuren, aber in einigen Ländern wird dezidiert der Dialog mit den Kommunen organisiert. Auch Unternehmen und Akteure anderer Ressorts wie Bildung, Regionalentwicklung und Tourismus werden je nach Ausgangsbedingungen im Land für wichtig erachtet.“
Frauke Lietz zeigte anhand von konkreten Beispielen, welche Vielfalt an Kunst- & Kulturinitiativen – insbesondere in den ländlichen Räumen – zu bieten hat, darunter das Forschungszentrum für interdisziplinäre Kunst Schloss Bröllin e.V., die Opernale e.V. oder die Initiative KunststückGARTEN. Lietz: „Künstler*innen und Kunstschaffende engagieren sich – über ihre eigentliche Arbeit hinaus – in unterschiedlichsten Bereichen: von Kursangeboten für Kinder und Jugendliche oder Senioren bis hin zum Erhalt von Burgen und Herrenhäusern als Kultur- und Begegnungsorte.“ Lesen Sie hier den Impuls von Frauke Lietz und erfahren Sie mehr über die vorgestellten Beispiele.
Als wichtiges Instrument zur gegenwärtigen und künftigen Gestaltung von Kunst und Kultur wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung die Kulturpolitischen Leitlinien für Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt. Diese wurden in der 7. Legislaturperiode 2016-2021 in einem breiten Beteiligungsprozess entwickelt und im September 2020 veröffentlicht. Die unter anderem auf Regional- und Fachkonferenzen erarbeiteten umfänglichen Impulse wurden in einem Prozess gemeinsamer Willensbildung vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und dem Landeskulturrat des Landes Mecklenburg-Vorpommern in insgesamt zehn Leitlinien zusammengefasst. Erhalt, Pflege und Weiterentwicklung der Kulturlandschaft sind der Kern der kulturpolitischen Leitlinien. Sie sollen die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur stärken, die Freiheit der Kunst – auf Grundlage von Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes – betonen, ebenso wie die Verbindlichkeit beim Umgang mit Kunst und Kultur als gemeinschaftliche Aufgabe von Land, Gemeinden und Kreisen.
Auch Ministerin Martin ging auf die Kulturpolitischen Leitlinien und ihre Bedeutung für einen umfassenden und dynamischen Landschaftswandel, der die Vielfalt des kulturellen Erbes im besiedelten und unbesiedelten Raum erhält, ein. Abschließend sagte sie: „Wir wollen Strukturen im ländlichen Raum untereinander und mit den Zentren bzw. ‚Leuchttürmen‘ vernetzen. Die kulturellen Akteure wollen wir bedarfsgerecht vor Ort professionell beraten, Kooperationen und kulturelle Angebote flexibel unterstützen. Im Sinne der integrierten ländlichen Entwicklung sollen zugleich ästhetische und funktionale Lösungen zusammengedacht und erarbeitet werden. Darin liegt eine Chance, die Kultur als Bestandteil des Alltags und Lösungsmöglichkeit gesellschaftlicher Herausforderungen zu stärken.“