Späte Ankunft in Dresden

Ein Hauch von Italien an der Elbe: Das Gemälde „Tempel der Sibylle bei Tivoli” aus den 1770er Jahren, ein Frühwerk des Landschaftsmalers Jakob Philipp Hackert (1737–1807), konnte von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden für die Ge­mäldegalerie Alte Meister mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder erwor­ben werden. Im Zuge der Enteignungen im Rahmen der sogenannten Bodenreform in der sowje­tischen Besatzungszone 1945/49 kam das Bild in den Besitz der Staat­lichen Kunst­sammlungen Dresden, seitdem war es im Kunstgewerbemuseum Schloss Pillnitz zu sehen. In den 1990er Jahren wurde es an die ursprünglichen Eigen­tümer, eine sächsische Adelsfamilie, restituiert; durch die Belegung mit Nieß­brauch war es auch weiterhin für die Öffentlichkeit in Schloss Pillnitz zu sehen. Jetzt konnte das Werk nach konstruktiven Verhandlungen mit den Eigen­tümern dauerhaft für die Gemälde­galerie Alte Meister angekauft werden und bildet dort einen Höhepunkt der Sammlung: Mit weiteren Landschaftsbildern des 18. Jahr­hunderts schlägt es die Brücke zu den romantischen Landschaftsdar­stellungen der Galerie Neue Meister.

Der Rundtempel der Sibylle nahe Tivoli war im ausgehenden 18. Jahrhundert ein beliebtes Motiv. Malerisch in die Natur eingebettet, erhebt er sich aus der Land­schaft. Vom rechten Bildrand ragt – als Sinnbild dafür, dass die Natur ebenso wie die von Menschen erschaffene Kultur einem ewigen Kreislauf des Vergehens unterliegt – ein abgestorbener Baum der Tempelruine entgegen. In der Bildmitte sind Ziegen zu erkennen, die hier als Paradox fungieren: Der geschichtsträchtige Ort wurde der Banalität des ländlichen Schäferalltags unterworfen – einst war er Sitz der Götter, jetzt ist er ein Ort der Hirten.

Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts genoss die Dresdner Gemäldega­lerie den Ruf, einen der reichsten Kunstschätze Europas zu beherbergen. Doch nach der Niederlage Sachsens im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) verlor der Hof in Dres­den an Bedeutung. Auch die Zeit exquisiter Kunstankäufe war erst einmal passé – somit blieben die Werke Jakob Philipp Hackerts, der im späteren 18. Jahr­hundert zu einem international bedeutenden Landschaftsmaler avancierte, in Dres­den deutlich unterrepräsentiert.

Ende der 1760er Jahre zog es den Künstler nach Italien: Von dort machte sich der Klassizist durch seine idealen Landschaftsbilder in Europa einen Namen – sowohl der englische Landadel als auch der russische Zarenhof goutierten seine Werke. 1786 wurde Hackert Hofmaler von König Ferdinand IV. von Neapel. Die Wert­schätzung der Kunst Hackerts zeigt sich auch in der posthum veröffentlichten Biografie des Malers, die von Goethe ediert wurde.