Die Revolution der Bilder
Liebe Leserin, lieber Leser,
die fotografische Technik könne ihren Produkten einen „magischen Wert“ geben wie kein gemaltes Bild ihn mehr besitzen könne, prophezeite Walter Benjamin 1931 in seiner „Kleinen Geschichte der Photographie“. Denn nurmehr das mechanische Abbild des Menschen trage noch jenes auratische Etwas in sich, das „nicht zum Schweigen zu bringen“ sei, „unbändig nach dem Namen derer verlangend, die da gelebt“ hätten und „niemals gänzlich in die Kunst“ würden eingehen wollen.
Nun, das Ende der Malerei – wie von vielen einst befürchtet – hat die Fotografie uns nicht gebracht. Aber Benjamins Lob der Fotografien August Sanders wie auch der Bildsprache von russischem Film und Fotografie, die Menschen vor die Kamera brachten, „die für ihr Photo keine Verwendung“ hatten und damit die Konventionen der Repräsentationsfotografie überwanden, zeigt, welch großes, befreiendes und nicht zuletzt auch politisch-ideologisch nutzbares Hoffen auf Zukunft und Wahrhaftigkeit man dem Medium der Fotografie zumaß.
Nicht von ungefähr sind Fotografien, noch dazu vom Antlitz Namenloser, zu den Schlüsselbildern des kollektiven Gedächtnisses im 20. Jahrhundert geworden: vom kleinen, die Hände hebenden Jungen im Warschauer Ghetto über den Springer über den Stachel-draht beim Berliner Mauerbau bis hin zur verzweifelten Flucht eines nackten Mädchens während des Vietnam-Krieges.
Die Kulturstiftung der Länder hat in der Vergangenheit oft geholfen, bedeutende Konvolute von Fotografen wie Albert Renger-Patzsch, August Sander oder Bernd und Hilla Becher zu erwerben – allesamt für Köln, das sich mit dem Museum Ludwig und der SK Stiftung Kultur besonders der Bewahrung unseres fotografischen Erbes verschrieben hat.
Zwei Neuerwerbungen – für München und wiederum für Köln – sind uns daher willkommener Anlass, die Winterausgabe von Arsprototo dem Thema Fotografie zu widmen: Während das Deutsche Theatermuseum in München das Archiv der großen Theaterfotografin Oda Sternberg für seine Sammlung sichern konnte, zeigt das Museum Ludwig noch bis zum 31. Januar 2010 seinen jüngsten Neuzugang – die spektakuläre Sammlung Daniela Mrázkowá mit 234 Fotografien der bedeutendsten russischen Fotografen der Revolutions- und Vorkriegszeit.
Stolz und glücklich ist die Kulturstiftung der Länder über das Jubiläum unserer Bildungsinitiative Kinder zum Olymp! Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass sich unser Vorhaben, Schulen und Kultur einander näherzubringen, zu einer unserer größten Erfolgsgeschichten entwickeln sollte! Grund genug, die vergangenen Jahre und einige vorbildliche Projekte aus dieser Zeit ab Seite 42 Revue passieren zu lassen.
Mir bleibt, Ihnen und Ihren Familien eine schöne Weihnachtszeit und einen ebensolchen Jahreswechsel zu wünschen – und Ihnen in diesem Heft ab Seite 52 Thomas Wagners Reise durch Rheinland-Pfalz zu empfehlen, das Land, das wir in dieser Ausgabe porträtieren möchten.
Ihre Isabel Pfeiffer-Poensgen