Die Monumentalität des Minimalen
Mit der Erwerbung von 75 herausragenden Originalfotografien Karl Blossfeldts bereichern die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen entscheidend ihre vor 10 Jahren gegründete Sammlung Fotografie in der Pinakothek der Moderne: Die 75 Vintage-Prints aus der Sammlung Ann und Jürgen Wilde gehören zu dem einzigartigen Werk von Pflanzenaufnahmen, die seit den 1890er Jahren bis zu Blossfeldts Tod 1932 in Stil und künstlerischer Gestaltung die moderne Fotokunst entscheidend beeinflussen sollten. Die Kulturstiftung der Länder, die Ernst von Siemens Kunststiftung und der Freistaat Bayern unterstützten den Ankauf.
Nachdem im Kaiserreich Historismus, Neubarock und Neuromanik teilweise überbordende Schöpfungen von Malerei, Architektur und Wohnkultur hervorgebracht hatten, folgte die maximale Abkehr von diesen Kunstformen: Die formale Klarheit und sachliche Eleganz, aber auch die Unergründlichkeit der Pflanzenwelt mit ihren mythischen und fabelhaften Assoziationen avancierte zum Arsenal des Jugendstils, der in seiner zunächst floralen, später linearen Ausprägung die Angewandte Kunst revolutionierte. Daran nicht unwesentlich beteiligt war die Erfindung der Fotografie, deren technischen Hervorbringungen Walter Benjamin einen „magischen Wert“ zuschrieb, wie ihn kein gemaltes Bild mehr besitzen könne. Die Fotokamera eröffnete mit ihren Möglichkeiten neue Wege für die Durchdringung von Wirklichkeit. So erlangte die Fotografie bald selbst den Rang von Kunst und einer ihrer wichtigen Protagonisten war Karl Blossfeldt. Was der Fotograf ursprünglich als Dokumente für die Kunsterziehung seines Förderers, des Hochschullehrers Moritz Meurer, an der Königlichen Kunstgewerbeschule in Berlin schuf, zählt heute zu den Ikonen der Neuen Sachlichkeit.
Karl Blossfeldt (1865–1932) gehört international zu den herausragenden Fotografen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Pflanzenstudien zählen zu den Schlüsselwerken der „Neuen Fotografie“. Nicht zuletzt durch die Veröffentlichung seines Werks „Urformen der Kunst“ mit sachlichen, detailreichen und auf starke Vergrößerung angelegten Fotografien wurde Blossfeldt mit August Sander und Albert Renger-Patzsch zum Wegbereiter der Neuen Sachlichkeit.
Das weltweit einzigartige Konvolut aus 75 Vintage-Fotografien Blossfeldts (Gelatinesilber-
Abzüge von der Hand des Künstlers), zwischen 1898 und 1932 entstanden, stammt aus dem Nachlass des Fotografen. Ann und Jürgen Wilde hatten bereits im Jahr 2010 ihre Sammlungen und Archive zur Fotografie des 20. Jahrhunderts in eine Stiftung überführt, die den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen angegliedert ist. Dort ergänzen nun Blossfeldts Inkunabeln der Fotokunst aufs schönste eines der bedeutendsten Fotografen-Archive des 20. Jahrhunderts.