Dialog der Konfessionen

Anno Domini 1542: Die Christenheit im sächsischen Naumburg ist in Aufruhr. Die Stelle des ortsansässigen Bischofs ist vakant und der Wunschkandidat Julius von Pflug (1499 –1564) hat bisher nicht durch Entscheidungsfreudigkeit geglänzt. Endlich, nach nahezu einjähriger Bedenkzeit, teilt Pflug dem katholischen Domkapitel mit, dass er nun bereit sei, sich zum neuen Naumburger Bischof berufen zu lassen. Seine Meldung kommt keinen Moment zu früh, denn auch die erstarkte evangelische Glaubensgemeinschaft – verkörpert durch den Kurfürsten Johann Friedrich I. von Sachsen – sieht sich im Recht, einen Bischof in dieser Diözese einsetzen zu dürfen. Nur einen Tag nach Pflugs Erklärung präsentiert der Kurfürst seinen Kandidaten, so dass Mitte Januar 1542 gleich zwei neue Würdenträger proklamiert werden: ein katholischer und ein evangelischer. Termine, religiöse Anschauungen und politische Befindlichkeiten kollidieren gleichermaßen – der „Naumburger Bischofsstreit“, der schließlich im Schmalkaldischen Krieg enden sollte, ist in vollem Gange. Pflugs „Gegenbischof“ heißt Nikolaus von Amsdorf (1483 – 1565) und wird der erste evangelische Bischof der Welt. Er erhält nicht nur vom Kurfürsten, sondern auch von Martin Luther und Philipp Melanchthon persönliche Unterstützung.

Dieses spannende und komplexe Kapitel der deutschen Reformationsgeschichte wird an­lässlich des Lutherjahres im nahe Naumburg gelegenen Zeitz zwischen Pfingstmontag und Allerheiligen wieder aufgeschlagen. Im Mittelpunkt steht weniger der Konflikt als der Dialog der Konfessionen, denn der zunächst etwas zögerliche Pflug formulierte in seinen Schriften deutliche Ansätze für eine friedliche Wiederan­näherung der im 16. Jahrhundert ideologisch wie physisch widerstreitenden Glaubensrichtungen. Die kulturhistorische Ausstellung spürt daher der Biographie und Bedeutung des Theologen Pflug als Vordenker und Wegbereiter der Ökumene nach. Die Ausrichter können auf einen reichen Fundus an Objekten und Originalschauplätzen zurückgreifen, die den Geist der Jahrhunderte atmen: So werden in der Stiftsbibliothek im Torhaus des Museums Schloss Moritzburg in Zeitz Pflugs Privatbibliothek und seine Korrespondenz – u. a. mit Melanchthon und Erasmus von Rotterdam – präsentiert, welche die europaweite akademische Vernetzung des Gelehrten verdeutlicht. Auch Pflugs Tagebuch, das 1551/52 auf dem Konzil von Trient entstand, öffnet hier ein Fenster in die Vergangenheit. In der evangelischen Michaeliskirche entfaltet einer der letzten sechs noch erhaltenen Drucke von Luthers 95 Thesen seine Aura, während im Christopherusgewölbe des Zeitzer Doms das Epitaph Pflugs zur Betrachtung und Besinnung einlädt. Das breit gefächerte Begleitprogramm zur Ausstellung bietet dem Besucher zudem die Möglichkeit zum kritischen Austausch und stellt mit dem Hinweis auf den Dialog der Religionen ein Thema in den Fokus, das auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.