Des Bischofs Brevier

Fromm und friedvoll – so beschreiben die Kirchenannalen den einstigen Kölner Erzbischof Hermann IV. von Hessen (um 1450–1508). Mit dem kostbaren Sommerteil des Gebetsbuchs des Kölner Kirchenoberhaupts gelang es dem Historischen Archiv – mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung –, das „Gedächtnis Kölns” um ein bisher unbekanntes mittelalterliches Zeugnis der Stadtgeschichte zu ergänzen.

Goldenes Schimmern und ein kräftiges Farbleuchten – das Brevier zur privaten Andacht ist eines Fürstbischofs und Kirchenführers würdig mit Illuminationen verziert: Großzügige purpurne, blaue und rote Initialen ruhen auf feinstem Blattgold, filigranes Flecht- und Federwerk sowie güldene Blätterranken und Rispen mit zarten Blüten umspielen die lateinische Schrift. Zudem schmückte der Buchmaler das Pergament mit Fabelwesen, Heiligenfiguren und biblischen Szenen zu den Gebeten herausragender Kirchenfeste der Sommermonate vom 1. bis zum 25. Sonntag nach Pfingsten. Wer das Brevier im handlichen Oktav-Format (18,2 x 13,2 cm) fertigte, ist den Wissenschaftlern noch ein Rätsel. Doch er arbeitete in einer Kölner Schreibstube, darauf weist das für die Domstadt charakteristische Buchdekor des 15. Jahrhunderts hin. Mit Hermann von Hessen ist hingegen der Auftraggeber des Kleinods bekannt – für die Mittelalterforschung eine Sensation: In einer besonders aufwändig gestalteten Miniatur mit dem Wappen der Landgrafen von Hessen kniet der Erzbischof unter der demütigen Ablage von Mitra, Bischofsstab und -buch vor der Heiligen Elisabeth, der Schutzpatronin derer von Hessen. Das Blatt mit der Darstellung der Bischofsweihe ist ein neues wertvolles Dokument zur Geschichte der Kölner Kirche, die sich unter der Führung des wohltätigen Hermann in friedsamen Zeiten auf Mildtätigkeit und Kulturförderung konzentrierte.

Die Forscher des Archivs brennen nun darauf, das erworbene Brevier mit dem in der Liverpooler Walker Art Gallery vermuteten zweiten Teil der Handschrift abzugleichen, welcher die Gebete und Kirchenfeste der Wintermonate umfasst. Das Büchlein erweitert im Historischen Archiv der Stadt Köln den Bestand an nach dem Einsturz im Jahr 2009 geretteten und restaurierten Dokumenten und eröffnet somit zahlreiche Querverbindungen zur Erforschung des Kölner Kunstschaffens im Spätmittelalter, als in der Domstadt Bildung und Kunst kultiviert wurden.