Der Vergänglichkeit entgangen
Hieronymus‘ knorriger Zeigefinger, entschlossen auf den Totenschädel vor ihm deutend, lässt keinen Zweifel an der Mahnung des Alten: Bedenke, dass du sterben musst! Eine Mahnung, die im Gemälde „Hieronymus im Gehäuse“ aus der Schule des Joos van Cleve in Gestalt verschiedener Vergänglichkeitssymbole widerhallt, gar das gesamte Studierzimmer erfüllt. Nebst Sinnbildern der stetig verrinnenden Zeit – darunter die erloschene Kerze und die prächtige goldene Wanduhr – vergegenwärtigt ein konkretes Memento Mori die düstere Conditio des Seins: Das Schriftstück, an die Rückwand des Zimmers geheftet, erinnert sinngemäß daran, dass das Wissen um die eigene Endlichkeit ein sündenfreies Leben birgt. Das Zitat entspringt der sogenannten Vulgata, Hieronymus‘ eigener Übersetzung der Bibel aus dem Gelehrtenlatein in ein volksnahes Latein. Versunken in Kontemplation, sitzt der Heilige Hieronymus vor einem offenen Buch, das eben jene Bibelübersetzung enthält. Zusammen mit dem breitkrempigen, scharlachroten Kardinalshut kennzeichnet sie den studierten Hieronymus als einen der vier westlichen Kirchenväter.
Das auf die Zeit um 1510 datierte Tafelbild aus der Schule des Joos van Cleve, dem „Leonardo des Nordens“, zitiert in der Verwendung der Attribute die für die Renaissance typische Bildtradition um den Heiligen. Als Inspiration für diese Art Prototyp dienten Albrecht Dürers ikonische Darstellungen des Hieronymus. Trotz der hohen Relevanz für die Sammlung des Kurhaus Kleve, konnte das Museum das Gemälde nicht präsentieren: Der im Bild so prominent thematisierten Vergänglichkeit war das Werk über die Zeit tragischer Weise selbst unterlegen. Abgeplatzte Malschichten und Holzwurmbefall hatten dem Motiv zugesetzt, ein Ausstellen schien unmöglich. Dank des Restaurierungsbündnisses „Kunst auf Lager“ konnte nun mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder der „Hieronymus im Gehäuse“ restauriert werden.