Der unsichtbare Grünewald
„Kunst auf Lager“ hat Niklas Maak einen Artikel in der FAZ überschrieben. Er spricht dort von dem zweiten, unsichtbaren Museum unter jedem Museum, in dem alles einstaubt und aus dem wunderbare Ausstellungen zu bestücken wären. Dem stünde allerdings der dringende Restaurierungsbedarf dieser „Exponate auf Lager“ entgegen. Der Not im Depot haben natürlich die Träger der Einrichtungen zu begegnen, schließlich ist das Bewahren der Schätze eine Hauptaufgabe unserer Museen. Förderer stehen ihnen dabei zur Seite – aber nicht in dem Umfang wie nötig und möglich: eine prekäre Personalsituation, die eng getaktete Abfolge von Sonderausstellungen und fehlende Mittel führen dazu, dass nur wenige qualifizierte Anträge für die Verbesserung der Depotsituation oder Restaurierungen eingehen. Wir wünschen uns, dass die Museumsleiter ihre Förderer auch mit ins „verstaubte“ Depot nehmen und nicht nur zu den glanzvollen Ausstellungseröffnungen.
Ein aktueller Wunsch im Bereich der Restaurierung betrifft die „Kreuztragung“ von Matthias Grünewald der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Die bedeutende Holztafel ist seit 2003 – mit Ausnahme der Präsentation während der Grünewald-Ausstellung 2007 – der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Voraussichtlich zwanzig weitere Jahre muss dies so bleiben – wenn nicht personelle Verstärkung erfolgt. Die großformatige Tafel, die abgespaltene Rückseite der „Kreuzigung“ des Tauberbischofsheimer Altars, rechtfertigt die langfristigen Bemühungen um ihre substantielle Sicherung, handelt es sich doch um ein Hauptwerk der frühneuzeitlichen Kunstgeschichte. Zwei Restaurierungen des 19. Jahrhunderts haben die Tafel stark verändert. Zahlreiche übermalende Retuschen sind durch Materialalterung erheblich nachgedunkelt und treten als formlose Flecken störend hervor. Die bereits zehn Jahre andauernde Restaurierung soll das ästhetische Erscheinungsbild des Tafelgemäldes wiederherstellen. Wichtige Hilfe bei der technischen Ausstattung leistete die Karlsruher Werner Stober-Stiftung. In einem aufwändigen Verfahren werden nun die Übermalungen und Kittungen unter dem Mikroskop entfernt. Das komplizierte Schadensbild der „Kreuztragung“ wurde in einem Fachkolloquium diskutiert und die praktizierte Methode der Freilegung als optimal bestätigt. Die freigelegten Stellen zeigen bereits aufs Schönste Grünewalds leuchtende Farbigkeit und eröffnen neue Erkenntnisse über seine Maltechnik. Eine Ausstellung soll 2014 Einblick in den Restaurierungsstand geben. Nur 50.000 Euro würde es kosten, die Restauratorin zunächst durch eine halbe Stelle für zwei Jahre zu unterstützen. Doch ohne personelle Verstärkung würde die Tafel dann wieder für weitere zwanzig Jahre unsichtbar.