Konkrete Komposition

Streng in der Methode, doch sinnlich in der Farbentfaltung: Rechteckige und quadratische monochrome Felder gruppieren sich in Richard Paul Lohses Werk „Fünfzehn systematische Farbreihen in progressiven Horizontalgruppen“ von 1950/62 zu einem Höhepunkt der Konkreten Kunst. Das zentrale Werk der Sammlung des Ingolstädter Museums befindet sich dort bereits seit 1994 als Leihgabe. Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung konnte das Museum das Gemälde nun vom Leihgeber, der Züricher Richard Paul Lohse-Stiftung, erwerben und sich damit ein aus Ingolstadt nicht mehr wegzudenkendes Hauptwerk des Künstlers dauerhaft sichern.

Gleichmäßige Wiederholungen und rhythmische Verschiebungen kennzeichnen Lohses Werk, das zunächst als ungeordnete Farbexplosion erscheint und erst auf den zweiten Blick seine systematische Komposition enthüllt. Alle Farben sind hier gleich­wertig vertreten. Ein universelles Prinzip der Farben und Kombinationen präsentiert Lohse wie in einem Kreislauf: Nicht ein auf die Bildmitte konzentriertes Motiv, sondern die Etablierung „demo­kratischer Bildstrukturen“ waren für den Künstler zentral, der in seinem bildneri­schen Kosmos die Gleichwertigkeit der Elemente erreichen und das Bild von „dienenden Teilen“ einer Darstellung befreien wollte. Für Lohse war seine Kunst immer auch Kommentar zu seiner Zeit und zur Gesellschaft – sein künstlerisches Modell der seriellen und modularen Ordnung zeigt ein antihierarchisches und auf Gleichheit und Gleichberechtigung basierendes Prinzip, das er als abstrakte Utopie eines idealen gesellschaftlichen Zusammen­lebens verstanden wissen wollte.

Richard Paul Lohse (1902–1988), einer der prägenden „Väter“ der Konkreten Kunst und einer der wichtigsten Vertreter der Zürcher Konkreten, begegnete energisch dem immer wiederkehrenden Vorwurf, die Konkrete Kunst sei bloße mathematische Spielerei und dekorative Spielart einer Epoche. Als engagiert-kritischer Zeitgenosse stellte er sich in der Schweiz wie kein Zweiter dem politi­schen Diskurs über die gesellschaftliche Bedeutung der Konkreten Kunst.

Lohses Arbeiten finden sich heute in den bedeutendsten Museen für moderne Kunst wie dem Museum of Modern Art in New York oder dem Centre Pompidou in Paris. Für das Ingolstädter Museum, das sich der Entwicklung der Konkreten Kunst von den Anfängen in den 1910er Jahren bis heute widmet, stellt die Erwerbung dieses Hauptwerks Lohses einen besonderen Glücksfall dar.