Goethe an Friederike

Fast 100 Jahre waren die wertvollen Handschriften verschollen, jetzt gelang der spektakuläre Ankauf aus Privatbesitz: Ein Sammlung von Briefen Goethes an Prinzessin Friederike zu Mecklenburg.Strelitz, der späteren Königin von Hannover, sieben Gedichthandschriften Goethes, Briefe Johann Peter Eckermanns und weitere zugehörige wertvolle Dokumente konnte nun aus dem Besitz des Welfenhauses – sie hatten sich in der ehemaligen Familienbibliothek auf Schloss Cumberland bei Gmünden erhalten – vom Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Beauftragten der Bundes­regierung für Kultur und Medien und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen erworben werden.

Prinzessin Friederike und ihre Schwester, die spätere legendäre preußische Königin Luise, hatte Goethe in einem preußischen Feldlager bei Bodenheim aus der Ferne beobachten können, wo die Prinzessinnen zur königlichen Tafel geladen waren. Später schrieb der Dichter: „Und wirklich konnte man in diesem Kriegsgetümmel die beiden jungen Damen für himmlische Erscheinungen halten, deren Eindruck auch mir niemals verlöschen wird.“ Persönlich lernte Goethe Friederike dann während einer Kur in Karlsbad im Juli 1806 kennen – zwischen beiden entstand eine freundschaftliche Beziehung, mehrmals kam es in böhmischen Bädern noch zu Treffen. Im August 1815 besuchten Herzog Ernst August und Herzogin Friederike Goethe überraschend auf der Gerbermühle bei Frankfurt. In Erinnerung daran entstand das Gedicht „Ward es doch am Tage klar!“, das Goethe in einer eigen­händigen Reinschrift an Friederike schickte. Der bisher unbekannte Entwurf zu diesem Gedicht, den Goethes Sekretär und Nachlassverwalter Eckermann – einige Jahre nach Goethes Tod – der Königin anlässlich der Verleihung der hannover­schen Königswürde schenkte – fand sich jetzt bei dem erworbenen Konvolut wieder.

Eckermann brachte seine Verehrung für die Königin wiederholt durch Schen­kungen von Goethe-Autographen aus dem Nachlass zum Ausdruck: Insgesamt sechs eigenhändige Gedichthandschriften, allen voran Goethes berühmtes Gedicht „Im Nahmen dessen der Sich selbst erschuf …“ in der einzigen überlieferten und bisher unbekannten Handschrift des Dichters kommen nun nach Weimar. Goethe hatte mit diesem Gedicht 1817 seine Zeit­schrift „Zur Naturwissenschaft über­haupt“ eröffnet und es später im dritten Band seiner Ausgabe letzter Hand an den Anfang der Gruppe „Gott und Welt“ gestellt. Der Weimarer Ausgabe von Goethes Werken war das Autograph nicht bekannt, wie Abweichungen in der Textgestalt zwischen Druck und Handschrift belegen.

Vier weitere eigenhändige Gedichthandschriften („Vom Himmel steigend Jesus brachte“, „Frage nicht durch welche Pforte“, „Hochländisch“ und „Fehlt der Gabe gleich das Neue“) geben mit Korrekturen und Überklebungen einen detaillierten Einblick in Goethes Schreibprozess von der Entwurfshandschrift mit Ergänzungen und Korrekturen bis hin zur Reinschrift.

Die drei eigenhändigen Briefe Goethes an Friederike und weitere zugehörige Handschriften aus Goethes engstem Umkreis (von Riemer und John nach Diktat oder Konzept Goethes, von Eckermann und dessen Familienangehörigen) ergän­zen die Sammlung um wichtige Dokumente aus dem Entstehungszusammenhang der kostbaren Autographen.

Dass sich die von Eckermann aus Goethes Nachlass herausgelöste Sammlung mit wertvollen handschriftlichen Quellen aus Goethes wichtiger Schaffenszeit von 1811 bis 1828 über mehr als 170 Jahre nahezu vollständig erhalten hat und nun ge­schlossen nach Weimar zurückkehrt, kann als sensationeller und glücklicher Gewinn für das Goethe- und Schiller-Archiv, die Forschung und die Öffentlichkeit gesehen werden.