Chronist des Wannsees
Freilichtmalerei und Freikörperkultur: Was die Expressionisten an den Moritzburger Seen unbeschwert in Einklang brachten, das wurde bei den Impressionisten am Wannsee noch vornehm separiert. Nicht der Akt in der Natur, sondern auf dem Wasser treibende Segelboote, Kinder im Strandbad und prächtig blühende Villengärten standen hier kleidsam Modell.
Walter Leistikow, Max Liebermann und eine ganze Künstlergeneration hatten die pittoreske Seenlandschaft um Berlin und Potsdam Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt: Ob lichtdurchflutete Landschaften, Spiegelungen auf Wasseroberflächen oder Licht-Schatten-Spiele – das ganze impressionistische Motivrepertoire wurde hier en plein air auf die Leinwand gebannt. Auch durch den Maler und Mitbegründer der Berliner Secession Philipp Franck, der sich 1906 mit seiner Familie im Berliner Stadtteil Wannsee niederließ. Von der zeitgenössischen Kritik in einem Atemzug mit den Großen des deutschen Impressionismus genannt, ist sein Name heute – wie leider der so manch brillanten Malers dieser Zeit – hinter das Dreigestirn Liebermann-Slevogt-Corinth zurückgetreten. Um so wichtiger, dass er zu seinem 150. Geburtstag nun mit einer großen Retrospektive im Berliner Bröhan-Museum geehrt wird. Zuvor war die Ausstellung im Museum Giersch in Frankfurt zu sehen.
„Vom Taunus zum Wannsee“, so liest es sich in einer autobiographischen Schrift Francks aus dem Jahr 1920, und als Titel seiner Retrospektive wird dies beiden Ausstellungsorten gerecht. Denn nicht nur die malerischen Seen um Berlin, sondern auch die hügelige Wald- und Wiesenlandschaft des Taunus lieferten dem gebürtigen Frankfurter Zeit seines Lebens die wichtigsten Motive. Immer wieder zog es den Maler, Zeichenlehrer und Professor der Königlichen Kunstschule in die vertraute Region seiner Jugendjahre zurück, wo er in der Kronberger Malerkolonie seine wesentliche künstlerische Prägung erfahren hatte.
Bei Francks Übersiedlung nach Berlin 1892 befand sich die dortige Kunstszene im Umbruch. „Es gärte allenthalben“, erinnert sich der Künstler in seinen Memoiren. Als „Grünmalerei“ oder „Rinnsteinkunst“, so Kaiser Wilhelm II., wurde der Impressionismus verspottet, die „modernen“ Maler von den großen staatlichen Kunstausstellungen ausgeschlossen. Die erste Opposition gegen den offiziellen Ausstellungsbetrieb, die „Vereinigung der XI“, etablierte sich 1892; sechs Jahre später wurde die Berliner Secession mit Liebermann als Präsident gegründet. Franck erntete hier für seine Arbeiten, die sich durch ihre pleinairistische Malweise und realistische Themenwahl auszeichnen, begeisterte Kritik: „Prof. Franck, der neben Liebermann wohl der kraftvollste Realist der eigentlichen Sezessionisten ist, erregt zur Zeit durch seine Werke […] in der Berliner Sezessionsausstellung Aufsehen.“
Franck trat auch mit Genreszenen hervor und fertigte intime Interieurs, Porträts seiner Familie und Stillleben. Doch im Zentrum seines Schaffens stand bis zuletzt die Landschaft in Schönheit und Kargheit: Kurz vor seinem Tod noch malte Philipp Franck die kahlen Birken in seinem verschneiten Garten am Wannsee.