Christgeburt für Kleve

Dries Holthuys, Anbetung des Kindes, um 1490/95
Dries Holthuys, Anbetung des Kindes, um 1490/95, 37 x 45 x 16,8 cm

Bitter kalt ist die Heilige Nacht in Bethlehem: Joseph schützt sich mit dicken Fäustlingen vor der Kälte, das Christkind aber liegt nackt am Boden auf dem Mantel Mariens. Die Darstellung folgt einer Vision der Hl. Birgitta von Schweden (1303–1373), in der sie Maria am Boden kniend mit gefalteten Händen in Anbetung ihres Kindes versunken sah – weit verbreitet im späten Mittelalter findet sich dieser Darstellungstypus im nordalpinen Raum. Seine geschnitzte Weihnachtsszene erweitert Dries Holthuys aber noch um ein selteneres Motiv: Ein Engel müht sich, das schadhafte Dach des strohgedeckten, zugigen Stalls auszubessern. Seine Flügel haben die Jahrhunderte nicht überdauert, dennoch erstaunt noch heute die feinteilige Bearbeitung des himmlischen Wesens in den Gesichtszügen, seinem Gewand und dem gelockten Haar. Auch Ochs und Esel hat Holthuys sorgfältig, anekdotisch und mit Liebe zum Detail ausgeführt – wie die Heilige Familie selbst. Verblüffend zeigt sich die Raumorganisation: eine dichte Verbindung von Innen und Außen, von Stall und Landschaft und der Stadtmauer Bethlehems, in der man auch eine niederrheinisch anmutende Giebelarchitektur entdecken kann. Die in Eichenholz geschnittene Christgeburt stellt wohl eins der schönsten und ungewöhnlichsten Werke des Künstlers dar – und sie kann zugleich als ein Höhepunkt niederrheinischer Skulptur der Reformationszeit gelten. Nun konnte die um 1490/95 geschaffene „Anbetung des Kindes“ mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Karl und Maria Kisters-Stiftung Kleve und des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve – dank einer Stifterfamilie – aus Antwerpener Privatbesitz vom Museum Kurhaus Kleve angekauft werden.

Das Hochrelief mit den Maßen 37 x 45 x 16,8 cm, das eindrucksvoll Holthuys’ virtuose Schnitzkunst demonstriert, fügt sich hervorragend in die Sammlung des Museums Kurhaus Kleve ein: Denn dort finden sich bereits ein bedeutendes Ensemble niederrheinischer Skulptur des späten Mittelalters sowie mehrere Hauptwerke von Holthuys, darunter die Anna-Selbdritt-Gruppe, der Heilige Michael und eine Gruppe von drei weiblichen Heiligen. Des Künstlers komplexe Darstellung der Weihnachtsgeschichte, des wohl schönsten Themas der christlichen Kunst, war vermutlich die zentrale Darstellung eines kleinen, privaten Altarschreins. Die genauen Lebensdaten des Künstlers, der zu den bedeutendsten Bildhauern der Spätgotik am Niederrhein zählt, liegen im Dunkeln. Um 1500 war Dries Holthuys nachweislich in Kleve tätig. Da Werke von ähnlicher Qualität auf dem Kunstmarkt äußerst rar sind, ist es ein besonderer Glücksfall, dass dieses herausragende Beispiel mittelalterlicher Skulptur jetzt im Museum Kurhaus Kleve für die Öffentlichkeit bewahrt werden konnte.