Fast immer beginnt es im Kleinen. Zum Beispiel mit der Postkarte einer Studentin an den bewunderten Künstler. Oder bei dem Schulkind, das irgendwo auf einem Acker das Bruchstück einer jungsteinzeitlichen Axt findet. Es beginnt mit einer zufälligen Begegnung, mit einem Bild, einem Buch oder einem Klang, mit einem besonderen Moment der Inspiration. Es sind solche kleinen Erlebnisse, die zu einem Engagement ermuntern, das nur dem inneren Drang folgt, die Quelle der Inspiration auch für andere weiter sprudeln zu lassen.
Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e.V.
Manchmal allerdings beginnt ehrenamtliches Engagement mit einem spektakulären Knall: Als 1982 publik wurde, dass Antoine Watteaus Meisterwerk „Einschiffung nach Cythera“ aus Hohenzollernbesitz verkauft werden sollte und Berlin wohl für immer verlassen würde, erging ein flammender Aufruf an die West-Berliner Bevölkerung: Das Kunstwerk könne nur in Berlin gehalten werden, wenn 5 Millionen DM, ein Drittel des Kaufpreises, privat aufgebracht würden. Dieser Aufruf markiert die Geburtsstunde der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e.V. Bis heute ist der aufsehenerregende Anfangserfolg so etwas wie der Gründungsmythos des Vereins, der sich mit seinen inzwischen 1.300 Mitgliedern erfolgreich für den Erhalt und die Restaurierung der ehemals königlichen Schlösser und Gärten in Berlin und Brandenburg einsetzt. Das Spektrum der Aktivitäten reicht von Initiativen zur Vermittlungsarbeit über einzelne Neuerwerbungen bis zur Restaurierung von Innenräumen oder Gartenanlagen. Der Förderschwerpunkt 2020 lag auf der Ausstattung der architektonisch bedeutenden Römischen Bäder in Potsdam. Hier flossen über 300.000 Euro in die Restaurierung u. a. von Konsoltischen, Mosaiken und Kupferstichen.
Daneben stellt sich nun seit 2019 der Unterhalt zweier Schafherden. Was im ersten Moment wie ein Kuriosum klingt, geht tatsächlich auf eine bewusste Entscheidung zurück, betont Barbara Schneider-Kempf, Vorsitzende des Fördervereins. Die letzten Jahre haben gezeigt, wie sehr die Auswirkungen des Klimawandels den Parks und Gärten bereits zu schaffen machen. Eine der großen Aufgaben der Schlösserverwaltung wird es demnach sein, die Widerstandsfähigkeit ihrer Gärten zu erhöhen. Der Weg dorthin führt über mehr Nachhaltigkeit, effektiven Artenschutz und nicht zuletzt über die natürliche Verbesserung der Bodenstruktur durch die Tiere mit dem „goldenen Tritt“, die Schafe. Mit ihren Klauen verdichten sie die Oberfläche. Indem sie außerdem die Gräser knapp über der Wurzel abfressen, bildet sich mit der Zeit eine festere und robustere Grasnarbe. Das macht die Wiesen zu effektiven Wasserspeichern. Fünfzig Tiere der Rassen Bentheimer und Pommersche Landschafe stehen 2022 von Mai bis November auf insgesamt zehn Wiesenflächen im Park Sanssouci und am Schloss Paretz. Schon für das nächste Jahr sind die Freunde wieder auf private Unterstützung angewiesen. Hier versprechen sie sich einiges von der neuen Möglichkeit, spontan auch kleinere Summen zu spenden, als niederschwelliges Angebot an einen noch größeren Kreis von Unterstützern. Bald könnte also auf mehreren Grünflächen der Schlösserstiftung plötzlich ein barockes Schäferidyll zu entdecken sein – statt motorisierter Mähmaschinen.
Zivilgesellschaftliches Engagement lebt von seinen Erfolgsgeschichten. Jeder hört sie gerne, jeder erzählt sie gerne. Aber viele kleine Vereine und erst recht die ungezählten Einzelkämpfer stehen permanent mit dem Rücken zur Wand. Wo einerseits der Anschluss an Museen, Archive oder Bibliotheken nicht gelingt, andererseits die Möglichkeiten der Kommerzialisierung begrenzt sind, ist Kultur auf Freiwillige angewiesen, auf Enthusiasten und rettungslos Begeisterte. Überraschenderweise gibt es ziemlich viele davon. Die bloße Zahl der registrierten Fördervereine macht ehrfürchtig: Über 16.800 Gruppierungen zählt der Dachverband der Kulturfördervereine (DAKU), Tendenz steigend. Nicht zu vergessen die Dunkelziffer. Da jede einzelne dieser ehrenamtlichen Initiativen Kontakte zu „benachbarten“ Interessensgruppen pflegt, bilden sie in ihrer Gesamtheit ein riesiges Netzwerk, eine Art kulturellen Superorganismus, aus dem ständig neue Impulse in Kultur und Gesellschaft abstrahlen.
Freundeskreis Janssen Bibliothek im Goßlerhaus e.V.
Kristallisationskerne kleiner Fördervereine sind häufig die Nachlässe prominenter Personen – Künstler, Komponisten, Schriftsteller, Schauspieler. Diese Ansammlungen von Kulturgut sind selten schon nach wissenschaftlichen Kriterien geordnet. Also bilden sich die ersten zarten Strukturen meistens noch im ehemaligen Wohnhaus – und im Kreis der Familie. Horst Janssen, genialer Grafiker, exzentrisch in Werk und Auftreten, war schon zu Lebzeiten Legende. In seiner „Burg“ in Hamburg-Blankenese schuf er ein Œuvre von beeindruckender Vielseitigkeit. Nach seinem Tod 1995 fanden sich gleich mehrere Sammlungen, die dem riesigen Nachlass aus Zeichnungen, Drucken und Plakaten ein Dach boten. Was zunächst wenig beachtet wurde, war Janssens Werk als Autor und Buchgestalter. Es waren die Janssen-Kennerin Angelika Gerlach und Lamme Janssen, Tochter des Künstlers, denen es 2008 gelang, für diesen Teil des Nachlasses ein Zuhause in einem der imposantesten Blankeneser Herrenhäuser zu finden. Um der Privatinitiative eine breitere Basis zu verschaffen, erfolgte kurz darauf die Gründung des Freundeskreises Janssen Bibliothek im Goßlerhaus e.V.
Die kleine Präsenzbibliothek besteht aus einem einzigen, stilvoll eingerichteten Raum mit deckenhohen Regalen, halb Bibliothek, halb Museum. Der Bestand von über 1.000 Büchern wächst langsam, aber stetig, im Moment vor allem noch durch Spenden. Kerstin Peters, Vorsitzende des Freundeskreises, will die Bibliothek als Kulturtreffpunkt und bibliophile Gedenkstätte noch fester im Bewusstsein der Horst-Janssen-Freunde verankern. Durch mehr Aktivitäten, auch über Blankenese hinaus, sucht sie den Weg „raus aus der Bubble“. Kooperationen mit Hamburger Bibliotheken und kunsthistorischen Instituten sind in Planung: „Eine Forschungsstelle für Studierende zu sein, die zum Thema Horst Janssen arbeiten und auf der Suche nach Literatur sind, das wäre eine große und zukunftsweisende Aufgabe!“ Personell sind die Möglichkeiten des Freundeskreises begrenzt. Aber für das Jahr 2022 hat er in der Hapag-Lloyd-Stiftung einen Partner gefunden, der es dem Verein ermöglicht, wieder projektorientiert zu planen. Für die Zukunft wünscht sich Kerstin Peters genau solche Förderer, „die erkennen, dass die Janssen Bibliothek ein schützenswertes kulturelles Kleinod ist, ein literarisches Archiv und Gedächtnis, das das schriftstellerische Werk und die Buchkunst eines Hamburger Ausnahmekünstlers am Leben erhält.“
Kein Förderverein ist ein Selbstläufer. Andererseits: Sieht man sich die prozentuale Verteilung auf die verschiedenen Kultursparten an, dann lässt sich erahnen, dass es die bibliophil ausgerichteten Vereine grundsätzlich etwas schwerer haben dürften: Nur 5% der vom Dachverband der Kulturfördervereine in Deutschland e.V. (DAKU) erfassten Fördervereine widmen sich dem schriftlichen Kulturgut. Der Löwenanteil dagegen, etwa 36%, fördert die darstellenden Künste in all ihren Erscheinungsformen – Theater, Tanz, Musik. Sicher ist der Bedarf an Förderung in diesem Segment generell sehr hoch. Gleichzeitig sprechen gerade die darstellenden Künste mit ihren archaischen Erlebnisqualitäten das Bedürfnis nach Teilhabe besonders intensiv an. In der Oper verbindet sich das auch noch mit dem großen Drama, mit Farbenpracht und Klanggewalt zum überwältigenden Gesamtkunstwerk. Auf manche Opernfreunde übt dieser Rausch der Sinne eine so starke Anziehung aus, dass sie auch den Schritt hinter die Kulissen wagen, um dort als Fördernde zumindest indirekt Teil des kreativen Prozesses zu sein.
Freunde der Staatsoper Nürnberg
Paradebeispiel für einen Förderverein im Kulturbereich sind die Freunde der Staatsoper Nürnberg – traditionell, glamourös, klassisch. Mit seinen rund 800 Mitgliedern zählt er schon zu den großen Vereinen dieser Art und kann der Nürnberger Oper immer wieder beträchtliche Mittel zur Verfügung stellen. Seit nunmehr über 40 Jahren verhelfen die Freunde den Inszenierungen des Hauses zu neuen Glanzlichtern: Mal gelingt die Finanzierung besonders aufwendiger Kostüme, mal können barocke Originalinstrumente zur Verfügung gestellt werden oder es gelingt die Verpflichtung herausragender Künstler. Der zweite Schwerpunkt der Vereinsarbeit liegt auf der Nachwuchsförderung. Jährlich vergeben die Freunde zwei Stipendien an Nachwuchssängerinnen und -sänger. Auch 2022 unterstützen sie den Meistersingerwettbewerb, den das Staatstheater Nürnberg bereits zum dritten Mal ausrichtet und für den sich bisher schon 500 junge Künstler beworben haben.
Wie tragfähig das Engagement der Opernfreunde tatsächlich ist und wie tief es schon in die Nürnberger Stadtgesellschaft hineinwirkt, zeigte sich besonders eindrucksvoll in der Krise. Als 2020 viele der freischaffenden Künstler des Hauses durch die Corona-bedingte Schließung plötzlich ihr Einkommen verloren, mobilisierte der Verein Hilfe in einem bis dahin beispiellosen Ausmaß. Die spontan ins Leben gerufene Spendenkampagne wurde für die Freunde der Nürnberger Oper zu einem Erfolg, der bis heute nachklingt. Innerhalb weniger Wochen konnten Spenden in Höhe von 70.000 Euro gesammelt werden. Abgesehen von den Institutionen selbst und ihren Fördervereinen sind auch viele Menschen dem Aufruf gefolgt, die erst durch die Presse von der Aktion erfahren haben. Für Ulli Kraft, Präsident des Fördervereins, ein Signal dafür, „dass wir in guten wie in schlechten Zeiten zusammenstehen“. Und ein Zeichen für das Vertrauen, das sich der Förderverein im Laufe der Jahre erworben hat, ergänzt Annemarie Wiehler, Geschäftsführerin der Opernfreunde. Gerade mit dieser Spenden-Kampagne geben die Freunde der Staatsoper Nürnberg ein leuchtendes Beispiel für die manchmal überraschende Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Fördervereinen.
Förderverein „Der Bücherbus e.V.“
Menschen besuchen eine Opernaufführung, ein Museum, eine Bibliothek, einen Schlossgarten. Sie bewegen sich auf das Kulturgut zu. Eher selten kommt es vor, dass das Kulturgut den Menschen entgegenfährt. Seit 1997 unterstützt der Förderverein „Der Bücherbus e.V.“ den Betrieb der Kreisfahrbücherei Paderborn und wirbt beharrlich für deren bürgerschaftliche Relevanz. Als 2018 der alte Bus zu schwächeln begann, wagte der Verein sich mit seinen rund 80 Mitgliedern aus der Bücherecke und warb um Spenden: „Bücher, Medien und mehr… ein neuer Bücherbus muss her“, ein Neufahrzeug also, das allen Anforderungen an eine mobile Bibliothek gerecht wird. Die Reaktion machte nachhaltigen Eindruck. Spenden kamen nicht nur von Firmen und Stiftungen, sondern auch hier wieder aus vielen privaten Initiativen. Am Ende konnte der Förderverein zu den Gesamtkosten von rund 500.000 Euro stolze 60.000 Euro beisteuern. Der Bücherbus konnte in Auftrag gegeben werden.
Anfang März 2022 traf das nagelneue Fahrzeug aus Finnland ein, wenige Wochen später nahm es den Betrieb auf. Rund 5.000 Medien finden nun Platz an Bord: Bücher und Zeitschriften, Hörbücher, Videos, CDs und DVDs. Das ist etwa ein Zehntel des Gesamtbestandes der Kreisfahrbücherei. Der Bus verfügt über einen Flachbildschirm sowie über einen Lift für Gehbehinderte, Rollstuhlfahrer und Kinderwagen. „Mit unserem Bilderbuchkino und Vorlesestunden wecken wir die Leselust und Fantasie unserer kleinen Besucherinnen und Besucher“, verspricht Heinz-Josef Struckmeier, Leiter der Kreisfahrbücherei und selbst aktives Mitglied im Förderverein. Der Bus hält an 77 Haltestellen in 45 Orten im südlichen Kreis Paderborn. Darüber hinaus haben die Leserinnen und Leser die Möglichkeit, von Zuhause aus Kontakt mit dem Team der Fahrbücherei aufzunehmen. Das ist wichtig, da dieses Zuhause sich in der Regel weitab sämtlicher Bibliotheksangebote befindet und der Bus selten länger als eine halbe Stunde vor Ort ist. Neben der Leseförderung sieht der Förderverein seine Hauptaufgabe vor allem darin, das Gefälle zwischen städtischen und ländlichen Bildungsstrukturen zu verringern. 90 Bücherbusse sind bundesweit immer noch im Einsatz. Ihre Attraktivität ist ungebrochen. „Lesen“, so bringt es Heinz-Josef Struckmeier auf den Punkt, „ist die Schlüsselqualifikation für ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben.“
Gelegentlich liegt das zu schützende Kulturgut auch noch im Dunkeln. Ein anschauliches, wenn auch nicht ganz unproblematisches Beispiel dafür, wie aus der eigenbrötlerischen Initiative Einzelner eine vernetzte Interessensgemeinschaft werden kann, sind die „Sondengänger“, die mit ihren Metalldetektoren durch die Landschaft ziehen und nach verborgenen Schätzen suchen. Mit ihrem Ruf steht es nicht zum Besten: Zu viele zerstörte archäologische Stätten gehen jedes Jahr auf das Konto illegaler Raubgräber. Umso nachdrücklicher suchen die organisierten Sondengänger den Schulterschluss mit den regionalen Landesdenkmalbehörden. So kann es geschehen, dass aus umstrittenen Hobby-Archäologen schließlich zertifizierte Bodendenkmalpfleger werden, ganz wie die Pioniere der Vor- und Frühgeschichte im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Arbeitsgemeinschaft Bodendenkmalpflege Insel Rügen „De Ackerlöper“
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Bodendenkmalpflege Insel Rügen „De Ackerlöper“ (Ackerläufer) arbeiten seit Jahren routiniert mit dem Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Durch Lehrgänge und Schulungen können die Mitglieder der AG das Zertifikat „ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger“ erwerben. Das verschafft ihnen zwar gewisse Vorrechte, bindet sie aber gleichzeitig an wissenschaftliche Arbeitsmethoden. Für den Bundesverband der Landesarchäologen ein gangbarer Weg, der illegalen Szene das Wasser abzugraben und gleichzeitig mehr Daten zu sammeln: „Ihre Beobachtungen bei Begehungen auf Denkmalflächen, Hinweise auf neue Fundstellen und die Kontrolle offener Bodeneingriffe sind wichtige Hinweise, die dazu beitragen, das archäologische Erbe zu schützen und zu retten.“
Darüber hinaus haben sich die „Ackerlöper“ die Pflege archäologischer Stätten, ihren Schutz vor Wildwuchs und Vermüllung auf die Fahnen geschrieben, und natürlich die wissenschaftliche Funddokumentation. Mit Nachdruck distanziert sich die Arbeitsgemeinschaft von aller romantischen Fantasterei. Wieviel Konfliktpotential die Schatzsucher-Romantik mit sich bringt, zeigte sich, als 2018 der Traum aller Hobby-Archäologen und Bodendenkmalpfleger wahr wurde – die Entdeckung eines richtigen Schatzes. In der Nähe von Schaprode auf Rügen war der Nachwuchs-„Ackerlöper“ Luca Malaschnitschenko mit seinem Ausbilder René Schön auf ein Stück Metall gestoßen, das sich als mittelalterliche Silbermünze erwies. Nur Stunden später war ein Experte aus Stralsund vor Ort. Strenge Geheimhaltung wurde vereinbart – und bis zum Abschluss der offiziellen Grabung durchgehalten. Das Ergebnis erregte weltweit Aufsehen: Die „Ackerlöper“ waren auf einen Hortfund von über 600 Objekten gestoßen, der Ende des 10. Jahrhunderts versteckt worden war, vielleicht sogar von König Harald Blauzahn höchstpersönlich. Die Presse jubelte und das Land Mecklenburg-Vorpommern ließ sich mitreißen: Der junge Malaschnitschenko sollte mit dem Denkmalpreis des Landes geehrt werden. Zu spät erkannte man, dass man genau damit einen Keil in die Arbeitsgemeinschaft getrieben hatte, indem der Fund nicht als die Leistung der Gruppe, sondern als die einer Einzelperson bejubelt wurde. Erschwerend kam hinzu, dass die Gruppe insgesamt sich in den Augen der Weltöffentlichkeit plötzlich auf den Aspekt der Schatzgräberei reduziert sah. Tatsächlich widerspricht die Fokussierung auf Schätze nicht nur dem Selbstverständnis der „Ackerlöper“, sondern auch den Zielen einer wissenschaftlich orientierten Bodendenkmalpflege. Es erregte einiges Aufsehen, als die Arbeitsgemeinschaft den ihr nachträglich angebotenen Denkmalpreis schließlich ablehnte. Er wurde dann notgedrungen der Gesamtheit aller ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger gewidmet. Trotz allem ist der Fund bis heute eines der Highlights in der Geschichte der Gruppe. Rückblickend steht für René Schön fest: „Das war der Fund meines Lebens.“ Aktuell setzt sich die Arbeitsgemeinschaft für die dauerhafte Präsentation des Schatzes auf der Insel Rügen ein.
Domowina-Regionalverband Hoyerswerda
Von der kontemplativen Suche nach den Zeugnissen vergangener Kulturen zu einer sehr lebendigen Kultur der Gegenwart: Der Domowina-Regionalverband Hoyerswerda bündelt eine erstaunliche Vielfalt von Initiativen zur Stärkung der sorbischen Sprache und des sorbischen Brauchtums in und um Hoyerswerda. Der Regionalverband koordiniert die Aktivitäten von acht Ortsgruppen und 13 Vereinen mit insgesamt etwa 980 Mitgliedern. Vieles dreht sich um die deutsch-sorbische Zweisprachigkeit. Denn das Sorbische ist vom Aussterben bedroht. Und mit ihm droht das Bewusstsein für die sorbische Kultur und für die Identität der Lausitzer Sorben als in Deutschland anerkannte nationale Minderheit verloren zu gehen. Durch die Zweisprachigkeit in Kindergärten und Schulen, durch zweisprachige Internetpräsenzen, Lesungen und Sprachkurse soll das Sorbische wieder enger mit dem Alltag der Menschen verbunden werden. Der Name ist Programm: „Domowina“ bedeutet „Heimat“.
Die Traditionspflege einer nationalen Minderheit produziert viele hübsche Bilder. Aber die Präsentation von Volkstänzen, Krabat-Mühle und bemalten Ostereiern täuscht. Es geht nicht um Vermarktung, sondern um Identität. Lange war die traditionelle sorbische Festtagstracht auf dem Rückzug. Die komplizierten Seidenstoffe wurden kaum noch hergestellt, und mit den letzten Trachten der Urgroßmütter verschwand langsam auch das Wissen um die Bedeutung der verschiedenen Farben, Muster und Tragweisen. Unter dem Assimilierungsdruck einer industriell geprägten Gesellschaft griff man immer häufiger auf leichter verfügbare Muster zurück. „Dieser Uniformierung wollten wir entgegenwirken“, unterstreicht Sonja Rehor, Regionalsprecherin der Domowina. „Die Tracht ist in der Hoyerswerdaer Region das wichtigste sorbische Identitätsmerkmal in der Öffentlichkeit.“ Umso schwerer wiegt es, dass ausgerechnet das charakteristische Element der Hoyerswerdaer Festtagstracht, die Schürze aus Seidendamast, ebenfalls zu verschwinden drohte, einfach weil die benötigten Kombinationen von Farben, Material und Mustern seit Jahrzehnten nicht mehr auf dem Markt zu haben waren. Mit einer soliden Bedarfsanalyse im Rücken ist es dem Domowina Regionalverband nun gelungen, die Stiftung für das sorbische Volk und eine Seidenmanufaktur in Crimmitschau als Kooperationspartner zu gewinnen. Seit Februar 2022 sind wieder drei Muster in je drei farblichen Varianten erhältlich, zu einem erschwinglichen Preis. Die Damastschürzen werden also in und um Hoyerswerda bald wieder etwas häufiger zu sehen sein. Sonja Rehor hat schon ihr nächstes Ziel vor Augen: die Herstellung der Stoffe für die komplizierte Hoyerswerdaer Hochzeitstracht.
Wer es gewohnt ist, bloß von einem Kulturevent zum nächsten zu hasten, der verpasst das Wesentliche. Man muss langsam gehen, wie auf einem Waldspaziergang, erst dann erschließt sich allmählich die ganze Vielfalt an kleinen und großen Initiativen, die sich der Bewahrung und Vermittlung von Kulturgut verschrieben haben. Bürgerschaftliches Engagement im Kulturbereich ist kein Zeitvertreib für Gelangweilte. Es ist im Kern anarchisch. Es fragt nicht nach dem Nutzen. Es behütet Kultur, wo sie gefährdet ist. Und es ermuntert dazu, gelegentlich zum Ursprung der ersten kindlichen Begeisterung zurückzukehren.