Bild vom Vorbild

Baufällig war Schloss Philippsburg in Ehrenbreitstein angeblich geworden und ohnehin nicht repräsentativ genug für einen Spross aus königlich-sächsischem Haus: Der Trierer Erzbischof und Kurfürst Clemens Wenzeslaus (1739­­–1812) ließ ab 1777 eine neue, angemessene Residenz planen, auf der Höhe der Zeit, mit fließendem Wasser, ausgestattet nach der neuesten französischen Mode. Das Kurfürstliche Schloss Koblenz gilt heute als eines der wichtigsten Beispiele des französischen Frühklassizismus in Südwestdeutschland: Zur prunkvollen Ausstattung des Neubaus zählte vermutlich auch das nun nach Koblenz zurückkehrende Bilderpaar von Januarius Zick (1730–1797), einem bedeutenden Vertreter des Spätbarock. Seit 1760 kurtrierischer Hofmaler, erhielt der Künstler u. a. große Aufträge für Decken-und Wandmalereien in kurfürstlichen Schlössern. Mit den zwei allegorischen Darstellungen schmückten Motive aus der griechischen wie römischen Antike die Koblenzer Residenz, wo Clemens Wenzeslaus eine prächtige Hofhaltung mit über 500 Bediensteten führte und sich u. a. der Förderung von Musik und Theater widmete. Die repräsentativen Werke Zicks sollten vorbildliches herrscherliches Handeln demonstrieren, inspiriert von der französischen Historienmalerei dieser Zeit. Der von den Ideen der Aufklärung beeinflusste Kurfürst machte sich um den Ausbau des Schulwesens verdient, schuf gemeinnützige Einrichtungen und sorgte so für mehr Bildung und Wohlstand. Ausufernde religiöse Prozessionen und Aberglauben suchte der behutsame Reformer einzuschränken. Die Französische Revolution beendete allerdings den Wandelwillen des Kurfürsten, der aufgrund der Auswirkungen der politischen Entwicklungen 1794 fliehen musste.

Bisher konnte das Koblenzer Museum, das über den weltweit größten Januarius-Zick-Bestand verfügt, kein Werk des Hofmalers aus der späten Schaffensphase zeigen. Den Ankauf ermöglichten – neben der Kulturstiftung der Länder – die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur und der Verein der Freunde des Mittelrhein-Museums und des Ludwig Museums Koblenz. Bei der Vorbereitung des Ankaufs aus dem Kunsthandel ergaben sich Verdachtsmomente für einen verfolgungsbedingten Entzug, denn drei Werke Zicks, darunter die jetzt angekauften, waren in den 1920er-Jahren in der Sammlung des bekannten Koblenzer Fabrikanten Willy Mayer-Alberti, der 1929 verstarb, verzeichnet worden. Im Zuge von antisemitischen Repressionen war die Familie Mayer-Alberti im Herbst 1938 gezwungen, ihre Fabrik und weitere Besitztümer zu verkaufen, 1939 emigrierten sie nach England. Kurz zuvor verzeichnete das Auktionshaus Lempertz in Köln die Einlieferung von zwei Gemälden von Januarius Zick durch eine Person „M.“, am 12.11.1938 versteigerte Lempertz die Werke für RM 3.000,-. Handelte es sich bei der Versteigerung um einen Zwangsverkauf der Familie Mayer-Alberti? Weitere Nachforschungen zur Identität des Einlieferers wie des damaligen Käufers blieben ohne Ergebnis.

Das Koblenzer Mittelrhein-Museum konnte Nachfahren der Koblenzer Familie Mayer-Alberti in Kanada ausfindig machen. Zu diesen nahm die verkaufende Kunsthandlung Kontakt auf, um den Raubkunst-Verdacht aufzuklären. Es fanden sich jedoch keine weiteren Hinweise dafür, dass die Gemälde 1938 von der Familie Mayer-Alberti in Köln verkauft worden waren. Die Nachkommen erhoben keine Ansprüche. Das Mittelrhein-Museum Koblenz wird mit einer Tafel an die ehemaligen Eigentümer, die Koblenzer Fabrikantenfamilie Mayer-Alberti, erinnern. Frank Druffner, kommissarischer Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, sagte: „Die Klärung der Provenienz steht für uns bei Erwerbungswünschen öffentlicher Sammlungen immer an vorderer Stelle. Im Koblenzer Fall konnte unser Verdacht nicht bestätigt werden, nach derzeitigem Kenntnisstand entschieden wir uns deshalb für eine Ankaufsförderung. Sollten doch noch Hinweise auf einen unrechtmäßigen Entzug auftauchen, werden wir eine faire und gerechte Lösung im Sinne der Washingtoner Erklärung unterstützen.“