Berechnendes Geschenk
Seine Genialität stellte der Franzose Charles Xavier Thomas (1785–1870) nicht nur bei der Entwicklung seiner ausgeklügelten Rechenmaschine unter Beweis, sondern auch bei deren Vermarktung: Nachdem seine Erfindung 1851 bei der Londoner Weltausstellung mit einer Silbermedaille ausgezeichnet worden war, hatte sich der findige Geschäftsmann vorgenommen, mit der auf dem Staffelwalzenprinzip beruhenden Rechenmaschine in Serienproduktion zu gehen. Dieser Popularisierung sollten ausgewählte Persönlichkeiten, die Thomas mit Prunkexemplaren beschenkte, auf die Sprünge helfen. Neben einigen kleineren Modellen entstanden so für eine Handvoll einflussreicher Machthaber seiner Zeit äußerst prachtvolle, große Arithmomètres. Drei solcher im Einstellwerk achtstelligen und im Ergebniswerk 16-stelligen Exemplare sind heute bekannt: Eine dem König beider Sizilien Ferdinand II. gewidmete, heute noch vollständig erhaltene Ausführung bewahrt das Schlossmuseum Caserta bei Neapel. Das Musée des Arts et Métiers in Paris besitzt eine für Louis Napoléon Bonaparte gefertigte Maschine, jedoch ohne die ursprüngliche Schmuckschatulle. Das dritte, für den russischen Zaren Nikolaus I. angefertigte Arithmomètre gelangt nun aus französischem Privatbesitz in das Arithmeum in Bonn: Die weltweit umfassendste Sammlung historischer Rechenmaschinen, angesiedelt an das Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik der Universität Bonn, erwirbt damit das letzte, noch nicht in musealer Hand befindliche Exemplar dieser Sonderserie von Thomas‘ bahnbrechender Erfindung.
Der im Elsass geborene Erfinder und Geschäftsmann Thomas entwickelte seine Rechenmaschine auf Grundlage des bereits von Leibniz erprobten Staffelwalzenprinzips, das eine mechanische Zahlenspeicherung erlaubte. Dank einer raffinierten Lösung für den Zehnerübertrag – anders als Leibniz nutzte Thomas die Wendeläufigkeit ausschließlich für das Ergebniswerk – gewährleistete er erstmalig eine einwandfreie Funktion. Mithilfe eines Hebels erreichte er zudem ein unkompliziertes Umschalten zwischen Addition und Substraktion. 1853, zwei Jahre nachdem er sie als eine Art Werbegeschenk an einflussreiche Persönlichkeiten verschenkt hatte, brachte Thomas seine Erfindung zur Serienreife. Robust und einfach zu bedienen, avancierte das Arithmomètre schließlich zum Erfolg mit Breitenwirkung und diente in der weiteren Entwicklung des mechanischen Rechnens als Prototyp: So begründete beispielsweise 1878 der Konstrukteur Arthur Burkhardt in Glashütte die Rechenmaschinenfabrikation in Deutschland mit einer exakten Kopie des französischen Vorbilds. Bis weit ins 20. Jahrhundert kam die von Thomas ausgefeilte Staffelwalzentechnik in der Produktion von Rechenapparaturen zum Einsatz.
Das bereits vor der kommerziellen Verbreitung gefertigte Arithmomètre ist noch heute in seine originale prachtvolle Schatulle aus Ebenholz und Schildplatt eingelassen. Von außen ziert das Kästchen die mit einer Zarenkrone versehene Initiale des russischen Herrschers Nikolaus I. Im aufgeklappten Zustand offenbart sich zudem im Deckel die französische Widmung für den Beschenkten: „A sa Majesté Nicolas I. – Empereur de toutes les Russes – Hommage respectueux de l’inventeur“. Durch den Erwerb des raren Prunkexemplars dieser für die Kulturgeschichte des Rechnens entscheidenden Erfindung schließt das Arithmeum in seiner umfangreichen Sammlung zu historischen Recheninstrumenten eine Lücke: Das Objekt dokumentiert nicht nur die frühe Entwicklungszeit der Thomas-Maschine sondern macht zudem den fördernden Einfluss der Politik auf technische Entwicklungen nachvollziehbar. Durch den französischen Antiquariatshandel vermittelt, gelang dem am Institut für Diskrete Mathematik der Universität Bonn angesiedelten Arithmeum der Ankauf der kostbaren Maschine mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Stiftung Diskrete Mathematik.