Die Figuren – bezeichnet als Der Begnadete II, Die Tänzerin, Der Wanderer und Die Erwartende – sind auch Bestandteil des sogenannten Fries der Lauschenden (1930-35). Barlach hatte sich 1926 mit einem, die Figuren umfassenden Denkmal an einem Wettbewerb für ein Denkmal in Berlin anlässlich des 100. Todestages des Komponisten Ludwig van Beethoven beteiligt. Die Kulturstiftung der Länder fördert den Ankauf mit 20.000 Euro.
Dazu Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Mit dem Ankauf der Figurengruppe kann die Ernst Barlach Stiftung Güstrow künftig Besucherinnen und Besuchern eindrücklich vermitteln, wie Barlach die Figuren entschieden veränderte – von einem geplanten Beethoven-Denkmal hin zum sogenannten Fries der Lauschenden. Neun Jahre künstlerischer Arbeit Barlachs können so für Besucherinnen und Besucher nachvollziehbar werden. Auch für die Forschung ergeben sich durch den Erwerb der bislang unbekannten Terrakottagruppe neue Erkenntnisse über die Schaffensweise Barlachs.“
Anlässlich des Wettbewerbs für ein Denkmal zum 100. Todestag Beethovens 1926 plante Ernst Barlach eine Säule gekrönt mit dem Haupt des Komponisten. Sein Entwurf sah vor, dass sich um die Säule Figuren reihen, die Beethovens Musik lauschen. Barlachs Entwurf wurde abgelehnt, er entwickelte das Bildnis Beethovens zu einer eigenständigen Bronze weiter, formte vier der lauschenden, in die Beethovensäule eingebunden Figuren in Gips ab und ließ sie in Terrakotta ausführen. Die Figuren wurden anschließend in der nahegelegenen Ziegelei Bützow in einer Auflage von sechs bis sieben Exemplaren gebrannt. Darunter auch die nun von der Ernst Barlach Stiftung Güstrow erworbene Terrakotta-Gruppe.
Die vier Terrakotten sind auf Holztafeln montiert, alle Tafeln tragen die Signatur Barlachs und sind mit einem profilierten gotischen Spitzbogen gestaltet. Bislang galt diese Kombination der Figuren aus Holz und Terrakotta im Œuvre des Künstlers als unbekannt. Die Terrakotten geben wichtige Einblicke in die Weiterentwicklung von Barlachs Beethoven-Denkmal bis hin zum späteren Fries der Lauschenden. Erstmalig kann in Güstrow damit die neunjährige Werkgenese anschaulich vermittelt werden.
In der neuen Dauerausstellung im Güstrower Atelierhaus wird ein Raum dem Fries der Lauschenden gewidmet, dort soll die Terrakotte-Gruppe ausgestellt werden. Die Terrakotten sind die erste erhaltene Gruppe, bei der Ernst Barlach die von ihm gefundenen Ausdrucksfiguren eindeutig in einem Zusammenhang präsentierte.
1930 setzte Barlach nach einer Beauftragung durch den jüdischen Industriellen Ludwig Katzenellenbogen die Arbeit an dem Figurenzyklus, abgeleitet vom Beethoven-Denkmal, fort – geplant als ein Fries der Lauschenden. 1933 flüchtete Katzenellenbogen in die Schweiz und konnte aufgrund wirtschaftlicher Probleme den Auftrag an Barlach nicht fortführen. 1935 übernahm Hermann F. Reemtsma den Auftrag und Barlach vollendete seinen Fries der Lauschenden. Für den Entwurf der Beethoven-Säule hatte Barlach die Figuren noch in einen romanisch inspirierten Korpus – die Säule – eingebettet, die Terrakotten wurden nach seinen Vorstellungen in Holztafeln mit gotischen Spitzbögen eingelassen. Für den finalen Fries der Lauschenden beschränkte er sich auf schlichte rechteckige Sockel für die Figurengruppe. Der Ankauf der Terrakottagruppe verspricht neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Formensprache beim Fries der Lauschenden.
Nach dem Brennen der Terrakotten hatte Barlach 1927 vier Figuren dem Anwalt Paul Ulrich Hans Havemann (1894–1934) geschenkt als Gegenleistung für erbrachte Anwaltsarbeiten. Nach dem Tod Havemanns gingen die Terrakotten in den Besitz seiner Frau und 1994 in den Besitz ihrer Töchter über. Die Ernst Barlach Stiftung erwirbt die Figurengruppe nun von den Töchtern Havemanns.
Weitere Förderer: Ernst von Siemens Kunststiftung