Band um Band

Die Leibniz Bibliothek in Hannover erwirbt eine bedeutende Büchersammlung: die Derneburger Bibliothek des hannoverschen Staatsministers Ernst Friedrich Herbert Graf von Münster und seiner Ehefrau Wilhelmine Charlotte, geb. Gräfin zu Schaumburg-Lippe.
Prachtbände aus der Derneburger Bibliothek des hannoverschen Staatsministers Ernst Friedrich Herbert Graf von Münster und seiner Ehefrau Wilhelmine Charlotte, geb. Gräfin zu Schaumburg-Lippe

Einen universellen Bildungshunger hatten Ernst Friedrich Herbert Graf zu Münster (1766–1839) und seine Ehefrau Wilhelmine Charlotte, geborene Gräfin zu Schaumburg-Lippe (1783–1858): Band um Band sammelten sie über die Jahre Weltwissen im heimischen Bücherschrank und bauten ihre gemeinsame Bibliothek systematisch auf – von juristischer, naturwissenschaftlicher und militärhistorischer Literatur über populäre Druckwerke zu Religion, Kirchengeschichte und Moral bis hin zu den Klassikern Goethe und Schiller. Auf dem Familiensitz Schloss Derneburg bei Hildesheim – das verfallene Kloster hatte der spätere König Georg IV. dem Grafen für seine Verdienste um die Wiederherstellung und Erweiterung des Königreichs Hannover vermacht – wurde der Bücherschatz aufbewahrt und intensiv studiert. So illustrieren es jedenfalls die zahlreichen Randnotizen ihrer bibliophilen Besitzer und die eingelegten Briefe mit Widmungen verschiedener Schenker. Doch auch zwischen den Seiten vergessene Rechnungen und gepresste Blütenblätter verraten, dass es sich bei den kostbaren Beständen um eine Gebrauchsbibliothek handelte.

Als hannoverscher Staatsminister zur Zeit der Personalunion mit dem englischen Königreich und insbesondere während des Wiener Kongresses zählt der erste Graf Münster zu den wirkungsmächtigsten politischen Persönlichkeiten im norddeutschen Raum des frühen 19. Jahrhunderts. Die von den Erben übernommene sogenannte Derneburger Bibliothek spiegelt nicht nur die breitgefächerten Interessen ihrer adligen Besitzer wider, sondern ermöglicht darüber hinaus einen authentischen Einblick in das politische und gesellschaftliche Umfeld des einflussreichen Staatsministers. Der Bestand der Belletristik in deutscher wie französischer Sprache sowie Ausgaben antiker Autoren, aber auch zahlreiche englische, italienische und spanische Dichtungen machen die Bibliothek zu einem seltenen Zeugnis der deutschen Bildungsgeschichte; nicht viele derartige Privat- und Gelehrtenbibliotheken haben sich so umfangreich erhalten. Kulturhistorisch versprechen insbesondere die beigelegten Autographen das Heben von so manchem unbekannten biographischen Schatz der Häuser v. Münster und Schaumburg-Lippe.

Nun konnte die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek rund 2.000 Einzelbände der Sammlung mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der VGH-Stiftung und der Klosterkammer Hannover erwerben: Ein herausragendes Zeugnis hannoverscher Landes- und Kulturgeschichte ist damit dauerhaft für die Öffentlichkeit gesichert.