Aus der Sammlung Mosse

Vor einem Jahr startete das in der Provenienzforschung bisher einmalige öffentlich-private Projekt „Mosse Art Research Initiative“ (MARI) zur Rekonstruktion der Sammlung des Verlegers Rudolf Mosse. Vorangegangen waren intensive internationale Gespräche von deutschen Museumsleiterinnen, der damaligen Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder und Vertretern der Nachfahren der Berliner Familie Mosse, deren Kunstsammlung nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 enteignet worden war. Gemeinsam widmen sich seitdem das Kunsthistorische Institut der Freien Universität Berlin als wissenschaftlicher Koordinator, diverse Museen, in deren Beständen Werke aus der Sammlung identifiziert werden konnten, sowie die Erbengemeinschaft der Familie Mosse der kooperativen Rekonstruktion und Dokumentation der Sammlung, die u. a. durch zwei Auktionen 1934 in alle Welt verstreut wurde (www.mari-portal.de). Das Projekt wird durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, die Erbengemeinschaft Mosse und die Kulturstiftung der Länder gefördert.

Nach der Sammlung Mosse ist die Marmorskulptur „Susanna“ von Reinhold Begas 1936 im Besitz von Anni Lederer, Berlin, dokumentiert. Sowjetische Trophäenbrigaden transportieren die Figur wohl 1945/46 aus Berlin ab, bis 1978 befindet sich die „Susanna“ in der Akademie der Wissenschaften in Leningrad. Schließlich landet sie 1978 als Teil einer Rückgabe von Kunstwerken an die DDR im Völkerkundemuseum Leipzig und wird 1994 treuhänderisch an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) übergeben, die sie als Fremdbesitz inventarisiert und publiziert. Bereits im Dezember 2016 – vor dem Start von MARI – erfolgte die Übergabe durch die SPK an die Erbengemeinschaft Mosse, die schon 2015 acht Werke von der SPK zurückerhalten hatte. Da das Werk wie kein zweites in der Sammlung der Berliner Nationalgalerie Reinhold Begas (1831–1911) als neobarocken Erneuerer der Berliner Bildhauerschule präsentierte, hätte der Verlust der Skulptur eine erhebliche Einbuße für den Bestand bedeutet: Nachdem die Erbengemeinschaft einem Ankauf zugestimmt hatte, konnte die „Susanna“ nun mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erworben werden.

Reinhold Begas variiert das alttestamentarische Motiv der Susanna, der schönen und reichen Frau eines Babyloniers, die von zwei alten, lüsternen Richtern bedrängt wird, auf virtuose Art: In spannungsvolle Rotation sich drehend, lässt Begas’ „Susanna“ in ihrer dynamischen Anlage deutlich den auf ruhige Konturen setzenden späten Klassizismus hinter sich. Weich modelliert, erzeugen Haut und Bindegewebe und nicht Muskeln oder Skelett die körperliche Struktur. Mit erzählerischem Raffinement überträgt der Künstler dem Betrachter die Rolle der beiden voyeuristischen Alten, die die schutzlose Nackte beim Bade beobachten. Bei Zeitgenossen mitunter auf Ablehnung stoßend, gilt Reinhold Begas heute als der „bedeutendste, erfolgreichste, souveränste Bildhauer des Neubarock in Deutschland“ (Bernhard Maaz).

Frank Druffner, kommissarischer Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, sagte: „Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Museen, in deren Beständen sich unrechtmäßig entzogene Werke aus der Sammlung Mosse befinden, und den Vertretern der Erbengemeinschaft Mosse trug bereits mehrfach Früchte. Im vorvergangenen Jahr wurde von der Kunsthalle Karlsruhe ein Gemälde von Carl Blechen, vom Museum Wiesbaden eines von Fritz von Uhde restituiert. In beiden Fällen konnte, mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Rückkauf realisiert werden. Dann restituierte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Skulptur ‚Susanna‘ von Reinhold Begas, die zunächst als Leihgabe in der Alten Nationalgalerie blieb. Nun gelang der Ankauf: Auch hier haben die persönlichen Kontakte zwischen Sammlung und Erbenvertretern zu einer guten Lösung geführt.“